Kunstkreis Karlsfeld:Einfach DKW

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Dieter Kleiber-Wurm hat den Kunstkreis gegründet und führt ihn von Beginn an. Er hat in Karlsfeld eine kulturelle Institution für den ganzen Landkreis geschaffen und lächelt über die Skandälchen der Anfangszeit

Von Gregor Schiegl

Künstler galten in Karlsfeld vor 40 Jahren noch als verdächtige Subjekte und als irgendwie subversiv. "Langhaarige Rotweinsäufer", sagt Dieter Kleiber Wurm lachend und zieht vergnügt an seinem Pfeifchen. Kleiber-Wurm ist klein und drahtig, kurze graue Haare, ordentlich gestutzter Schnauzer, ein Schalk von 80 Jahren und der große kleine Mann der Kunst in Karlsfeld. Erst vor wenigen Wochen wurde er als Vorsitzender des Kunstkreises bestätigt, wo zu den Vernissagen - in diesem Punkt stimmt das alte Klischee dann doch - ein ganz passabler Rotwein gereicht wird. Im Mittelpunkt steht selbstredend die Kunst, frech und modern, passend zu einer jungen, bunten Gemeinde wie Karlsfeld, und die kleine Galerie am Drosselanger ist ihr Hauptquartier.

In der aktuellen Mitgliederausstellung des Kunstkreises Karlsfeld müssen sich die Teilnehmer an das Quadrat halten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

An diesem Samstag wird gefeiert mit Bürgermeister und stellvertretender Landrätin, Gemeinderäten und Bürgern, wie das bei solchen Anlässen üblich ist. Dennoch kann der Festakt nicht darüber hinwegtäuschen, dass die 27 Kunstkreis-Mitglieder in Karlsfeld auch nach 40 Jahren eine Nischenexistenz führen: Die Galerie in bester Ortsrandlage gibt es schon seit mehr als 20 Jahren, 117 Ausstellungen hat der Kunstkreis bis heute gezeigt; viele Karlsfelder haben nicht eine einzige davon gesehen. "In Dachau sind Vernissagen gesellschaftliche Ereignisse", sagt Dieter Kleiber-Wurm. In Karlsfeld trifft sich ein eingeschworener Kreis von Kunstliebhabern, man kennt sich. Der Kunstkreis-Chef beklagt das gar nicht. Er stellt es nur fest.

Der Spitzname wird Markenzeichen

Wenn man vom Kunstkreis spricht, insbesondere von seinen Anfängen, muss man auch einiges über Dieter-Kleiber Wurm sagen: Er ist ihr Erschaffer und ihr Kopf, führender Ausstellungsmacher und Cheforganisator. Kleiber-Wurm hat das gelernt: Früher hat er für Krauss-Maffei professionelle Ausstellungen auf die Beine gestellt mit eigenem Budget über 100 00 Mark. Im Jahr 1977 war der Tausendsassa außerdem SPD-Gemeinderat und Vizepräsident des TSV Eintracht Karlsfeld. Da lernt man viele Leute kennen, zum Beispiel die Maler Ottilie Patzelt und Wolfgang Seehaus oder den Bildhauer Klaus Herbrich.

1992 "sperrte" Dieter Kleiber-Wurm die Münchner Straße mit einem Baustellenband ab. (Foto: Kunstkreis Karlsfeld)

Am 13. Mai 1977 lud Kleiber-Wurm einen Kreis Kunstinteressierter ein zur Gründung des "Kunstkreises Karlsfeld". Das sollte "kein schlechtes Omen" sein, tippte er damals mit der Schreibmaschine in den Einladungsbrief. Heute spinnt er eine nette Schnurre um diesen Freitag, den 13. "Wenn es klappt: schön. Wenn es nicht klappt, war halt das Datum schuld." Aber es hat geklappt: Im Alten Rathaus fanden sich die Künstler zur Gründungsversammlung zusammen, ziemlich formlos übrigens. Ein Verein ist der Kunstkreis erst seit dem Jahr 2000. Der erste Bericht über den Kunstkreis erschien am 20. Mai 1977 im Lokalteil der Süddeutschen Zeitung, verfasst von Dieter Kleiber-Wurm. Er war, was die wenigsten wissen, freier Mitarbeiter der SZ, hauptsächlich als Sportberichterstatter. Das Autorenkürzel DKW ist ihm geblieben als Spitzname und Markenzeichen.

