Landkreis Dachau:Landkreis fühlt sich vom Ministerium nicht gehört

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Nicht nur die Landeshauptstadt München, die man bei gutem Wetter vom Dachauer Schlossplatz sehen kann, sieht sich großen Herausforderungen gegenüber. Auch der Landkreis steht vor vielen Aufgaben. Ob das LEP dabei helfen kann, sie zu lösen, daran zweifeln die Kreisrätinnen und Kreisräte. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Streit um das Landesentwicklungsprogramm geht weiter: Auch der zweite Entwurf der Teilfortschreibung sorgt für Unmut im Dachauer Kreistag. Zum Beispiel über die Frage, ob landwirtschaftliche Flächen als Vorranggebiet gelten sollen und welche Gemeinden zum Verdichtungsgebiet gehören.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Kritik an der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern, kurz LEP, ist nach dessen Veröffentlichung bereits im Frühjahr dieses Jahres von zahlreichen Kommunalpolitikern, Institutionen und Fachverbänden zu vernehmen gewesen. Sie alle forderten schon damals eine komplette Neuaufstellung. Auch der Landkreis Dachau hatte sich Anfang April schon einmal an das Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) gewandt, um seinem Unmut kundzutun. Zum einen ging es den Dachauer Kommunalpolitikerinnen und -politikern in ihrer ersten Stellungnahme darum, darauf hinzuweisen, dass es dem Programm aus ihrer Sicht an konkreten Zielen fehlt, aber auch darum, dass sie es für realitätsfern halten, dass von allen 17 Landkreiskommunen fortan nur noch Karlsfeld und Dachau zum Verdichtungsraum zählen sollen. Zum anderen ging es ihnen in einem ergänzenden Mantelschreiben darum, jene Aspekte, die sich nicht geändert haben, aus Sicht des Landkreises aber geändert gehören - Stichwort: Streichung der dritten Startbahn - zu bemängeln. Die Liste ist lang, im Kern geht es bei der Kritik aber vor allem um eines: Der Landkreis Dachau vermisst zukunftsweisende Vorgaben. Eine Einschätzung, an der auch eine Überarbeitung des Entwurfs, die den Landkreis Anfang August erreicht hat, nichts geändert hat - im Gegenteil.

Um das zum Ausdruck zu bringen, hat der Landkreis erneut an das StMWi geschrieben. Zeit, den Brief vorab im Kreisausschuss zur Vorlage zu bringen, blieb der Verwaltung allerdings nicht. Der Grund: Die Frist, die zweite Stellungnahme an die Adresse des Ministeriums zu übersenden, war der 19. September. Ein Termin, der vor der ersten Sitzung nach der Sommerpause am vergangenen Freitag lag. Bei der nachträglichen Besprechung der Mitteilungsvorlage schlossen sich aber alle Fraktionen der von der Abteilung Kreisentwicklung formulierten Stellungnahme an.

Der Landkreis kritisiert das Vorgehen des Ministeriums als "intransparent"

Die Verwaltung kritisiert darin zunächst, dass man bis zum jetzigen Zeitpunkt trotz ausdrücklicher Bitte um Rückmeldung, keine Antwort auf das erste Schreiben erhalten habe und "die Anregungen und Forderungen", die darin formuliert worden waren, in den geänderten Entwurf kaum Eingang gefunden hätten. "Wir bedauern dies außerordentlich, da dies den Beteiligungsprozess, welcher von allen Beteiligten viel Aufwand erfordert, intransparent erscheinen lässt und die Vorgehensweise Ihres Hauses für uns nicht nachvollziehbar macht."

Neben der Kritik am formellen Vorgehen des StMWi hat der Landkreis aber auch zu einer laut Abteilungsleiter Georg Meier "überraschenden", inhaltlichen Änderung Stellung bezogen: den sogenannten Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für die Landwirtschaft. Wenngleich man den Wert und die Bedeutung des Erhalts land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen erkenne und schätze, sehe man das nun neu eingeführte Ziel, welches die Regionalen Planungsverbände verpflichte, Vorrang- und Vorbehaltsflächen für die Landwirtschaft festzulegen, kritisch und fordere, "dieses Ziel zu streichen".

