Kultur:Wie ein einziger Tanz

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Kongenial: Bruno Hetzendorfer und Athanasia Kechagia in der Dachauer Kulturschranne. (Foto: Toni Heigl)

Bruno Hetzendorfer und der "Zauber des Augenblick"

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Die Fluchten aus den Krallen von Raum und Zeit muss man sich stehlen. Unter dem Titel "Zauber des Augenblicks" schuf der Sänger Bruno Hetzendorfer in der Kulturschranne die Möglichkeit zu solch kleinen Fluchten, wenn auch nur für ein paar Stunden. Mit der Akkordeonistin Athanasia Kechagia gab er einen charmanten Liederabend, der sich mit eingestreuten Gedichten und Texten um Sehnsucht, Traum, Liebe Tod, Ekstase und Narrheit drehte, um "das berühmte Tor zum Sein", wie er in einem Chanson sang.

In einer Reihe von selbstkomponierten Liedern und in Texten unter anderem von Markus Fenner, Georg Trakl, Nikolaus Lenau und Leonard Cohen ging er den vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten von zauberhafter Flüchtigkeit und der Leichtigkeit des Seins nach. Der aus Wien stammende Bruno Hetzendorfer ist Sänger, Dramaturg am Gärtnerplatztheater und Dozent für Stimmbildung und Rhetorik. Er rezitiert souverän und begleitete sich versiert am Klavier. Athanasia Kechagia zeigte sich als eine ausdrucksstarke Partnerin auf dem Akkordeon, die es versteht, pointierte Akzente zu setzen und sich aber im richtigen Augenblick zurückzunehmen.

Weil zum menschlichen Sein der Kreislauf der Natur gehört, begann Bruno Hetzendorfer seinen philosophisch-musikalischen Zyklus mit dem Frühling, in dessen lauem Wind eine unbestimmte Sehnsucht mitschwingt. "Mir wird so leicht ums Herz, i fliag in d'Bliah" sang Hetzendorfer mit Schmäh und führte sein Publikum ins heitere Blaue, Ungewisse und Grenzenlose, um sogleich den Bogen zum "Danz Danz Danzn" zu spannen.

Der Tanz befreie den Menschen und sei eine Verwandlung von Zeit und Raum, berichtete Hetzendorfer. Schon der Philosoph Friedrich Nietzsche habe gesagt, er würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde. Die Tanzmusik wirbelte mitreißend von der Bühne und verwandelte sich in einen Sirtaki, den die Griechin Athanasia Kechagia temperamentvoll spielte.

Am deutlichsten manifestiert sich der Zauber des Augenblicks in der Liebe. Das Duo stimmte das schöne Liebeslied "Mein ganzes Sein" an, dessen Magie im Song "Ehelehm" rüde auf den Boden der Tatsachen geholt wurde. Die große, leidenschaftliche Liebe verweigere sich dem Eheleben, so Hetzendorfer und rechnete vor, dass "alle zusammengezählten Orgasmen in einem 70-jährigen Leben nicht länger als eine halbe Stunde dauern." Wenn man dann noch die vorgetäuschten und die Interrupti abziehe, bleibe nichts mehr übrig, lautete das ernüchternde Resümee.

Das war die perfekte Überleitung zum ernüchternden Chanson "Es ist aus". Hetzendorfer zeigte seine schauspielerischen Qualitäten und interpretierte das Lied mit André Hellers morbidem Wiener Pathos, um sogleich auf die Münchnerische Deftigkeit und Prallheit von Konstantin Wecker umzuschwenken. Im Herbst bleibt vom Sommerglück nur der blasse Traum zurück. Das melancholische Lied "Im Herbstwind" paarte Hetzendorfer mit einer metaphysischen Betrachtung über Vergänglichkeit und Materie und stimmte eine Sternenstaubmusik an. Die düstere Stimmung im "Winterlied" mit einem Text von Georg Trakl löste sich auf in einer meditativen Fahrt "Übern See".

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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