Kultur in Dachau:Alle Farben

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Der Künstler Paul Havermann hat in der KVD-Galerie seine Ausstellung "Herbstflimmern" eröffnet. Die Bilder bestechen vor allem durch ihre große Farbpracht, sind aber bei genauerer Betrachtung auch gesellschaftskritisch. Das Highlight ist eine Videoinstallation

Von Christiane Bracht, Dachau

An den 12. August im Corona-Sommer erinnert sich Paul Havermann gern. Er hat ihn im Bild festgehalten und präsentiert ihn in seiner neuen Ausstellung. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Es ist das Spiel der Farben, das Paul Havermann fasziniert. Leuchtende Rot- und Orangetöne bis hin zu Violett oder goldenem Gelb. Mal in feinen Nuancen abgestuft und nebeneinander gesetzt, das gibt seinen Bildern eine besondere Lebendigkeit. Dann wieder ein harter Kontrast, der Spannung erzeugt und klare Blickpunkte setzt. Wie so oft hat der Dachauer in seinen neuesten Gemälden seinen Garten in den Fokus gerückt - mal ab-strakt, mal eher gegenständlich. "Herbstflimmern" ist der Titel der Ausstellung, die Havermann in dieser Woche in der KVD-Galerie in der Dachauer Altstadt eröffnet hat. Und dort empfängt den Besucher genau die gleiche große Farbenpracht, wie sie in der Natur um diese Jahreszeit zu finden ist.

"Der Betrachter soll verführt werden", erklärt der Künstler seine Strategie. Und die scheint aufzugehen. Denn wer den Raum betritt, ist erst einmal geflasht von diesen klaren, positiv stimmenden Farben. Doch wer genau hinsieht, erkennt die leisen Töne, die Disharmonien und auch die Vergänglichkeit, die zum Herbst ja unweigerlich dazugehört. So wabert etwa in einem großen Bild nahe dem Eingang, das hauptsächlich in Rottönen gehalten ist, ein grünlicher Nebel umher, der sich auszudehnen droht. Doch die gelben Farbreflexe der Sonne sind noch da, lassen sich nicht so leicht einnehmen und das Herbstlaub ebenfalls nicht. Es quillt hervor, dominiert das Bild. Doch wie lange noch? Wie die Ausstellung hat Havermann es "Herbstflimmern" genannt. Das Ende, das Kammerflimmern, das man beim Titel ja immer gleich mitdenkt, naht und es hat keine klaren Formen, wirkt nebulös, ja auch ein wenig bedrohlich.

Eher besinnlich ist das Bild "Ausgeräumt". (Foto: Niels P. Jørgensen)

Doch nicht immer geht es in Havermanns Bildern um das Grundsätzliche, das große Ganze. Manchmal liegt auch ein Hauch von Kritik am Geschehenen in ihnen. So ist am Anfang der Ausstellung ein großes Gemälde mit einem saftig grünen Apfelbaum darauf. Leuchtend rote Früchte hängen an den Zweigen. Andere sind bereits in einem großen Korb eingesammelt. Für den Betrachter ist es verführerisch, am liebsten würde man sofort zugreifen und in einen der süßen Äpfel hineinbeißen. Der Titel des Bildes irritiert: "letzte Ernte" heißt es. Man stutzt, überlegt: Wieso letzte? Richtig klar, worauf sich der Titel bezieht, wird das aber erst am Ende der Ausstellung Dort hängt, gegenüber vom grünen Apfelbaum das Bild "Ausgeräumt". Es zeigt das, was vom Apfelbaum übrig geblieben ist: Reste des zersägten Stamms und ein paar dürre Zweige, bedeckt von Schnee. Im Hintergrund trübe Farben. Es ist das einzige Bild im Raum, das derart viel weiße und dunkle, gedeckte Töne hat. So offensichtliche Vergänglichkeit sieht man selten in Havermanns Werk.

"Es war der Apfelbaum in Nachbars Garten", erzählt der Künstler. Er wurde gefällt, damit dort gebaut werden kann. Ein Investor will auf dem Grund eine Wohnanlage errichten. Eine Idee, der Havermann und auch seine Nachbarn von Anfang an sehr kritisch gegenüber standen. Sie hatten sich zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen, die sich gegen eine übermäßige Nachverdichtung wendete. "Der Grünzug, der hintere Gartenanteil, sollte dem Geviert entsprechend und zur Durchlüftung bei der künftigen Klimaerwärmung erhalten bleiben", sagte Havermann einmal bei anderer Gelegenheit. Jetzt will er eigentlich gar nicht darauf eingehen. Und dann sagt er doch etwas: "Es geht um die Bewahrung der Natur." Man müsse schauen, wie man sie in Einklang bringen könne mit den Planungen.

Die Videoinstallation (Mitte) lässt den Besucher intensiv in die Welt der Farben eintauchen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Havermann wendet sich nun seinem größten Werk zu. Auch ihn hat die Pandemie inspiriert. Ein drei Meter auf 1,50 Meter großes Werk ist herausgekommen: "12. August im Corona-Sommer" so der Titel. Es dominiert die eine Hälfte der Ausstellung. In strahlendem Sonnenlicht steht ein festlich gedeckter Tisch im Garten. Eine Person nähert sich im Schatten eines Baumes. Der Tisch war für eine Familienfeier vorbereitet", erzählt Havermann. In normalen Jahren eigentlich nichts Besonderes, aber im Coronajahr war es "eine wohltuende Unterbrechung in einer Zeit, die bleiern ist". Mit diesem Bild feiert er, den Spätsommer, in dem der Herbst langsam sichtbar wird.

Neben den Gemälden hält die Ausstellung noch ein ganz besonderes Highlight bereit: Vor zwei Jahren hatte Havermann erstmals eine Videoinstellation erarbeitet, in der aus Farbstrich-Paneelen seine Farbkompositionen erwuchsen. Jetzt zeigt er eine neue: Fotos von der Natur, meist aus seinem Garten, verwandeln sich langsam in Bildausschnitte von Havermanns Gemälden, fließen ineinander, verändern den Ausschnitt und zeigen schließlich die gesamte Komposition, nur um sich dann wieder aufzulösen. Die Sequenzen des Videos sind streng in grün, rot und gelb unterteilt. Im Hintergrund spielt Havermann Klavier und Mundharmonika. Vier große Bildschirme hat der Künstler dafür aufgestellt. Technisch unterstützt hat ihn bei dieser Arbeit, wie schon beim ersten Mal, Karl-Heinz Wenisch. Er gab auch vor Jahren schon den Anstoß zu dieser Idee. Für die Besucher ist die Installation auf jeden Fall ein besonderer Hingucker, sind die Bilder hier doch ständig in Bewegung, die Farben auch.

Die Ausstellung "Herbstflimmern" ist noch bis zum 3. Oktober in der KVD-Galerie zu sehen. Besichtigt werden können die Werke von dem Dachauer Künstler Paul Havermann immer donnerstags bis samstags jeweils von 16 bis 19 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Am Freitag, 17. September, ist die Ausstellung anlässlich der "Langen Nacht der offenen Türen" sogar bis 24 Uhr geöffnet.

© SZ vom 11.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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