Karlsfeld:Ernüchternde Erfolgsbilanz

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In der BR-Sendung "Jetzt red i" bringen die Karlsfelder eine Reihe von Problemen zur Sprache. Ihre Wünsche finden bei den Politikern kein Gehör - nur Schulleiterin Ursula Weber kann sich freuen.

Gregor Schiegl

Auch Bürgermeister Stefan Kolbe hatte vor der Fernsehkamera den Fachärztemangel in Karlsfeld beklagt. (Foto: joergensen.com)

Eine kleine Panne gab es dann doch bei der Bürgersendung, "Jetzt red i", die das Bayerische Fernsehen am Mittwochabend ausstrahlte. Als BR-Moderator Andreas Bönte das nächste Thema aus Karlsfeld ankündigte, lief ein Clip von der Chiemgauer Seenplatte ab: Die Mitglieder einer Bürgerinitiative jubelten, weil die RAG Austria ihre Pläne für eine Erdgasbohrung aufgegeben hatte. "Ohne 'Jetzt red i' wäre das nie möglich gewesen", rief ein Mann enthusiasmiert in die Kamera.

Einen Erfolg konnten auch die Karlsfelder verbuchen, genauer gesagt die Verbandsgrundschule München-Karlsfeld. In diesem Schuljahr hat sie sieben Schüler bekommen, die kein Wort Deutsch sprechen. Klassenlehrerin Johanna Boneff sagte in der Sendung, sie sei immer gerne Lehrerin gewesen. Doch die neuen Schüler würden sich im Unterricht langweilen oder aggressiv werden und stören. Dabei müsse sie sich auch noch um die anderen Kinder kümmern. "Ich bin am Ende meiner Kräfte." Schulleiterin Ursula Weber forderte eine Übergangsklasse oder einen zusätzlichen Lehrer für die Betreuung der Kinder. Und die bekommt sie nun auch.

Kultusminister Ludwig Spaenle, der mit Innenminister Joachim Hermann direkt aus der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth ins Studio gekommen war, kündigte an, dass es zum nächsten Schulhalbjahr eine Übergangsklasse an einer Schule im Landkreis geben werde. "Die Freude bei uns ist jetzt natürlich riesengroß", sagte die Schulleiterin.

Das war dann allerdings auch schon die ganze Erfolgsbilanz: Auf dem Papier liegt der Versorgungsgrad des Landkreises mit Fachärzten bei 144 Prozent - und das, obwohl Patienten Wartezeiten bis zu einem Vierteljahr in Kauf nehmen müssen. Die Region sei immer noch "relativ gut" versorgt, sagte Ilka Enger von der Kassenärztlichen Vereinigung - ganz im Gegensatz zu strukturschwachen Gebieten, wo die Menschen auch mal 20 Kilometer fahren müssen, bevor sie zu einem Facharzt kommen. Melanie Huml, Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, räumte ein, dass das "starre System" etwas überholt sei und stellte Anpassungen in Aussicht, von denen Karlsfeld freilich nichts haben wird. "Es kann nicht in jedem Ort alles geben."

Genauso ernüchternd waren die Einlassungen zum Thema Fluglärm: Sandra Teleki von der Deutschen Flugsicherung sagte, die Analysen der vergangenen Jahre hätten ergeben, dass sich die durchschnittlichen Flughöhen über Karlsfeld in den vergangenen Jahren nicht geändert hätten - obwohl die Bürger das ganz anders empfinden und Siegfried Weber bei seiner Auswertung von Flugdaten auch zu einem objektiv anderen Ergebnis gekommen ist.

Eine Entlastung wird es auch bei Nachtflügen nicht geben. Katja Hessel, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, verteidigte das Jahreskontingent für Nachtflüge. Ohne diese Flexibilität hätten Transportflugzeuge, die nicht rechtzeitig starten konnten, teilweise wieder entladen werden müssen, "das war nicht praxistauglich". Nachts dürften ohnehin nur "besonders schallarme Flugzeuge" fliegen. "Das dient dem Lärmschutz der Bevölkerung."

Um solche freundlichen Floskeln bemühte sich Innenminister Joachim Herrmann erst gar nicht. Das Ansinnen von Landwirten, auf dem zwei Kilometer langen Stück zwischen Dachau und Karlsfeld statt Tempo 100 Tempo 80 einzuführen, damit sie mit ihren Schleppern nicht den Umweg durch die Alte Münchner Straße durchs Wohngebiet nehmen müssen, bürstete Hermann mit den Worten ab, sie sollten "erst einmal die Straßenverkehrsordnung lesen". Eine Kraftfahrtstraße dürfe grundsätzlich nicht mit dem Traktor befahren werden, ganz gleich ob dort nun Tempo 80 oder Tempo 100 gelte.

Die Forderung der Bäcker, die allgemeine Ausweitung der Verkaufsflächen in Supermärkten von 800 auf 1200 Quadratmetern wieder zurückzunehmen, wies Wirtschaftsstaatssekretärin Hessel klar zurück. Gerade im ländlichen Raum seien diese größeren Einheiten "für die Versorgung der Bevölkerung notwendig".

Wenig Glück hatten auch die Kindererzieher. Sie beklagten sich in teils recht drastischen Worten über die langen Ausbildungszeiten, schlechte Bezahlung und mangelnde soziale Anerkennung. Andreas Rössler, der gerade seine Ausbildung macht, sagte: "Man fühlt sich ins Gesicht gespuckt." Staatssekretärin Johanna Huber aus dem Sozialministerium schob die Verantwortung an die Tarifparteien weiter, um sogleich zu einer ausführlichen Lobrede auf eine neue Imagekampagne von Sozialministerin Christine Haderthauer anzusetzen. Das allerdings blockte Moderator Andreas Bönte ab: "So viel Zeit haben wir jetzt nicht . . ."

© SZ vom 18.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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