Konzert:Feuer und Flamme für Clara

Der Europäische Musikworkshop Altomünster steht im Zeichen des 200. Geburtstages der Komponistin und Pianistin Clara Schumann. Nicht nur die jungen Sänger auch eine Nachfahrin der Leipzigerin sind begeistert von Werk und Darbietung

Von Dorothea Friedrich

Da staunte am Freitagabend selbst Altomünsters Bürgermeister Anton Kerle. Beim Auftaktkonzert zum 13. Europäischen Musikworkshop (EUMWA) im ausverkauften evangelischen Gemeindezentrum, das ganz im Zeichen des 200. Geburtstags von Clara Wieck stand, saß ganz unauffällig in der dritten Reihe eine Ururururnichte der Pianistin, Komponistin und Ehefrau von Robert Schumann. Claudia Arleen Wieck lebt seit etlichen Jahren in der Marktgemeinde, hat aber bislang eher zurückhaltend in Sachen berühmte Vorfahrin agiert - zumindest in der Region.

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Heidrun Gärtner und Daniel Friedrich lesen aus Briefen des PaaresRobert Schumann und Clara Wieck.

(Foto: Niels P. Joergensen)

"Dieses Konzert war geballte Emotion", sagte sie der SZ Dachau. Sie sei "völlig überrascht" gewesen, "dass so viele junge Sänger die Lieder von Clara und Robert Schumann mit solcher Leidenschaft singen und das Publikum mitnehmen". Der musikalisch-literarische Abend war der berühmten Vorfahrin gewidmet. "Du bist wie eine Blume" haben Schumannbotschafter und Pianist Markus Kreul sowie der Schauspieler Daniel Friedrich ihre Hommage an Clara genannt. Zusammen mit Schauspielerin Heidrun Gärtner las Friedrich aus Briefen von Clara und Robert Schumann aus der Zeit vor deren Hochzeit. Schon das war Kammerschauspiel in Reinkultur. Zum Liebesdrama mit vorläufigem Happy End wurde die ausdrucksstarke Lesung durch das Sängerensemble mit Tenor Dominik Wortig, Tenor Moritz Kugler und die bei Wortig Gesang Studierenden Hyunju Kim, Isabelle Pany (Sopran), Melanie Gleissner (Alt), Florian Firlus (Tenor), Daniel Sauer (Bariton) sowie Paul Lee (Bass-Bariton). Am Flügel begleitete Kreul mit großer Einfühlungsgabe und faszinierendem Spiel.

Schumann Nachkomme; Schumann Nachkomme EUMWA

Claudia Arleen Wieck ist Ururururnichte von Clara Schumann, geborene Wieck.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die sorgsam ausgewählten Briefe des Paares erfuhren durch die ebenso sorgsam ausgewählten Lieder von Clara und Robert Schumann gewissermaßen eine Überhöhung. Das war Romantik pur - nicht im Sinne einer kitschigen Zeichnung in Babyrosa. Vielmehr glich dieser Abend einer Suche nach der blauen Blume der Romantik. Er wünscht sich in seinen Briefen eine treusorgende Ehefrau, die für ihn ihre Karriere an den Nagel hängt. Zeigt aber unerwartete Großmut, als die Beziehung am Widerstand von Claras Vater Friedrich Wieck zu scheitern droht: "Dass man sich so quälen kann um ein paar hundert Gulden", schreibt Robert Schumann in Anspielung auf die sechs "Ehekonsensbedingungen" des Schwiegervaters in spe und malt das Bild einer nur für ihn und ausgewählte Gäste vor sich hin klimpernden Gattin, konzidiert dann aber: "Auch die große Kunst wäre mir recht".

