Kabarett:Gags im Praxistest

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Das Manuskript für sein neues Programm braucht Django Asül eigentlich gar nicht mehr. Die Pointen sprudeln nur so aus ihm heraus. (Foto: Toni Heigl)

Demnächst geht Django Asül mit seinem satirischen Jahresrückblick auf Tournee. Die Dachauer durften es jetzt schon sehen

Von Petra Neumaier, Dachau

30 Seiten Text, Din A 4, klein beschrieben und detailliert ausformuliert. Den Stapel hat er in der Hand. Mal rollt er ihn, mal schiebt er das obere Blatt von oben nach unten, er hält sich aber an dem Manuskript eher fest, als dass er darauf schauen würde. "Not gegen Elend", bezeichnet Django Asül, der bayerische Türke (oder türkische Bayer?) seine ersten Auftritte. Denn eine Woche lang, bevor der Kabarettist mit seinem Jahresrückblick "Rückspiegel" auf Tournee geht, ist er in der Peripherie unterwegs: sieben Tage auf acht Bühnen - ein Test zum Warmwerden. Doch auch am Mittwochabend in Dachau merkt man nicht, dass sein Programm noch gar nicht eingeübt ist. Aus dem 45-Jährigen sprudelt es nur so heraus, dass das Publikum amüsiert staunt und er sich selbst am Ende wundert.

Ausverkauft ist der Saal. Wie schon seit Wochen einige große Vorstellungen in München. Ins siebte Jahr blickt Django Asül jetzt schon zurück. Und er hat inzwischen eine ganz eigene Fan-Gemeinde vor sich: "Es gibt viele, die sich gar nicht für meine anderen Programme interessieren. Sie sind nur beim Jahresrückblick da", erzählt der Kabarettist, der die Nähe zum Publikum sucht. Steht er nicht auf der Bühne, taucht er in die Gästeschar ein und schlendert durch die Reihen. Als einer von ihnen, oft unbemerkt und erst im letzten Moment durch das Mikrofonkabel im Rücken erkannt. Rechts und links plaudert der Maibockanstich-Festredner, er nimmt sich für alle Zeit, ist der Spezl von nebenan. "Ich freue mich halt, Menschen dazu zu bringen, raus zu gehen und mich zu sehen. Diese Wertschätzung gebe ich gerne zurück."

Wo und vor wem er auftritt, spielt normalerweise keine Rolle, doch die Testauftritte sind ihm besonders wichtig. "Wenn mich das Publikum hier kapiert, reicht es auch für die Landeshauptstadt", sagt Django Asül und lacht. Akribisch bereitet er sich für seine Jahresrückblicke vor. Im Januar wird mit dem Sammeln begonnen, ab September die Themen ausgewählt und zusammengestellt. Morgens um zehn Uhr, am ersten Testtag, der stets der letzte Sonntag im November ist, wird das Manuskript erstmals ausgedruckt. Bis zuletzt fügt Django Asül Aktuelles ein. Starre Textvorgaben gibt es bei ihm genauso wenig, wie eine feste Abfolge der Themen. "Ich will spielen und plaudern - und nicht reproduzieren", sagt er.

Spielen und plaudern: Das Weißbier kommt auch an diesem Abend zuerst auf die Bühne, dann folgt Django Asül. Im T-Shirt und verwaschener Jeans. Und dem Manuskript, das wie erwähnt, nur eine Nebenrolle spielt. Ein Schluck aus dem Glas, ein paar süffisante Bemerkungen über den "mondänen" Saal der Stadt, dann geht der Rückblick los - auf ein Jahr der verlorenen und vergebenen Chancen. Oder, um es mit Lothar Matthäus zu sagen: "Wäre, wäre, Fahrradkette." Ohne je den Faden zu verlieren, verknüpft und verbindet er, was eigentlich gar nichts miteinander zu tun hat. So geht es von der verlässlichen Kontinuität eines nicht fertigzustellenden Berliner Flughafens zu Heidi Klum; von Jamaika und der geplatzten Koalition zum Grundsatzbeschluss: "Erst einmal den FCB stabilisieren, dann sehen wir weiter." Django Asül blickt nach Frankreich zu Emmanuel Macron und seinem politischen Programm ("Erst nehmen wir den Armen alles weg - aber so, dass es die Reichen nicht stört."), dann nach Amerika zu Donald Trumps Frauen und Waffen und Rechenkünsten - um schließlich eine kurze politische Pause mit der Anekdote eines Hartz-4-Empfängers einzulegen, der in Dortmund aufgrund seiner Betteltätigkeit ein Gewerbe anmelden soll. Von hier ist sein Weg zu Martin Schulz nicht weit, der mit dem Dieselantrieb für Django Asül zu den großen Verlierern des Jahres gehört. "Ein Auslaufmodel", sagt der Kabarettist so, dass es einem selbst überlassen bleibt, wen oder was genau er damit meint.

Vom Fauxpas der SPD-Presseerklärung vor dem Kanzlerduell spurtet Django Asül weiter zur dubiosen Abschiebepolitik, zu den Videobeweiskameras des DFB, dem G20 in Hamburg, Kevin Spacey und Harvey Weinstein. "Das Jahr hat für mich so viele Facetten", sagt der 45-Jährige begeistert, der sich gerne auch Themen herauspickt, die die breite Masse übersehen oder schon wieder vergessen hat wie die Veganerin, die ein Verbot des Glockenspiels "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" forderte. Oder den Antrag der Berliner Jusos, feministische Pornofilme frei zu geben. Oder jüngst die Bleichcreme-Kampagne von Nivea, mit der dunkelhäutige Frauen in Afrika beruflich und privat attraktiver werden sollen. "Der Mix macht's", ist nicht nur der Kabarettist überzeugt, der sich stets in seine Zuhörer hineinversetzt. Das Publikum bleibt jedenfalls bis zur letzten Minute dabei. Denn der Kabarettist überraschte einmal mehr mit seinem Witz und mit seinen Themen, die er in deutliche Worte fasst, ohne zu beleidigen. Und über die man lachen kann, ohne sich dabei schlecht zu fühlen.

Die Bühne ist eindeutig "sein Ding", sie ist aber nicht sein Lebenselixier, wie er betont. Im "richtigen Leben" geht der gelernte Bankkaufmann ja einem "ordentlichen" Beruf nach. Kabarett ist das Hobby. Ein intensives allerdings: In den kommenden acht Wochen hat Django Asül mit dem "Rückspiegel" "mehr Auftritte, als es Kalendertage gibt". Doch als er das sagt, wirkt der Tennis-Spieler weniger gestresst als freudig gespannt: "Denn auch ich wundere mich oft, was im Laufe des Abends so aus mir herauskommt."

Weitere Auftritte im Dezember in der näheren Umgebung: Donnerstag, 28. Dezember, 19.30 Uhr, Stadthalle Germering; Freitag, 29. Dezember, 20 Uhr, Bürgerhaus Unterschleißheim

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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