Karlsfeld:Landratsamt versagt Zuschüsse

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An der Karlsfelder Verbandsgrundschule kümmern sich die Lehrer in 14 Klassen um 332 Kinder. (Foto: Jørgensen)

Die Karlsfelder Grundschulen bekommen keine finanzielle Unterstützung für die notwendige Jugendsozialarbeit. Die Lehrer müssen Integration und Inklusion bewältigen. Sie arbeiten am Rande der Überforderung.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Die Landkreis hat den Antrag abgelehnt, Jugendsozialarbeit an Karlsfelds Grundschulen mitzufinanzieren. Bei den Gemeinderäten löste die Entscheidung große Bestürzung und teilweise auch Empörung aus. Besonders bitter ist die Ablehnung für CSU-Gemeinderätin Ursula Weber, die auch die Verbandsgrundschule München-Karlsfeld leitet. "Für die Verbandsgrundschule ist das Ergebnis niederschmetternd", sagte sie am Dienstag im Hauptausschuss. "Aber so kann ich es nicht akzeptieren. Und so werde ich es auch nicht akzeptieren."

An der Verbandsgrundschule kümmern sich die Lehrer in 14 Klassen um 332 Kinder, manche Klassenverbände umfassen bis zu 28 Schüler. 62 Prozent der Kinder kommen aus Einwandererfamilien, 14 haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf, sind also lernbehindert oder verhaltensauffällig, drei können ohne Begleitung nicht mal am Unterricht teilnehmen.

Allerdings ist es nicht Aufgabe der Jugendsozialarbeiter, den allgemeinen Schulbetrieb am Laufen zu halten. Sie arbeiten für das Jugendamt und kümmern sich an den Schulen um Kinder, die große Probleme haben oder verhaltensauffällig sind. Damit soll verhindert werden, dass diese Kinder später in teure Jugendhilfemaßnahmen des Jugendamts überführt werden müssen. Allgemein präventiv arbeiten dürfen Jugendsozialarbeiter nicht. Das dürfen nur Schulsozialarbeiter.

Ursula Weber (CSU) stellt sich quer. (Foto: Niels P. Joergensen)

Einen solchen fände Ursula Weber für ihre Schule zwar "traumhaft", aber einen Schulsozialarbeiter müsste die Gemeinde in jedem Falle selbst zahlen. Ein Jugendsozialarbeiter würde dagegen großteils von Kreis und Freistaat finanziert. Die Gemeinde könnte ihn auch selbst bestellen, doch dann müsste sie die Kosten von jährlich 55 000 Euro selbst tragen - und das dauerhaft. Der Weg zu den Fördertöpfen von Bund und Freistaat wäre damit versperrt. So sind die gesetzlichen Regelungen.

SPD-Fraktionssprecherin: "Ziemlich ärgerlich und frustrierend"

Sozialreferentin und SPD-Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll fand das "ziemlich ärgerlich und frustrierend." Ihre einzige Idee, wie Karlsfeld doch noch aus dem Dilemma herauskommen könnte: "Die Eltern mobilisieren und Druck machen." Der Kreistag stützt seine Ablehnung auf die Sozialraumanalyse des Landkreises: Trotz städtischer Strukturen und eines hohen Ausländeranteils muss das Jugendamt nur selten in Karlsfeld aktiv werden. Im landkreisweiten Ranking steht die Gemeinde auf Platz 11 von 17. "Wir werden dafür bestraft, dass wir relativ gute Zahlen haben", sagte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). Sein Parteikollege Wolfgang Offenbeck, der als Kreisfraktionschef der CSU die Entscheidung mitverantworten muss, zeigte zwar Verständnis für den Unmut der Gemeinderäte, verteidigte aber auch die Entscheidungsfindung im Kreis-Gremium. Die Mitglieder würden von den Schulen bestürmt, wie dringend sie Jugendsozialarbeiter bräuchten. Umso wichtiger seien "objektivierbare Kriterien", wie sie die Sozialraumanalyse liefere.

Schulleiterin Ursula Weber: 35 Prozent der Schüler kommen aus München

Schulleiterin Ursula Weber überzeugte das nicht. "Wenn ich lese, dass wir in der Prioritätenliste hinter Altomünster und Weichs liegen, verstehe ich die Welt nicht mehr", sagte sie. Außerdem kritisierte sie methodische Mängel. In die Verbandsgrundschule geht nicht mal die Hälfte der Karlsfelder Grundschulkinder, dafür kämen 35 Prozent der Schüler aus München.

Die Anforderungen an die Schule steigen außerdem von Jahr zu Jahr. Dies betrifft nicht nur die Integration der Kinder, die aus anderen Ländern und Kulturen kommen und zum Teil nicht einmal deutsch verstehen, wie Schulleiterin Ursula Weber ausführte. "Uns wird auch die Inklusion auferlegt." Inklusion bedeutet: Behinderte und Nichtbehinderte sollen im Alltag zusammen leben und zusammen lernen. Das ist ein politisches Ziel des Freistaats. Doch die Umsetzung dieser Aufgabe treibt Schulverwaltung und Lehrer immer öfter an den Rand der Überforderung. Verschärfen könnte sich die Situation von Mitte 2016 an, wenn die vom Verein Kinderschutz geführte Bamberger-Schule in Karlsfeld schließt. Dort werden 60 Schüler mit "emotionalem oder sozialem Förderbedarf" unterrichtet, davon 14 aus dem Landkreis. Sie werden ab dem Schuljahr 2016/17 auf Regelschulen wechseln müssen. "Die Schließung der Bamberger-Schule ist eine Katastrophe", sagte Weber.

Zunächst solle es eine weitere Grundsatzdiskussion mit den beiden Karlsfelder Grundschulleitern geben. Parallel wird ein Antrag an die Stadt München gestellt. Kommt er durch, erhält die Verbandsgrundschule einen Jugendsozialarbeiter. Zuständig wäre dieser dann aber auch nur für die Kinder aus München.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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