Beim ersten Dachauer Schlosskonzert im neuen Jahr bezauberte die koreanische Geigerin Soyoung Yoon mit allerfeinsten Tönen, beim zweiten war es die koreanisch-amerikanische Geigerin Elly Suh mit fulminanter Virtuosität. Wie soll man die Dachauer Schlosskonzerte adäquat beschreiben, um ihrem derzeitigen Niveau gerecht zu werden? Als ein Kritiker das Buch "Musik aus Wien" begeistert besprach, meinte er, es sei ein Hymnus auf Wien von abendländischem Format. Das "abendländische Format" klingt etwas hoch gegriffen, aber für ein Konzert mit einem koreanisch-amerikanischen Weltstar, der Preisträger von wichtigen Violinwettbewerben in New York, Moskau, Italien und dem internationalen Bach-Wettbewerb in Leipzig ist, reicht es nicht, und für das hinreißende Musizieren des Janacek Chamber Orchestra auch nicht.
Dieses Kammerorchester trat in Dachau mit 14 außerordentlich lebendig musizierenden Streichern (acht Violinen, drei Violen, zwei Violoncelli, Kontrabass) und Cembalo auf. Das Programm war, wie bereits aus der Besetzung ablesbar, barock. Aber was für ein Barock! Das Orchester aus Ostrava überraschte mit Musik von den bei uns weitgehend unbekannten böhmischen Komponisten Jan Zach und Frantisek Tuma, noch mehr mit Musik von Johann Caspar Ferdinand Fischer und Heinrich Ignaz Franz von Biber. Eine "Ariadne musica" von Fischer ist unmittelbarer Vorgänger von Bachs Wohltemperiertem Klavier und sein "Journal du printemps" ist eine Sammlung von musikalisch sehr anregenden barocken Orchestersuiten. Ersteres wissen nur die wenigsten der Verehrer Bachs und Spieler seines Wohltemperierten Klaviers, letztere lernte das Publikum der Dachauer Schlosskonzerte jetzt durch die mitreißend lebendige Aufführung der ersten Suite dieser Sammlung durch die Musiker aus Ostrava kennen. Biber, in Böhmen aufgewachsen, kennt man als Salzburger Komponisten von sehr komplizierten barocken Werken für Violine und riesigen Werken geistlicher Musik. Als Komponisten einer "Battaglia a 10" kennt man ihn nicht. Dieses achtsätzige Werk, in dem eine "liederliche Gesellschaft von allerley Humor" eine Schlacht und das "Lamento der Verwundten Musquetirer" vorgestellt wird, spielte das Janacek Kammerorchester ungemein plastisch. Der Humor der "liederlichen Gesellschaft erinnerte mit falschen Tönen und Harmonien unmittelbar an das Dorfmusikanten-Sextett von Mozart.
Die Begeisterung der Musiker überträgt sich unmittelbar
Das Janacek Chamber Orchestra hält offenbar nichts von historischer Aufführungspraxis und angeblichem Originalklang (der für alle Zeiten verklungen ist). Hier wird mit moderner Technik geradezu Himmel und Hölle bewegend musiziert. Die Begeisterung der Musiker für ihre Musik und ihr Musizieren überträgt sich unmittelbar auf das staunend und hingerissen "mitgehende" Publikum. An Himmel und Hölle verwies in besonderer Weise die Solistin des Abends, Elly Suh, an die Hölle mit der atemberaubend virtuos gespielten "höllisch" schweren Teufelstrillersonate von Giuseppe Tartini, an den Himmel mit ihrem Musizieren überhaupt, so bei ihrer von ganz außergewöhnlicher Virtuosität geprägten Interpretation des Konzerts für Violine und Streichorchester von Johann Sebastian Bach.
Das Zugabenstück, eine Milonga von Astor Piazzolla, setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Das war, wie schon vorher bei den barocken Orchestersuiten, in gesteigertem Maß Musik und Tanz. Bleiben wir bei "Himmel und Hölle". Das unerhört hohe Niveau dieses Konzertabends und die bewegte und bewegende Art des Musizierens erlaubt es, Friedrich Nietzsche zu zitieren, der einmal sagte: "Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde."