Ärger um das Karlsfelder Ortszentrum:Umkämpfter Platz

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Der Schein trügt: Oft seien bis zu 40 Jugendliche auf dem Platz und würden Lärm machen, klagen Anwohner. (Foto: Toni Heigl)

Seit ein paar Monaten haben Jugendliche die Neue Mitte für sich entdeckt. Nun beschweren sich Anwohner über Lärm und Verschmutzungen. Polizei und Gemeinde suchen nach einer Lösung.

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Lange lag die so genannte Neue Mitte leblos da. Kaum jemand verirrte sich auf den trostlosen Platz nahe den Supermärkten, obwohl die Gemeinde dort extra Bänke aufgestellt hatte. Bürgermeister Stefan Kolbe mahnte immer wieder, der Platz müsse bespielt werden. Und so baute vergangenes Jahr der Christkindlmarkt erstmals seine Buden dort auf, dann veranstaltete man eine große Maifeier und schließlich das Internationale Kulturfest. Inzwischen hat sich der Platz mit Leben gefüllt - allerdings anders als Gemeinderäte und Bürgermeister Kolbe es sich vorgestellt hatten.

Mehrere Gruppen Jugendlicher kommen fast jeden Nachmittag dorthin, spielen, hören laut Musik, ratschen, toben sich aus und fühlen sich im Grunde pudelwohl dort. Die Anwohner allerdings weniger: Sie sind keineswegs beglückt über diese Art von Belebung. "Zu Spitzenzeiten sind bis zu 40 Jugendliche dort", klagt Rainer Brunner, einer der Anlieger. Doch es sei nicht nur die "massive Lärmbelästigung", die ihn und die Nachbarn auf die Palme treibe, auch achtlos liegen gelassener Müll und zahlreiche Sachbeschädigungen gingen auf das Konto der Schüler.

"Für solche Sätze haben andere schon Blut gespuckt"

Brunner schätzt den Schaden inzwischen auf mindestens 5000 Euro. Ein anderer Anwohner beschwert sich, dass Teenager ihn bereits bedroht hätten. "Für solche Sätze haben andere schon Blut gespuckt", habe ihm einer erklärt, als er um Ruhe gebeten habe. Aber auch die Anwohner verhalten sich offenbar nicht immer korrekt. So klagen Jugendliche, dass sie des Öfteren schon vom Balkon herunter angeschrien, heftigst beschimpft und beleidigt wurden. Sogar gefilmt und fotografiert habe man sie, obwohl sie dies ausdrücklich nicht wollten.

Kurz gesagt: Der Frieden in der Neuen Mitte ist dahin. Die Nerven liegen blank bei Anwohnern ebenso wie bei manch einem Jugendlichen. Die Fronten sind verhärtet.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft der Neuen Mitte überlege bereits, einen Rechtsanwalt einzuschalten, erklärt ein Anwohner, der nicht mit Namen genannt werden will. Der Bruno-Danzer-Platz sei zwar öffentlich, gehöre aber zur Wohnanlage. "Es könnte aber sein, dass wir die öffentliche Widmung entziehen, wenn die Situation weiter eskaliert", sagt er voller Ingrimm. Tag für Tag, Abend für Abend habe man Ärger. Drei Nachbarn seien bereits ausgezogen, weil sie es nicht mehr ausgehalten hätten. "Wir fühlen uns allein gelassen von der Polizei, die uns nicht ernst nimmt, und von der Gemeinde, die viel zu spät eingeschritten ist. Manches hätte man im Vorfeld ersticken können. Anfangs war es nicht so schlimm", klagt der 41-Jährige.