Auch von kleinen Skandalen berichteten die Zeitungen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Wie wenig die Gemeinde und ihre Vertreter auf den Kunstkreis Karlsfeld vorbereitet waren, zeigt die Rede des damaligen Bürgermeisters Bruno Danzer, in der wohlwollend aber unpassend von einem Kreis von "Hobbykünstlern" die Rede war. Der Kunstkreis war keine Bewegung mit künstlerischer, ästhetischer oder gar politischer Agenda. Er war ein loser Verbund von Künstlern, die sich, jeweils auf ihrer Art, den Ausdrucksformen der Moderne verbunden sahen. Und vielleicht liegt gerade hier die Erklärung, warum immer eine gewisse Distanz zwischen Karlsfeld und seinem Kunstkreis geblieben ist: In der architektonisch sehr modernen, manchmal etwas unwirtlich geratenen Gemeinde gibt es wohl eine tief verwurzelte Sehnsucht nach Tradition und ländlicher Beschaulichkeit. Nicht umsonst gilt die verstorbene Edeltraud Klapproth mit ihren bäuerlichen, idyllischen Malereien als populärste Künstlerin im Ort.

Der Karlsfelder Mal-Skandal

Der Graben zwischen Kunstkreis und Gemeindeöffentlichkeit wurde 1982 bei einer Ausstellung im Bürgerhaus evident. Hausherr Bruno Danzer nahm kurzerhand zwei Bilder des Malers Dan Frey ab, die er für das dort verkehrende Publikum, insbesondere für Kinder und Senioren als zu anstößig empfand: Eine nackte Frau mit Riesenbusen in Acryl, das ging nicht, und erst recht nicht eine Darstellung von fünfzehn Riesen-Penissen auf einem Bild, mit dem Frey gegen die Methoden der damals populär-esoterischen Bhagwan-Bewegung protestierte. "Des is a Porno", zitierte die Abendzeitung den entsetzten Rathauschef und blies den Vorfall gleich zu einem "Mal-Skandal" auf.

Der Gründer und Vorsitzende des Kunstvereins Dachau Dieter Kleiber-Wurm ist in der Galerie am Drosselanger. (Foto: Niels P. Joergensen)

Dieter Kleiber-Wurm kann über diese Aufregung nur den Kopf schütteln. Das Bild war ja auch andernorts schon ausgestellt gewesen, und in Karlsfeld war es auch weiterhin zu sehen, allerdings in einem absperrbaren Nebenraum, den der Kunstkreis jenen Besuchern öffnete, die solcherlei Darstellungen verkraften. Fast genauso wichtig wie der 13. Mai 1977 ist in der Geschichte des Kunstkreises übrigens der 28. Februar 1996. An diesem Tag übergab die Gemeinde dem Verein das Brückenhaus an der Bajuwarenstraße, das als Lärmschutzriegel für die dahinter liegende Wohnbebauung am Drosselanger errichtet worden war. SPD-Bürgermeister Fritz Nustede hatte die Idee mit Dieter Kleiber-Wurm ausgekungelt - und rettete damit wahrscheinlich den Kunstkreis, der mit den Ausstellungen im Bürgerhaus nicht sehr glücklich war. Das hatte weniger mit der Porno-Affäre zu tun als mit dem Umstand, dass immer jemand auf die Bilder in den öffentlich zugänglichen Häusern aufpassen musste. Kleiber-Wurm erinnert sich noch lebhaft, wie er samstags bis halb drei Uhr morgens im Foyer hockte, während nebenan eine griechische Hochzeit gefeiert wurde.

Seh am See

Inzwischen gibt es nicht nur die Galerie am Drosselanger als Ausstellungsort: Seit 1986 geht der Kunstkreis auch alle zwei Jahre an den Karlsfelder See und zeigt die Aktion "Seh am See". Für ein Wochenende steht dann die Kunst in Karlsfeld im Mittelpunkt, in und mit der Natur. Fun Fact am Rande: Kleiber-Wurm hatte den Vorschlag, am See eine Ausstellung zu machen nur im Scherz gemacht aus Frust über mangelnde Ausstellungsmöglichkeiten. Die Presse berichtete über den Beitrag aus der Mitgliederversammlung, ohne Sinn für DKWs Sarkasmus. Und so wie es geschrieben stand, wurde es dann auch gemacht - mit großem Erfolg. "Seh am See" zieht auch von außerhalb viele Kunstliebhaber an. 2018 ist es wieder so weit.

Die regelmäßige Ausstellung "Seh am See" ist eine der wichtigsten des Vereins. (Foto: Toni Heigl)

Alles in allem kann der Kunstkreis also sehr zufrieden sein. Nur das Alter der Mitglieder bereitet DKW Sorgen. Das jüngste Mitglied ist 40, die meisten sind älter als 50, viele sind über 70. "Wir brauchen dringend eine Verjüngung", sagt Kleiber-Wurm. Denn nicht nur kulturell, auch sozial wäre Karlsfeld ein ganzes Stück ärmer ohne den Kunstkreis. In drei Versteigerung erlösten die Künstler mit ihren Werken mehr als 12 300 Euro für die Bürgerstiftung. Und das ist sehr anständig.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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