Kunst:Zwischenwelten

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Ralf Hanrieder und seine Variante des Pointilismus als zweideutiges Spiel mit Pixeln und analogen Strukturen. Die Sparkasse Dachau zeigt seine erste Einzelausstellung seit drei Jahren

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Früher waren die Bilder von Ralf Hanrieder von einer unverblümten Härte. Weiß-grau changierende Linien zogen sich über monochrom-schwarzen Hintergrund, als wären die Kurven vergleichbar den Aufzeichnungen eines Elektrokardiogramms sichtbare Zeichen einer großen, noch unspezifischen, auf jeden Fall anderen Welt. Später löste Hanrieder die komprimierten Zeichensysteme, die Anagrammen ähnelten, in vielgestaltige Formen auf. Kalkül und Kühle lösten die Härte ab. Was aber blieb, war das Gefühl, mit einer heftigen, abstrakten Energie konfrontiert zu sein. Hanrieders kosmologische-mystische Erklärung seiner Werke führten in die Philosophie des Magischen Quadrats und in der Folge in esoterische Gefilde. Aber wirklich wichtig waren sie für den Betrachter nicht.

Jetzt stellt Ralf Hanrieder nach einer Pause von drei Jahren erstmals wieder in Dachau aus. In der Zwischenzeit war er als Fotograf mit der Initiative Clowns ohne Grenzen unterwegs. Er dokumentierte deren Auftritte in den Brennpunkten der Welt und verwaltete den Blog der Organisation. Die Ausstellung ist eine Form demonstrativer Rückkehr in heimatliche Gefilde.

Die neuen Bilder in der Hauptstelle der Sparkasse Dachau sind ganz anders als die alten. Das Kalkül ist zwar noch vorhanden, die Farben indes sind weich und zart. Die Themen kreisen um die Frage der Wiedererkennung und befassen sich mit dem Reiz der Erkennbarkeit von Menschen und Gegenständen. Das bildnerische Verfahren ist stets das gleiche: Ralf Hanrieder setzt Farbwerte, die in seinem Fall aus Quadraten mit einer Signatur bestehen. Er verdichtet sie auf unterschiedliche Weise, so dass wie bei einer zeichnerischen Schraffur, ein Mädchen beim Springen, ein hüpfender Bub oder ein Mädchen mit Mütze erkennbar wird.

Taucht das Mädchen aus Katmandu gerade auf oder ist es im Verschwinden begriffen? (Foto: oh)

Dieser Effekt ist aus dem Pointillismus bekannt. Einzelne Farbpunkte komponieren sich im Auge des Betrachters zu Figuren und Landschaften. Das Bild entsteht also erst durch das Sehen. Allerdings ist dazu eine gewisse Distanz notwendig. Geht man nah heran, so sieht man nur Farben. In diesem Sinne präsentiert Ralf Hanrieder eine doppelte Ausstellung: eine aus der Ferne und eine aus der Nähe.

Hanrieder verbindet die Idee des Pointillismus mit informellen Pixelsystemen. Oder wie er selbst sagt: "Ich hole die digitale Welt in die analoge zurück." In jedem einzelnen Quadrat hat Hanrieder ein Zeichen untergebracht, das dem magischen Quadrat entspricht und sich darauf zurückführen lässt, dass die Quersumme aller Zahlen stets die gleiche ist. Diese Summe lässt sich in Lineaturen übersetzen. Spannend wird das Verfahren in der Ausstellung dann, wenn das Bild selbst zweideutig wird. Das beste Beispiel dafür ist das Porträt eines Mädchens aus Katmandu, das der Dachauer Künstler während seiner Tätigkeit für Clowns ohne Grenzen aufgenommen hat. In der analogen Pixelstruktur könnte das Gesicht auch im Verschwinden begriffen sein und die Erinnerung an das Gesicht auflösen. Dadurch verstärkt Hanrieder die Melancholie und auch bittende Hilflosigkeit, welche in dem Gesicht des Mädchens deutlich zu spüren ist. In zwei Werken führen die analogen Pixelquadrate zu Auflösungserscheinungen. Sie lagern sich über Blumen-Stillleben und beginnen, die Gegenstände verschwinden zu lassen.

Nun ist Ralf Hanrieder ein Künstler, der in Serien plant, auch weil seine Werke Gedankenbilder sind, die stets um eine spezielle Idee kreisen. In der Sparkasse Dachau flirren gefällige Farbkompositionen um Menschen, Landschaften und Gegenstände, als ob deren zweideutige Präsentation heiter besungen werden soll. In diesem Sinne erzeugt Ralf Hanrieder Zwischenwelten, von denen man nicht weiß, was mit ihnen passiert. Die energetische Aufladung in den früheren Bildern ist Vergangenheit. Der Künstler befindet sich anscheinend selbst in einer Phase, in der er neue Wege sucht. Insofern passt der Titel der Ausstellung "Die Wellen sind nicht das Meer".

Ralf Hanrieder war drei Jahre in der Welt unterwegs. (Foto: Niels P. Joergensen)

Ralf Hanrieder: "Die Wellen sind nicht das Meer", Sparkasse Dachau, Sparkassenplatz, zu den üblichen Öffnungszeiten bis Mittwoch, 16. März.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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