Karlsfeld:Euphorisch gefeierter Durchbruch

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In Karlsfeld zeichnet sich ein Kompromiss ab: Die Gemeinde bekommt ihre neuen Gewerbeflächen, dafür wird das Landschaftsschutzgebiet erheblich ausgeweitet.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Die erste Sitzung des Gemeinderats nach den Sommerferien endet mit einer politischen Sensation: Alle Fraktionen machen sich für ein großes Landschaftsschutzgebiet stark, das sich von der Gemeindegrenze zu Dachau im Westen bis zum bestehenden Landschaftsschutzgebiet am Schwarzhölzl im Osten erstreckt und sogar Flächen umfasst, die bis zum bebauten Gebiet an der nördlichen Bajuwarenstraße reichen. Ausgeklammert bleibt das Areal für das geplante Gewerbegebiet an der Schleißheimer Straße, dafür sollen später die Ausgleichsflächen, die zwischen Gewerbegebiet und den Baggerseen bei Obergrashof entstehen, ebenfalls in den Umgriff mit aufgenommen werden. Sollte das Landratsamt dem Antrag stattgeben - ein ähnlicher Antrag liegt auch auf Dachauer Seite vor - könnte der Regionale Grünzug zwischen beiden Kommunen dauerhaft vor einer weiteren Bebauung geschützt werden.

Umweltreferentin Mechthild Hofner spricht von einem Paradigmenwechsel: "Dieses Landschaftsschutzgebiet könnte den Einschnitt durch das Gewerbegebiet zumindest teilweise heilen." Von dem Bürgerentscheid, den die Mitglieder ihrer Bündnis-Fraktion gemeinsam mit der Bürgerinitiative "Grünzug Dachau und Karlsfeld" vorbereiten, ist jetzt keine Rede mehr. Ihren Antrag auf einen Bürger- und Naturpark zur Sicherung des Grünzugs zieht sie zurück, das habe sich ja nun erledigt. Im Gremium herrschen Euphorie und Staunen über die unerwartete Kompromisslösung. "Das hat ja schon fast historische Züge, was hier passiert", sagt Andreas Froschmayer (CSU).

Die Sitzung beginnt mit einer heftigen Auseinandersetzung

Zu erwarten gewesen war das nicht. Die Sitzung beginnt schon mit einer heftigen Auseinandersetzung. CSU-Fraktionschef Bernd Wanka blafft Andreas Turner von der Bündnis-Fraktion an, weil der seine Kritik am Bebauungsplan der Neuen Mitte ziemlich nassforsch formuliert. "Das ist eine Unverschämtheit!", schleudert er Turner entgegen. Auch Franz Trinkl gerät mit Turner aneinander. Es sind die alten Fronten: hüben CSU und SPD, drüben das Bündnis für Karlsfeld. Auch beim Aufstellungsbeschluss für das umstrittene Gewerbegebiet stimmen sie geschlossen mit Nein, alle anderen stimmen mit Ja.

Dann steht ein Antrag der SPD auf der Tagesordnung. Sie schlägt die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets westlich der Bajuwarenstraße vor. Dort erstreckt sich ein schmaler Teil des Gemeindegebiets hinunter bis zum Erholungsgebiet Karlsfelder See. Wolfgang Offenbeck, der die CSU-Fraktion im Kreistag führt, zerpflückt den Vorschlag genauso wie seine Fraktion den Vorstoß der Kreis-Grünen für ein Landschaftsschutzgebiet vor fünf Jahren. Mitten im Keil, den die Karlsfelder SPD vorschlägt, liegt eine Kleingartensiedlung. Offenbeck: "Was für einen Sinn hat es, ein bebautes Gebiet als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen?" Ihm erscheine das doch sehr fragwürdig.

"Handfester Krach zwischen SPD-Fraktion und Ortsverein"

Auch im Bündnis gibt es Zweifel, allerdings sind die ganz anderer Natur. Dort hält man den SPD-Vorstoß für einen reinen Schaufensterantrag, einen taktischen Trick, um die Kritiker des Gewerbegebiets zu besänftigen. Doch den Genossen ist es ernst, denn Franz Trinkl tut etwas, was Parteichefs ohne Not normalerweise nie tun würden. Er zeigt den Dissens auf, der hinter der scheinbar eindeutigen Haltung der SPD steht. "Beim Thema Gewerbegebiet gab es einen handfesten Krach zwischen Ortsverein und Fraktion." Auch in der SPD haben einige Bauchschmerzen, dass immer mehr Natur zugebaut wird. "Wir wollen dem Bürger Sicherheit geben, dass das restliche Gebiet nicht zersiedelt wird", sagt Beate Full. "Davor hat man Angst." Wolfgang Offenbecks Einwand, dass dort dann nichts mehr gebaut werden dürfe, nicht mal ein Zaun, ist für sie kein Argument. Im Gegenteil: "Wir wollen dort ja auch gar keine Veränderung."

Zum Erstaunen seiner eigenen Fraktion entwickelt Bürgermeister Kolbe aus dem schon im Ansatz gescheiterten SPD-Antrag einen neuen Plan für ein Landschaftsschutzgebiet - einen, der den Wünschen und Einwänden aller Fraktionen Rechnung trägt. Jetzt reden alle mit, alle bringen Vorschläge, es geht ein bisschen durcheinander, aber die Stimmung ist gut. "Wir feilschen hier gerade ein wenig", sagt Kolbe gut gelaunt. Und natürlich, erklärt er dann, gehe es ihm auch darum, der Öffentlichkeit ein deutliches Signal zu geben, das auch eine befriedende Wirkung hat. "Wir müssen die Kritiker überzeugen, dass wir es wirklich ernst meinen." Nun soll die Verwaltung einen Plan erstellen, wie der Umgriff des Landschaftsschutzgebiets aussehen soll. Vor dem Beschluss soll er fraktionsintern noch mal beraten werden.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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