Karlsfeld:Voodoo trifft Moderne

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Rodrigue Towanou kombiniert zeitgenössische Malerei mit Fundstücken aus seiner Heimat. Die großen Gemälde des westafrikanischen Künstlers sind jetzt im Karlsfelder Kunstkreis zu sehen

Von Bärbel Schäfer, Karlsfeld

Aus Rodrigue Towanous Bildern sprechen Kraft, Freude und Wärme. Im abstrakten Bildraum bieten kleine Holzfiguren, geknotete Stoffstreifen und quadratische Elemente den Augen einen Haltepunkt. In ihrer abstrakten Komposition könnten die Malereien überall auf der Welt entstanden sein. Allein die eingebundenen, plastischen Naturmaterialien, darunter auch Kaurimuscheln und Sand aus Westafrika, geben einen Hinweis auf die Herkunft des Künstlers, auf seine Identität. In diesem Sommer zeigte der Künstler aus dem westafrikanischen Land Benin eine Ausstellung in der marokkanischen Botschaft in Berlin mit dem Titel "Identität". Nun präsentiert er seine großen Gemälde in Mischtechnik im Karlsfelder Kunstkreis. Die Eröffnung der Ausstellung findet am Freitag, 9. September, um 19 Uhr statt.

Rodrigue Towanou lebt in Berlin. Der Kontakt zum Karlsfelder Kunstkreis kam über seine Lebenspartnerin, die 25-jährige Marie Böhm, zustande. Marie Böhm ist die Enkelin von Wolfgang Seehaus, dem Mitbegründer des Karlsfelder Kunstkreises und die Nichte von Katrin Siegl, der Gründerin und langjährigen Regisseurin der Karlsfelder Muckerl-Bühne. Marie Böhm spielte dort viele Jahre Theater und studiert nun in Berlin Kulturarbeit. Ihre Mutter ist Schmuckdesignerin. Die Nähe zur Kunst und zum Ausdruck wurde ihr also sozusagen in die Wiege gelegt. 2012 reiste sie ein Jahr lang durch Ostafrika und entdeckte die afrikanische Kunst. Im Zusammenhang mit "Madibar", einem Projekt über afrikanische Kultur mit Tanz, Theater, Musik und Malerei, an dem Marie Böhm mitarbeitete und das 2014 in Berlin stattfand, lernte sie Rodrigue Towanou kennen.

Weiße Stoffstreifen spielen auf die kunsthandwerkliche Technik des "Bogolan" an. (Foto: Toni Heigl)

Der 37-jährige Künstler, der zwar nie eine Kunstschule besuchte, aber bei einem Künstler eine Ausbildung machte, sagt: "Meine Bilder sind ein Teil meiner selbst. Meine Identität ist meine Kultur". Zunächst aber wirken die Malereien aufgrund ihrer gegenstandslosen, auf der Wirkung der Farben beruhenden Komposition kaum afrikanisch, verraten auf den ersten Blick nichts Spirituelles, scheinen eher europäisch oder gar weltläufig inspiriert zu sein. Die in Partien warm leuchtenden Farben, wie ein glühendes Rot, ein sonniges Gelb, ein tiefes Blau und ein dunkles Braun, wecken Assoziationen an die Farben, den Himmel und die Hitze Afrikas, vorausgesetzt, der Betrachter weiß, dass der Künstler aus diesem Land stammt. Einzig in einem roten Bild deutet Rodrigue Towanou im Zentrum ein längliches Maskengesicht an. Einen deutlichen Hinweis auf Rodrigue Towanous Herkunft geben hingegen die auf die Leinwände montierten Elemente, Fundstücke aus Benin, die sich auf die Mythen und Rituale beziehen und auch Fruchtbarkeitssymbole sind.

Kleine Holzfigürchen, positioniert in der Bildmitte, dienen als Schutz gegen böse Kräfte und Krankheiten. Es könnte sich auch um den Hinweis auf Fetischfiguren handeln, wie sie im Voodoo-Kult verwendet werden. Die Wurzeln des Voodoo liegen in Westafrika, etwa dort, wo heute Liberia und Benin liegen. Das Wort Voodoo bedeutet in der Sprache Fon eines Stammes in Benin: "Das, was man nicht ergründen kann" oder "Die Kraft, die wirksam ist". Weiße Stoffstreifen, geknotet und hart auf die Leinwand fixiert, spielen auf die kunsthandwerkliche Technik des "Bogolan" an, eine westafrikanische Web- und Färbetechnik, die vor allem von Männern ausgeübt wird. Im Zusammenspiel mit moderner, zeitgenössischer Malerei und den eingestreuten, manchmal fast verloren wirkenden Fundstücken aus seiner Heimat Benin verleiht Rodrigue Towanou einer Ahnung Ausdruck: Von zwei völlig unterschiedlichen Welten, ihrer großen kulturellen Unterschiede und damit auch ihrer tiefen Kluften.

Die warmen und leuchtenden Farben in Towanous Bildern wecken Assoziationen an die Hitze Afrikas. (Foto: Toni Heigl)

Vernissage: Freitag, 9. September, 19 Uhr. Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 10./11. September und 17./18. September, jeweils von 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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