Klamme Kommunen:Hallenbäder vor der Schließung

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Gerade für die Schwimmerziehung der Kinder sind Hallenbäder wichtig, wie der Spaß mit der Riesenkrake im Bad der Gemeinde Karlsfeld zeigt. (Foto: Toni Heigl)

Auch wenn der Landkreis Dachau vergleichsweise noch gut dasteht, können sich die Gemeinden die enormen Kosten bald nicht mehr leisten. Das hätte fatale Folgen: Viele Kinder können jetzt schon nicht richtig schwimmen

Von Christiane Bracht, Dachau

Mit ihrer Petition "Rettet die Bäder" hat die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) sich Gehör verschafft und auf ein Problem aufmerksam gemacht, das bisher in der Politik kaum Beachtung fand. Zahlreiche Bäder haben in den vergangenen Jahren geschlossen, weil die Kommunen kein Geld mehr dafür hatten. Die Folge: Fast 60 Prozent der Zehnjährigen sind keine sicheren Schwimmer mehr, so das Ergebnis einer DLRG-Umfrage aus dem Jahr 2017. Auch im Landkreis Dachau ist das ein Thema. Kinder ertrinken im See oder an der Amper, weil sie sich falsch einschätzen oder im seichten Gewässer planschen, ohne gelernt zu haben, sich über Wasser zu halten. Zwar gibt es im Landkreis noch drei Hallenbäder und drei Freibäder - deutlich mehr als anderswo. Aber auch hier wird zuweilen über die Finanzierung gestritten, über Sinn und Unsinn dieser freiwilligen Ausgaben der Kommunen.

"Das Hallenbad kostet immens viel Geld", klagt der Karlsfelder Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). "Und die Zeiten, dass die kommunalen Kassen gut ausgestattet sind, sind vorbei." Allein der Betrieb bringt der Gemeinde jedes Jahr ein Defizit von ungefähr einer halben Million Euro. Mit den steigenden Energiekosten wird es mehr werden. Dach und Fassade sind seit längerem marode. Vor zwei Jahren hatte die Gemeinde schon 700 000 Euro für die Sanierung und eine Fotovoltaikanlage in den Haushalt eingestellt, doch die Arbeiten mussten verschoben werden. Jetzt wird alles noch teurer, denn die Baukosten sind in deutlich gestiegen. Die Zuschüsse, die in Aussicht stehen, bezeichnet Kolbe als "lächerlich". "Das reicht nicht einmal für ein Zehntel der Bäder in Bayern", die saniert werden müssten.

Die Schuldenberg Karlsfelds ist unterdessen auf 23 Millionen angewachsen und wird 2020 noch steigen. Kein Wunder, dass sich die Wasserwacht schon Sorgen macht, wie lange sich Karlsfeld das Bad noch leisten kann. Immerhin ist das Thema nach dem heftigen Gewerbesteuereinbruch vor etwa sieben Jahren im Gemeinderat kontrovers diskutiert worden. Damals gab es durchaus einige Stimmen, die für die Schließung plädierten. Solche Debatten will die DLRG nicht mehr, deshalb fordert sie, die Finanzierung der Bäder nachhaltig zu sichern. Knapp 120 000 Menschen unterstützen das. Die Bürgermeister im Landkreis haben zwar nicht unterzeichnet, da sie zu spät davon erfuhren, aber die Petition gefällt ihnen. Kolbe mahnt schon seit langem, dass die Kommunen nicht alles stemmen könnten. Kinderbetreuung, Schulneubau, Zulagen für Rathauspersonal und Erzieherinnen - "das Gesamtsystem passt nicht mehr". Dennoch steht Kolbe voll hinter dem Bad: "Es ist etwas, was unsere Gemeinde attraktiv macht." Jung und alt kommen gerne, 77 000 Besucher waren es 2018.

Extrem beliebt sind auch die Dachauer Bäder: 111 000 Gäste kommen im Durchschnitt jedes Jahr, die meisten ins Hallenbad. Der Neubau wird die Besucherzahl noch steigen lassen, denn die Fläche wird um gut 30 Prozent größer. Einige Kommunalpolitiker hadern jedoch mit der Entscheidung für den Bau, denn die Kosten sind enorm. Im Oktober prognostizierte man noch, dass das Hallenbad 16,6 Millionen Euro kosten werde. Inzwischen fürchten alle, dass es noch teurer wird, da die Baubranche boomt. Den Zuschuss vom Freistaat nennt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) "einen Witz". Aber: "Der Neubau steigert die Attraktivität unseres Bads. Künftig haben wir acht Bahnen statt fünf - Platz genug zum Schwimmen."

Anders als in Karlsfeld wird der Stadthaushalt nicht mit dieser Investition belastet, denn in Dachau kümmern sich die Stadtwerke um die Bäder. Finanziert werden Neubau und Unterhalt, der pro Jahr mehr als eine Million Euro verschlingt, durch die Gewinne aus dem Strom- und Gasverkauf. "Nur sehr selten unterstützt die Stadt den Betrieb", erklärt Hartmann. Das löst allerdings dann Diskussionen aus, zuletzt gab es harte Kritik von der Gruppierung "Wir" und der CSU.

Wichtig ist allen, dass die Schüler schwimmen lernen. An den Vormittagen sind deshalb in Karlsfeld und Dachau die Bäder immer für die Schulklassen reserviert. Etwa 9000 Kinder werden in Karlsfeld pro Jahr unterrichtet. In Dachau sind es sogar 15 000, und im nördlichen Landkreis unterhält der Schulzweckverband, bestehend aus Markt Indersdorf, Vierkirchen, Weichs, Röhrmoos und Petershausen, sogar sein eigenes Bad. Die Kommunen teilen das jährliche Defizit von 280 000 Euro unter sich auf, der Aufwand für die einzelne Gemeinde ist also nicht so hoch.

Trotz des vergleichsweise guten Angebots im Landkreis Dachau können viele Kinder und Jugendlichen nicht oder nicht gut schwimmen können. "Die Eltern legen keinen Wert mehr darauf", meint Hermann Bendl, Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe Karlsfeld. "Jeder andere Sport scheint wichtiger, Fußball zum Beispiel. Schwimmen ist dagegen in der Beliebtheitsskala nicht allzu weit oben." Barbara Kern von den Stadtwerken Dachau bestätigt das im Grunde: "Die Eltern melden ihre Kinder zwar zu Schwimmkursen an. Diese lernen dort auch, wie man sich im Wasser bewegt. Doch wenn die zehn Stunden vorbei sind, üben die Kinder nicht mehr." Viele Eltern hätten nach ihren anstrengenden Jobs einfach keine Energie oder keine Zeit mehr, mit ihrem Nachwuchs ins Schwimmbad zu gehen.

Es gibt noch ein Problem: Für die Schulen ist der Schwimmunterricht ebenfalls nicht immer leicht zu bewältigen, denn die Lehrer brauchen einen Rettungsschwimmer in Bronze, um mit ihrer Klasse ins Hallenbad gehen zu können und ein bis zwei Kollegen, die sie begleiten. "Der Rettungsschwimmer gehört aber nicht zur Lehrer- oder Kindergärtnerausbildung", klagt Oliver Welter, der Kreisvorsitzende der Wasserwacht Dachau. So ist der Unterricht nicht überall gewährleistet, da ausgebildete Lehrer fehlen.

© SZ vom 27.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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