Karlsfeld:Brezen für den guten Zweck

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Ziehen an einem Strang: (v. l.) Gabriele Piller und ihre Kinder Diana, Ines, Franz und Robert Piller haben die Familienbäckerei übernommen, als Vater Oswald vor rund fünf Jahren überraschend verstorben ist. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Damit sich die Gemeinde Karlsfeld ein Spielmobil leisten kann, verkauft die Familienbäckerei Piller bis Ende Februar Minibrezen. Das Gebäck ist ihr Markenzeichen und wurde schon auf Oktoberfeste nach Australien, Amerika und Brasilien geliefert.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Beim Abendessen am Tag vor dem Oktoberfest reden die Pillers kaum mehr miteinander: "Da sind alle voller Anspannung", erzählt Ines Piller. Dann stehen 16 Tage an, in denen alles glattlaufen muss: Seit 1973 liefert die Karlsfelder Familienbäckerei große Brezen an die Wiesnwirte. Bäckermeister Oswald Piller hat dafür sogar einen Brezenschlingroboter erfunden.

Seine Frau Gabriele Piller erzählt: "Er hat dafür einen Besenstiel in der Mitte auseinandergebrochen, daran zwei Wäscheklammern geheftet und geschaut, wie sich das Ganze am besten dreht." Das Ziel war, dass die Brezen nicht mehr von Hand gefertigt werden müssen: "Und ich mehr Zeit für die Kinder habe", sagt sie und lacht.

Seit dem überraschenden Tod ihres Mannes im Jahr 2017 führt sie die Bäckerei gemeinsam mit ihren Kindern Diana (40), Franz (36), Ines und Robert (beide 24) weiter. Die Wiesnbreze ist immer noch das Markenzeichen der Bäckerei. Im Februar haben die Pillers deshalb eine Minibrezen-Aktion ins Leben gerufen, um ein Spielmobil für die Kinder- und Jugendarbeit in Karlsfeld mitzufinanzieren.

Insgesamt kostet es 10 500 Euro, der Kaufpreis von 75 Cent pro Minibreze geht zu 100 Prozent an die Jugendarbeit. Bis Mitte dieses Monats sind in der Bäckerei schon etwa 900 Euro zusammengekommen. Die Aktion läuft noch bis kommenden Montag, 28. Februar.

In Karlsfeld sind die Pillers fest verwurzelt. Vor fast 70 Jahren, im Jahr 1954, gründeten Anna und Franz Piller, damals Flüchtlinge aus dem Sudetenland, ihre Bäckerei in der Ballaufstraße. In den Achtzigerjahren übernahm Sohn Oswald. Er lernte Konditorin Gabriele aus einer Röhrmooser Bäckerfamilie auf dem Dachauer Volksfest kennen: "Meine Mutter hat damals Semmeln geliefert und mein Papa Brezen", erzählt Tochter Ines Piller und lächelt: "Als sie sich kennenlernten, ist ihr fast der Semmelkorb runtergefallen."

Ihre erste Filiale eröffnete die Bäckerei Piller in den Fünfzigerjahren in der Ballaufstraße in Karlsfeld. (Foto: Bäckerei Piller)

Das Ehepaar baute die Bäckerei weiter aus, 2000 zogen sie in die Gaußstraße um, um mehr für Platz für die Produktion zu haben. Die Pillers lieferten ihre großen Brezen sogar in das Hofbräuhaus nach Las Vegas, auf Oktoberfeste nach Australien, São Paulo und Blumenau in Brasilien.

Doch pandemiebedingt fiel das in den vergangenen Monaten zum Großteil weg. Diana Piller, die sich um Personal und Kunden kümmert, erzählt: "Die Biergärtensaison lief schon - aber die großen Veranstaltungen, wie das Oktoberfest, Frühlingsfest oder andere Volksfeste, sind uns alle weggebrochen. Das Schlimme ist die Ungewissheit, wie es weitergeht."

Die Brezenschlingmaschinen stehen jedenfalls bereit. In der Produktionshalle läuft Popmusik durch das Radio, wegen der Semmeln riecht es nach Gegärtem und unter der Spritzmaschine stehen ein paar Faschingskrapfen. Bäckermeister Franz Piller erzählt: "In der Hochsaison im Januar und Februar produzieren wir etwa 2000 Krapfen pro Woche."

An seinem Beruf mag er, "dass man kreativ sein kann. Wir haben zum Beispiel einen Krapfen mit einer Booster-Spritze erfunden." Sein Arbeitstag beginnt zwar meistens um drei Uhr morgens: "Aber an das frühe Aufstehen gewöhnt man sich, nachmittags kann man sich ja nochmal hinlegen und dafür am Abend was mit Freunden unternehmen."

Während er gerne in der Konditorei-Abteilung werkelt, bäckt sein Bruder Robert am liebsten Brot, er erzählt: "Als Bäckermeister finde ich es schön, dass man am Ende des Tages sieht, was man geschafft hat", und er ergänzt: "Außerdem mag ich es, meine eigenen Produkte zu essen."

Ihre Wiesn-Breze haben die Pillers unter anderem schon ins Hofbräuhaus nach Las Vegas geliefert. Franz Piller backt sie auch vor Ort auf dem Oktoberfest in München. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Mutter Gabriele Piller kümmert sich um den Verkaufsladen und Tochter Ines um die Büroarbeit und den Social-Media-Auftritt. Außerdem sind 18 Mitarbeiter in der Bäckerei tätig, erzählt Diana Piller: "Die gehören auch schon zur Familie. Als unser Vater sehr überraschend gestorben ist, wussten die Mitarbeiter nicht, wie und ob es weitergeht. Das hat uns mit ihnen und als Familie sehr zusammengeschweißt."

Natürlich kommt es auch manchmal zu Diskussionen in einem Familienbetrieb, sagt sie: "Aber als Selbstständige kann man das Berufliche und Private eben nie trennen." Da gibt es nur eine Lösung: "Reden ist wichtig", so Franz Piller - und in Stresssituationen wie dem Oktoberfest die Ruhe bewahren.

Auf der Wiesn steht er normalerweise im Backpavillon hinter dem Augustiner-Zelt und backt die Wiesnbrezen. Sein Bruder Robert kümmert sich derweil um die Teigproduktion in Karlsfeld. Franz Piller erzählt: "Klar, auf der Wiesn erlebt man viel Kurioses: Einmal hat zum Beispiel der Blitz eingeschlagen und es kamen auf einmal 50 bis 60 Leute in unser Backzelt. Da ging dann nichts mehr mit weiterproduzieren." Das sind Ausnahmesituationen - doch die Anspannung ist jedes Jahr die gleiche, da sind sich die Pillers einig, wenn es die Pandemie zulässt.

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