Karlsfeld:Abschiebung von Fallou M. wirft Fragen auf

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Der Senegalese hat persönlich nie einen Bescheid erhalten, dennoch musste er das Land verlassen. Möglicherweise müssen die Behörden den Flüchtling zurückholen.

Von Moritz Köhler, Karlsfeld

Im Fall der Abschiebung des Asylsuchenden Fallou M. geraten die zuständigen Behörden, das Landratsamt Dachau und das Bundesamt für Migration (BAMF), zunehmend in Bedrängnis. Es stellen sich immer mehr ungeklärte rechtliche Fragen: Am Ende könnte sich herausstellen, dass die Abschiebung des 31-jährigen Senegalesen gegen geltendes Recht verstoßen hat.

Das vermutet auch der Helferkreis Karlsfeld, der über den Vorgang entsetzt ist. Eine BAMF-Sprecherin bestätigte der SZ, dass in diesem Fall Fallou M. zurückgeholt werden müsste. Die zentrale Frage lautet: Hat der Flüchtling, der am 7. Juni von Dachauer Polizeibeamten in ein Flugzeug nach Mailand gesetzt wurde, überhaupt einen Abschiebebescheid erhalten?

Die Stellungnahme des Landratsamts vom Montag trägt nicht zur Klärung bei. Im Gegenteil: Offenbar schätzt die Behörde die rechtliche Situation in diesem Fall völlig falsch ein. Behördensprecher Alexander Krug hatte der SZ am Montag erklärt, die Flüchtlinge seien selbst dafür verantwortlich, dass ein Abschiebebescheid sie erreicht. Das ist nach Paragraf 31 des Asylgesetzes aber nicht richtig. Ein häufiges Problem bei der Zustellung von Dokumenten an Asylsuchende sei, dass den Behörden eine falsche Adresse vorliege, hatte Krug eingeräumt.

Aber die Schuld daran liegt der Darstellung des Juristen zufolge bei den Asylsuchenden: "Die Flüchtlinge versäumen es, sich bei der Meldebehörde umzumelden, wenn sie die Unterkunft wechseln." Genau das aber könne den Flüchtlingen, so Krug, zugemutet werden, da sie auf einem Laufzettel ja auch darüber informiert würden.

Flucht übers Mittelmeer

Was Alexander Krug nicht sagte: Das BAMF ist gesetzlich zu einer persönlichen Zustellung verpflichtet. Paragraf 31 des Asylgesetzes besagt, dass der Abschiebebescheid an den Asylbewerber selbst oder an einen Bevollmächtigten auszustellen ist. Das ist nach Darstellung des Helferkreises im Fall von Fallou M. aber nicht geschehen.

Der 31-jährige Senegalese war im vergangenen Jahr über das Mittelmeer nach Deutschland geflüchtet und war in einer Karlsfelder Flüchtlingsunterkunft untergekommen. Zuvor war er in Italien registriert worden. Deshalb wurde er unter Berufung auf die Dublin III-Verordnung nach Mailand abgeschoben. Diese Verordnung legt fest, dass Flüchtlinge ihre Asylanträge in dem Staat stellen müssen, in den sie zuerst eingereist sind.

Fallou M., der schon eine feste Beschäftigung im Bauhof Karlsfeld hatte und weitgehend integriert war, hat nach eigener Aussage den Dublin-Bescheid nie erhalten. Wie der Helferkreis erklärt, hätte er wie auch andere in einem solchen Fall um Beistand gebeten, denn er hätte gegen den Bescheid Widerspruch einlegen können. Dass der 31-jährige Senegalese eine andere Person zur Entgegennahme seiner Postsendungen bevollmächtigt haben könnte, schließt der Helferkreis kategorisch aus. Denn in Karlsfeld ist das grundsätzlich nicht üblich, wie Integrationslotsin Julia Matzinger der SZ sagte: "Wir drängen darauf, dass die Asylsuchenden ihre Post selbst entgegennehmen, es gibt keinen Fall, in dem einem Mitglied des Helferkreises eine Vollmacht ausgestellt wurde."

Laxe Auslegung des Rechts bei Abschiebungen

Karlsfeld
:"Sie haben Fallou mitgenommen"

Er kommt aus dem Senegal und war bestens integriert. Dennoch wurde Fallou M. abgeschoben. Das hat weitreichende Folgen für Helfer und andere Flüchtlinge.

Von Moritz Köhler

Das Bundesamt beruft sich darauf, dass ihm in diesem Fall eine unterschriebene Postzustellungsurkunde von Freitag, 12. Februar vorliege; die gelte als Zustellungsnachweis, sagte BAMF-Sprecherin Kira Gehrmann. Wer diese Urkunde unterschrieben hat, dürfe allerdings nicht mitgeteilt werden. Das unterliege der Schweigepflicht. Für diese Auskunft fordert das Bundesamt eine Vollmacht, die Fallou M. unterschreiben müsste.

Der sitzt aber in einer Erstaufnahmeunterkunft in Mailand. Wer hat aber diesen Zustellungsbescheid, sofern es ihn gibt, unterschrieben? Der Bayerische Flüchtlingsrat kennt solche Fälle: In der Praxis gilt der Abschiebebescheid bereits als zugestellt, wenn er in einen Briefkasten geworfen wird. Das erscheint dem Helferkreis als eine doch eher laxe Auslegung des Paragrafen 31 des Asylgesetzes. Auch Kira Gehrmann sagt eindeutig: "Der Dublin-Bescheid muss dem Asylbewerber persönlich oder einem Bevollmächtigten ausgehändigt werden. Wenn er nicht zugestellt werden kann, kann der Asylbewerber nicht an ein anderes Land überstellt werden."

Sollte also in diesem Fall ein so gravierender Fehler aufgetreten sein, hätte das Konsequenzen: Fallou M.s Abschiebung nach Italien müsste rückgängig gemacht werden. Er würde dann nach Deutschland zurückkehren, den Dublin-Bescheid erhalten. Dann könnte er gegen die Entscheidung des Bundesamts Klage erheben, wie Kira Gehrmann bestätigt.

Eine lockere Einstellung pflegt das Landratsamt: Der Behörde genügte allein die Mitteilung des BAMF, dass ein Zustellungsnachweis vorliege, um am 7. Juni die Polizei zu Fallou M. zu schicken. Vielleicht aber haben die Behörden selbst keinen Überblick über das komplexe Asylverfahren. Dieser Eindruck drängt sich Fabian Baur, Sprecher des Helferkreises, auf. Der Laufzettel für Asylsuchende, auf den sich Krug beruft, enthält nämlich überhaupt keinen Hinweis darauf, dass ein Flüchtling einen Unterkunftswechsel auch dem BAMF melden muss.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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