Konzertführer:Die Liedertafel Dachau traut sich was

Lesezeit: 2 min

Das Oratorium "Christus am Ölberge" gilt als Beethovens umstrittenstes Werk. Es enthält aber auch großartige Passagen.

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Der Aufführung des von allen vergleichbaren Chorvereinigungen gemiedenen und von den großen Chören stark vernachlässigten Beethoven-Oratoriums "Christus am Ölberge" durch den Chor der Liedertafel Dachau unter der Leitung von Tobias Hermanutz kommt große Bedeutung zu. Denn sie wird zeigen, wie das in der Beethoven-Rezeption äußerst umstrittene Werk in unserer postmodernen Zeit ankommt. Eine Zeit, die schon viele Geschmacksurteile über Bord geworfen hat. Der Sonntag, 12. März, im Schloss darf also mit einer gewissen Spannung und auch Anspannung erwartet werden.

Im März 1803 schrieb Beethoven innerhalb weniger Wochen das Oratorium "Christus am Ölberge" für drei Solostimmen (Jesus, Petrus und Seraph), Chor (Krieger und Jünger) und Orchester. In einem Brief sagte Beethoven wie entschuldigend, "dass es mein erstes und frühes Werk dieser Art war, in 14 Tagen zwischen allem möglichen Tumult und anderen unangenehmen ängstigenden Lebensereignissen geschrieben wurde." Bereits am 5. April 1803 brachte es Beethoven in Wien in einer von ihm selbst im Theater an der Wien veranstalteten musikalischen Akademie, in der auch Beethovens zweite Symphonie und sein drittes Klavierkonzert zum erstem Mal gespielt wurden, zur ersten Aufführung.

Der Erfolg war groß. Nicht weniger als viermal wurde dieses Oratorium nach der Erstaufführung innerhalb eines Jahres in Wien gegeben, und noch 1825, also 22 Jahre später, ist in einem der Konversationshefte des tauben Beethoven vermerkt, dass "Christus bis dahin immer volle Häuser gemacht habe". Auf den Erfolg folgte ein gründliches Vergessen. Der Münchner Musikologe Walter Riezler führt es als ein Beispiel dafür an, "dass auch dem reifen Beethoven auf diesem Gebiete noch ein Werk missglücken konnte". Und Beethoven-Biograf Paul Bekker meinte um 1911 sogar: "Es gehört zu den Werken, an denen jeder Versuch einer Wiederbelebung verloren wäre, weil die Ausbeutung eines geistlichen, namentlich des Passions-Stoffes zu Bravour-A rien und Opernensembles unserem Empfinden widerstrebt."

Die Gefangennahme Christi finden viele "komisch"

Der zweite Teil des Werkes, der die Gefangennahme Christi schildert, wurde schon von einem feinsinnigen Zeitgenossen Beethovens als "komisch" abgelehnt. Beethoven protestierte zwar gegen dieses Urteil, aber die Zeit hat es bisher bestätigt. Es gibt in diesem Oratorium aber auch großartige Passagen, etwa das instrumentale Vorspiel zu einer Soloszene des von allen verlassenen am Ölberg betenden Christus, während alle seine Jünger schlafen.

Auf ein in Posaunen, Hörnern und Fagotten geheimnisvoll aufsteigendes Akkordmotiv folgt ein schwermütiges Unisono im gedämpften Klang der con sordino spielenden Streicher. Drohende Hornrufe, aufschreckende Sforzati, erschauernde Tremoli schildern die Entmutigung und die Qualen Christi in dieser Stunde am Ölberg. Man erkennt, zu welch großer seelischer Ausdrucksfeinheit Beethoven hier gelangte. Das erste Rezitativ Jesu bewahrt die hier angeschlagene Stimmung noch auf kurze Zeit, aber mit der Arie Jesu wird es bedenklich. "Ein Erlöser, der Tenor-Arien singt, ein Seraph, der, unterstützt vom vierstimmigen Engelschor, sich in Koloraturen ergeht, vermögen bei modernen Hörern keine innere Teilnahme mehr zu erwecken", schrieb Paul Bekker 1911.

Liedertafel Dachau: Passionskonzert "Christus am Ölberge" von Ludwig van Beethoven, Sonntag, 12. März, 17 Uhr, im Dachauer Schloss. Die Aufführung wird ergänzt durch fünf geistliche Lieder "O Liebe, süßer Tod" nach Johann Sebastian Bach für Chor und Orchester, gesetzt von Dieter Schnebel. Die Solisten sind: Stephanie Bogenberger (Sopran), Ute Elena Hamm (Mezzosopran), Johannes An (Tenor) und Florian Dengler (Bariton). Das Orchester besteht aus Mitgliedern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Karten im Vorverkauf gibt es bei der Buchhandlung Wittmann in der Dachauer Altstadt, 08131 / 83 538.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: