Kulturspaziergang in Haimhausen:Wenn die Sonne das Laub entflammt

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Kunst muss nicht anstrengend und steif sein: Einen unverkrampften Zugang bietet die Openart in Haimhausen.

Dorothea Friedrich

Über den Hof der Schlossbrauerei weht Italo-Rock, verfängt sich in den Bäumen, schleicht sich in die Gemäuer und ins Ohr. Die Klänge umfangen die alten Gewölbe, das sonst verschlossene Sudhaus, die Ateliers der Künstler, die sich in der Haimhausener Dorfstraße angesiedelt haben.

Der  Münchner Künstler Carl-H1 Daxl stellt derzeit in der Kulturkreiskneipe Haimhausen aus und beteiligte sich am  Kunstspaziergang Openart. (Foto: Toni Heigl)

Weniger einschmeichelnd, aber völlig stimmig ist, was die Jungs von "Hard Case" wenig später auf einem zur Bühne umfunktionierten Anhänger spielen. "Blues-inspirierter Punk", sei ihre Musik, sagen Clemens, Carlos, Jamie und Jamie. Die vier sind Schüler der BIS, der Bavarian International School.

Ihre - meist weiblichen - jugendlichen Fans kommen zwar in erster Linie der Musik wegen, lassen sich aber auch durch die Ateliers und Ausstellungsräume treiben.

Und die haben es in sich. Im Gewölbe etwa scheinen die Skulpturen von Wolfgang Sand plötzlich ein Eigenleben zu entwickeln. Der intime Raum mit der niedrigen Decke lässt sie wie selbstbewusste Fabelwesen erscheinen, die nur darauf warten, dass die Besucher endlich verschwinden und sie sich weiter genüsslich mit sich selbst beschäftigen können.

Weil ihr Atelier in den oberen Stockwerken für Publikum nicht zugänglich ist, hat sich Dörthe von Haniel, deren Familie die Schlossbrauerei gehört, im Parterre des Sudhauses eingerichtet. Ihre Radierungen hat sie mit Stecknadeln an den Wänden befestigt. "Wenn du hier ein Loch bohren willst, kommt dir ein Teil der Wand entgegen", sagt sie. "Da haben wir uns eben so beholfen."

Dieses Unfertige, dieses dem Charakter des Ortes Angepasste, macht viel vom Charme der Openart aus. Eine entspannte Leichtigkeit und Unverkrampftheit liegt über den Menschen und den durchaus imponierenden Kunstwerken. Man geht aufeinander zu. Man redet miteinander, man tauscht sich aus.

Das sei ein ganz wichtiges Anliegen der Openart, erzählt Gabriele Middelmann, die zusammen mit Andreas Schiebel das fünfte Haimhausener Kunstwochenende organisiert hat. Die ortsansässigen Künstler haben Kollegen eingeladen, teilen Atelier und oftmals auch die Wohnung mit ihnen, entwickeln neue Projekte und lassen die Besucher teilhaben am Geschehen.

"Es ist großartig, dass Andreas Giebel die Idee hatte, die jungen Leute einzubinden", sagt sie. "Da haben wir ein ganz neues Publikum", freut sich auch Dörthe von Haniel. Doch es gibt noch etwas, was dieses Wochenende so abhebt von ähnlichen Veranstaltungen in anderen Orten.

Die Haimhausener Bürger beteiligen sich nicht nur als passive Zuschauer, sondern aktiv, helfen überall, wo Not am Mann oder der Frau ist. "Haimhausen ist rührig, im wahrsten Sinne des Wortes. Die rühren hier was um", sagt eine zufriedene Gabriele Middelmann.

Rührig ist auch die BIS. Julia Ebmeyer führt durch die Ausstellung im Foyer der Schule, die einen Einblick in das künstlerische Schaffen der neunten bis zwölften Klassen gibt. Die Sechzehnjährige besucht den Leistungskurs Kunst. Warum? "Kunst ist der Weg, wie man ohne Worte viel sagen kann", meint sie, und "ich habe bei unseren Projekten so viel gelernt.

Ich habe doch gar nicht gewusst, wie schlimm es den Frauen in Afrika geht. Jetzt weiß ich es." Das Thema scheint einige Schülerinnen tief berührt zu haben. Ihre Bilder sagen tatsächlich mehr als viele Worte über Unterdrückung und Gewalt aus.

Wort und Bild zu verbinden, ist eines der Markenzeichen von Carl-H1 Daxl. Er stellt zur Zeit in der Kulturkreiskneipe aus. Er liebt Holz als Trägermaterial für seine witzigen, ironischen, nachdenklichen, manchmal boshaften Werke.

"Ich nehme gerne Sachen, die schon gelebt haben", sagt er. "Abfallholz wird durch meine Malerei zum Kunstwerk. Das ist wie in den Himmel kommen."

Wie im Kunsthimmel fühlen sich die Flaneure an diesem Wochenende auf den Straßen Haimhausens auf dem Weg von der Malerei zur Skulptur, vom Schmuck zur Klanginstallation, von der Fotografie zur Grafik von 30 Künstlern in 15 Ateliers.

Die Sonne lässt das dumpf-goldene Laub der Bäume leuchten und die Rottöne explodieren. Auch das ist Openart.

© SZ vom 13.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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