Karlsfeld:Aussichtsreicher Start

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In sechs Übergangsklassen werden Kinder aus Migrantenfamilien im Landkreis auf das Regelschulsystem vorbereitet. Der Karlsfelder Rektor Peter Wummel ist begeistert und will das Modell noch weiter ausbauen.

Von Julian Erbersdobler

Die Lehrerin Doris Radons mit den Schülern der Übergangsklasse Ü5a in der Mittelschule Karlsfeld. (Foto: joergensen.com)

An der Bushaltestelle bildet sich nach der vierten Schulstunde eine kleine Gruppe. Ein dunkelhaariger Schüler prahlt: "Wir haben in der Pause schon wieder gegen die Ü5a im Fußball gewonnen - 5:3." Stolz zeigt er auf sein Idol Cristiano Ronaldo, der einen von seinem T-Shirt angrinst. Dann nimmt er den Bus Richtung Wochenende. Der Junge ist erst seit ein paar Monaten in Deutschland. Gemeinsam mit anderen Quereinsteigern lernt er in einer der beiden Übergangsklassen an der Karlsfelder Mittelschule Deutsch. Er soll wie seine Mitschüler auf den Unterricht in einer Regelklasse vorbereitet werden. Ein wichtiges Projekt zur Förderung und Integration ausländischer Kinder.

"Unsere Kinder sind vom Regelschulsystem ausgegliedert, sie können maximal zwei ganze Jahre in dieser Klasse bleiben", erklärt Doris Radons. Die 39-Jährige ist die Lehrerin der Übergangsklasse Ü5a. Radons beaufsichtigt täglich 20 Schüler aus zwölf Ländern. Sie sind zwischen zehn und 15 Jahre alt. Keine leichte Aufgabe für die Lehrerin. "Jedem kann ich es natürlich vom Unterricht her nicht immer recht machen", sagt sie. "Ich bin aber schon sehr stolz, wie gut die Kinder mitziehen." Die meisten sind erst seit einem halben Jahr in Deutschland. Peter Wummel, der Rektor der Schule, erinnert sich noch genau daran, wie das Projekt entstanden ist. "Kurz vor Ferienende wurden wir im Sommer 2013 darüber informiert, dass an unserer Schule eine Übergangsklasse eingerichtet wird." Doris Radons wurde deshalb von der mobilen Reserve abgezogen und als Lehrerin der neuen Klasse ins kalte Wasser geworfen. "Wir sehen dieses Projekt als Chance das Potenzial der kulturellen Vielfalt auszuschöpfen", sagt der Direktor begeistert.

Doris Radons hat keine spezielle Ausbildung, um diese besondere Klasse zu unterrichten. Zwei Wochen vor Schulstart hospitierte sie kurzfristig in Dachau-Ost. "Dort gibt es die einzigen beiden speziell ausgebildeten Lehrkräfte." Übergangsklassen sind weitgehend noch Neuland. Das bestätigen auch die Zahlen des Schulamts: Im gesamten Landkreis gibt es derzeit erst sechs dieser Klassen. Drei davon in Karlsfeld. Neben den beiden an der Mittelschule gibt es auch eine Ü-Klasse an der benachbarten Grundschule. Die 39-jährige Lehrerin strahlt, wenn sie mit ihren Schülern spricht. Die Klasse strahlt zurück. Von der stressigen Vorbereitung der Unterrichtsstunden ahnt die Ü5a wohl nichts. "Es gibt zwar eine Stundentafel, die mir vorgibt, wie oft ich jedes Fach unterrichten soll", sagt Radons. "Spezielles Unterrichtsmaterial gibt es aber nicht." Deshalb sitzt sie oft vor Schulbüchern und sucht Grafiken oder "einfache Texte, die auch meine Schüler verstehen können".

Über Klassenarbeiten testet sie dann auf welchem Niveau sich ihre Schüler befinden. Heute stand deutsche Grammatik zur Probe. "Ich rechne mit einer Drei minus", witzelt einer in der ersten Reihe. Die Schwierigkeit besteht für die Lehrerin darin, die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen ihrer Schüler wie Alter, Herkunft, Sprache oder Schulsystem unter einen Hut zu bringen. "Bis sich das alles hundertprozentig eingespielt hat, wird es wahrscheinlich noch Jahre dauern", sagt Radons. Doch schon im ersten Jahrgang gibt es Erfolge. "Zwei oder drei werden im nächsten Schuljahr wohl nicht mehr in einer Übergangsklasse sein. Die sollen es in einer Regelklasse versuchen."

Die Karlsfelder Mittelschule plant das Konzept der Ü-Klassen in den kommenden Jahren noch weiter auszubauen. "Wir würden in naher Zukunft gerne noch eine dritte Übergangsklasse eröffnen", sagt Rektor Wummel. Außerdem sei ein Patensystem in Planung, dass in Zusammenarbeit mit einigen Schülern bis zum Sommer entstehen soll. Das Ziel ist es, die Übergangsklassen noch besser in das Schulsystem zu integrieren.

Egal ob aus Polen, Ungarn, Niederlande, Bosnien, Kroatien, Italien, Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Syrien oder Afghanistan - alle Schüler der Ü5a scheinen sich in der Klasse unter der Leitung von Frau Radons wohl zu fühlen. Nur ein Thema spaltet die Klasse: "Ich mag Real Madrid und Cristiano Ronaldo", sagt ein Mädchen aus Syrien. Ein Raunen geht durchs Klassenzimmer. Die Gegenposition lässt nicht lange auf sich warten. "Ich liebe Leo Messi und den FC Barcelona", hört man aus der letzten Reihe. Die Lehrerin zuckt lachend mit den Achseln - normale "Probleme" einer besonderen Klasse.

© SZ vom 11.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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