Die Zielsetzung bemängelt der Landkreis als "zu einseitig und unflexibel"

Mit einer verpflichtenden Ausweisung von landwirtschaftlichen Flächen als Vorranggebiet würden große Bereiche der Gesamtfläche Bayerns einer "kommunalen Bauleitplanung oder einer sonstigen Fachplanung entzogen", statt Ziele und Maßnahmen der Klima- und Energiewende oder von (temporären) geopolitischen Rahmenbedingungen an den unterschiedlichen Ausgangslagen, Bedingungen und Notwendigkeiten vor Ort, "also auf der gemeindlichen Ebene, planerisch zu bewältigen und hierbei alle öffentlichen und privaten Belange untereinander abzuwägen", heißt es in dem Schreiben weiter. Diese Zielsetzung erscheine auch vor dem Hintergrund der "bestehenden Nutzungskonkurrenzen" und der Problematik der zum Teil nicht vorhandenen Grundstücksverfügbarkeit "zu einseitig und unflexibel".

Und obwohl auf Drängen des Landkreises sowie der Gemeinden selbst neben Dachau und Karlsfeld laut dem neuen Entwurf nun doch auch Hebertshausen, Röhrmoos und Vierkirchen weiterhin zum Verdichtungsraum München zählen sollen, halten die Kreisrätinnen und Kreisräte auch in diesem an ihrer ursprünglichen Kritik fest. Denn, so etwa Landrat Stefan Löwl (CSU): Dass Petershausen - zumindest wenn es nach dem LEP geht - nicht zum Verdichtungsraum zählen soll, sei schlicht nicht nachvollziehbar.

Grünen-Kreisrat Arthur Stein äußerte darüber hinaus sein Unverständnis über die vorgenommenen Änderungen beim Unterpunkt Windkraft. Die Teilfortschreibung wurde darin um folgenden Satz ergänzt: "Als Teilflächenziel wird zur Erreichung des landesweiten Flächenbeitragswertes nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz für jede Region 1,1 Prozent der Regionsfläche bis zum 31. Dezember 2027 festgelegt." Zwar handelt es sich dabei um eine Spezifizierung, jedoch führt diese aus Sicht von Stein am Ziel vorbei. Statt den Gemeinden bei der Planung reinzureden, fände es auch Landrat Löwl sinnvoller, ihnen bei der Menge an zu erzeugender erneuerbarer Energie Vorgaben zu machen. Stefan Kolbe (CSU) berichtet dazu aus der jüngsten Bürgermeisterdienstbesprechung, dass allen Landkreisgemeinden bei dieser Thematik an einer "interkommunalen Zusammenarbeit" gelegen sei - neue Vorgaben von oben brauche es da nicht.

"Wir werden beides müssen: Weniger verbrauchen und mehr produzieren"

Fest steht, Bayern hat auf die Fläche gerechnet vergleichsweise wenig Windräder vorzuweisen, der Landkreis Dachau ist da keine Ausnahme. Auch darüber, dass es mehr Windräder werden müssen, besteht grundsätzlich Konsens. Trotzdem war es Landrat Löwl in der Diskussion wichtig darauf hinzuweisen, dass der Freistaat im deutschlandweiten Vergleich nicht das Schlusslicht bildet, sondern sich vielmehr "im Mittelfeld" bewegt. Auch liege es nicht allein an der 10-H-Regel, die in Bayern den Mindestabstand von Windrädern regelt, dass es hierzulande noch zu wenige gebe. Im grün-geführten Baden-Württemberg, wo es so etwas wie eine 10-H-Regel nicht gibt, stünden nämlich auch nicht viel mehr Windräder.

Der Indersdorfer Bürgermeister Franz Obesser (CSU) erklärte sich überzeugt davon, dass die Kommunen in Zukunft ganz von selbst mehr auf erneuerbare Energie setzen würden. Schließlich sei man heute auf einem ganz anderen Wissenstand als noch vor wenigen Jahren. "Die Zeit hat sich geändert". Von einem allen Kommunalpolitikern klaren Handlungsbedarf war auch Landrat Löwl überzeugt: "Wir werden beides müssen: Weniger verbrauchen und mehr produzieren." Auch unter den anwesenden Kreisrätinnen und Kreisräten bestand darüber am Freitagvormittag augenscheinlich Einigkeit.

Daran, dass das LEP, das laut Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) doch "klug die Weichen für die Zukunft Bayerns stellen" soll, dabei helfen wird, den Landkreis bei den Herausforderungen der kommenden Jahre zu unterstützen, statt ihn dabei zu behindern, daran zweifelten die Mitglieder des Dachauer Kreisausschusses indes nach der Lektüre des überarbeiteten Entwurfs einmal mehr.

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