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Kreul leitet den Musikworkshop Altomünster.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Das weckt Erinnerungen an eine Dissertation, die sich ausführlich mit dem berühmtesten Eheprozess der Musikgeschichte auseinandergesetzt hat. Sie zeichnet Schumann als einen Mann, "der als ehelicher Egomane, Talentkiller und Stubenhocker genauso brillant war wie als Komponist", wie die Wochenzeitung Zeit damals schrieb. Doch diese Gedanken verflogen am Freitagabend schnell. Schließlich war Clara Wieck kein naives Girlie, sondern eine international gefeierte Pianistin, "eine starke Frau", wie Kreul in seiner Begrüßung sagte. Und sie wusste genau, wen sie wollte, nämlich ihren Robert. Der war in den Augen der Öffentlichkeit ein gescheiterter Pianist und mäßig erfolgreicher Journalist, musste wohl von den Erträgen aus seinem Erbe leben. Doch die scharfsichtige Clara hat wohl - trotz des jungmädchenhaften Liebesgesäusels geahnt, welches Genie da jahrelang um sie kämpfte. Wer bislang noch keine Komposition von Clara Schumann gehört hatte, wurde spätestens nach dem aufwühlenden "Er ist gekommen in Sturm und Regen" zum Fan dieser Frau. Es ist das wohl bekannteste Lied Clara Schumanns, erschienen ist es 1841 in der Liedersammlung "Liebesfrühling", die sie gemeinsam mit ihrem Mann komponiert hat. Hyunju Kim sang es mit großer Ausdruckskraft, ließ ihr Publikum teilhaben am Gefühlschaos einer Frau, die endlich am Ziel ihrer Ehewünsche ist - und wahrscheinlich schon mehr als eine Ahnung vom nervenaufreibenden Alltag mit ihrem ebenso genialen wie eigensinnigen Mann hatte. Dessen "Widmung" aus den "Myrthen" ist eines der schönsten Liebeslieder überhaupt. Moritz Kugler sang es so innig, so lebensprühend, dass die Frage, wem er wohl seinen Vortrag gewidmet hatte, nach Konzertende einfach gestellt werden musste - eine Antwort blieb allerdings aus.

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Der Tenor Florian Firlus.

(Foto: Niels P. Joergensen)

"Minnespiel" heißt ein weniger bekannter Liedzyklus von Robert Schumann. Isabel Pany, Melanie Gleissner, Florian Firius und Daniel Sauer sangen daraus "So wahr die Sonne scheinet" mit so viel Gefühl, dass letztendlich niemand mehr zweifeln konnte, dass die singuläre Verbindung von Clara und Robert Schumann ein festes Fundament hatte, das die Schlusszeile beschreibt: "Du liebst mich, wie ich dich, dich lieb' ich, wie du mich". Was es - nach nicht enden wollendem Beifall - mit all den nur zum Teil entzauberten Mythen um das Paar auf sich hatte, war nach dem Konzert Gesprächsthema Nummer eins.

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Heidrun Gärtner

(Foto: Niels P. Joergensen)

Was einmal gewiss am hohen künstlerischen Niveau lag, zum anderen an der Begeisterung, mit der sich die Studierenden, von denen einige erst am Anfang ihrer sängerischen Ausbildung stehen, der Herausforderung des Liedgesangs gewidmet haben. Zum anderen liegt es einfach am unendlichen Faszinosum dieser Beziehung, in der - ganz wider den damaligen Zeitgeist - Clara Schumann alle Konventionen sprengte. Schließlich verdankt ihr Mann seine Anerkennung als Komponist zum großen Teil der Tatsache, dass die Pianistin seine Werke bekannt hatte.

Das sieht Claudia Arleen Wieck ähnlich. Sie hat nicht nur "die Wiecksche Nase geerbt", wie sie lachend sagte, sondern auch die musikalische Begabung ihrer Vorfahrin. "Das liegt halt in der Familie", sagte sie. Selbst sei sie "Hobbymusikerin", was ihren beiden kleinen Kindern geschuldet sei. Und weil sie noch ein paar andere Wieck-Gene geerbt habe, sei sie so wie Friedrich Wieck "stur und willensstark". Schon früh habe sie sich von der Familientradition gelöst und als Pianistin der Klassik den Rücken gekehrt. "Ich habe mich für Jazz und Rock begeistert - und tue das immer noch".

Doch selbstredend geht es als nachgeborene Wieck nicht ohne die Musik ihrer Vorfahren. Schon alleine, "weil es Familientradition ist, dass wir das Erbe pflegen und bewahren und wir auch immer wieder Neues entdecken". Das empfindet Claudia Arleen Wieck nicht als Last, sondern als Selbstverständlichkeit. Was sie stört ist allerdings, "dass ich dann immer nur als Verwandte von Clara wahrgenommen werde, nicht als eigene Persönlichkeit". Doch das könnte sich ändern, denn der Schumann-Abend hat sie so begeistert, dass sie schon laut darüber nachdenkt, was man in Altomünster denn noch so alles machen könnte. Doch das ist eine andere Geschichte.

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