Seit Mai gibt es Ärger

Seit Mai gibt es diesen Ärger. Anfangs hätten die Jugendlichen Fußball gespielt, berichtet Brunner. "Als Tor diente eine Hauswand oder ein Schaufenster." Beliebt sei auch "Zielschießen auf den Briefkasten der Audi BKK" gewesen, bis dieser aus der Verankerung gerissen sei. Zweimal sei der Ball auf einem Balkon im zweiten Stock gelandet, berichtet Brunner. "Statt zu klingeln, ist einer die Regenrinne entlang in den zweiten Stock hochgeklettert, um den Ball zu holen." Kein Wunder also, dass die Regenrinnen oft abgeknickt seien. Auch Haustüren würden eingetreten, so dass der Schnapper kaputt gehe. Ein anderer Anwohner gibt zu, man wisse nicht, ob das tatsächlich die Jugendlichen waren. "Aber von ihnen geht ein sehr starkes Gewaltpotenzial aus", versichert er. Vor den Einkaufsmärkten würden sie Radrennen veranstalten und zwar so, dass sie die Kunden fast umführen. Mülleimer würden aus der Verankerung gerissen, Schilder auf die Straßen gelegt. Und Schmierereien müssten immer wieder weggemacht werden. Die Polizei weiß auf Anfrage jedoch nichts davon. Der Sprecher der PI Dachau, Günther Findl, sagt, sie seien oft gerufen worden, weil es zu laut war. Die Anwohner würden sich über Rap und türkische Musik aus den Soundboxen der verschiedenen Jugendgruppen ärgern. "Aber sehr oft können wir keine Feststellungen machen", sagt Findl. Die Streifen seien zwar nicht sofort da, aber innerhalb einer halben Stunde. "Das stimmt nicht", widerspricht der 41-jährige Anwohner und redet sich schnell in Rage. Eine Stunde dauere es und er habe schon mehrere Anzeigen gemacht.

Inzwischen hat die Gemeinde ein "Ballspielen verboten"-Schild aufgestellt. Mehrmals waren die Anwohner bereits beim Bürgermeister. Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, haben sie sogar eine Liste übergeben, auf der etwa 70 Personen aus der Wohnanlage unterzeichnet hatten. Das war im Juli. Kolbe war seither schon einige Male da und hat mit den Jugendlichen gesprochen. Die neue mobile Jugendhilfe Charide Christin von der Ahe kümmert sich seit Oktober ebenfalls um die Teenager. "Die Frequenz ist nicht mehr so hoch, in der die Jugendlichen auf dem Bruno-Danzer-Platz stören", sagt Brunner. Aber wenn es im Sommer jeden Tag war, sei es jetzt jeden zweiten. Für die Anwohner ist dies immer noch unbefriedigend.

"Es ist schwierig", sagt Kolbe. "Wir haben den Hotspot abgedreht, damit es kein Wlan mehr gibt." Außerdem sei er bereits mit der Polizei im Gespräch. Der 41-jährige Anwohner sieht die Schuld dennoch vor allem bei der Gemeinde: "Sie hätte einen Sicherheitsdienst engagieren können, damit es erst gar nicht so weit kommt."

Die neue Jugendarbeiterin Charide Christin von der Ahe hat mit den Jugendlichen gesprochen, ihnen erklärt, dass die Leute genervt sind und dass die Architektur des Platzes so ist, dass man oben jedes Wort hören kann, das unten gesprochen wird. Die Schüler hätten durchaus Verständnis gezeigt und zugegeben, dass sie manchmal Blödsinn gemacht hätten. "Aber sie haben auch gesagt: Wo sollen wir denn hin?" Früher trafen sich die Teenager nachmittags bei den Tischtennisplatten am See, doch das Sicherheitspersonal des Landkreises hat sie dort verjagt. Die Neue Mitte ist für jeden nah, es ist ein öffentlicher Platz, an dem sie sich aufhalten dürfen, und es ist hell dort. "Die Jugendlichen würden sich auch woanders treffen, aber es muss ein Ort sein, an dem es nicht dunkel ist, sonst haben sie schiss", sagt von der Ahe. Die Jüngsten sind immerhin erst elf Jahre alt.

Ein Runder Tisch soll in der nächsten Woche die Wogen glätten. Neben den Anwohnern werden die Geschäftsleute, der Bürgermeister und Vertreter des Jugendamts, die Polizei sowie Jugendliche an dem Treffen teilnehmen. Jeder soll dann gehört werden und man will gemeinsam nach einer Lösung suchen.

© SZ vom 07.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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