Jazz e.V. Dachau:Tatsächlich pure Weltklasse

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Oftmals mit orchestralem Klangvolumen: "Erik Friedlander's The Throw" beim Jazz e.V. in der Dachauer Kulturschranne. (Foto: Toni Heigl)

Keine Elektronik, keine Klangeffekte, kein avantgardistischer Klimbim: Das US-Quartett "Erik Friedlander's The Throw" verlässt sich auf die herausragende Qualität seiner Musiker - und spielt einfach phänomenal guten Jazz. Das ist nichts weniger als große Kunst.

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Es lässt sich in der Rückschau nicht mehr eruieren, ob der Eindruck seinen Ursprung in der Anfangsmoderation von Programmkoordinator Axel Blanz hat (wodurch man sich entsprechend prädisponiert ins Vergnügen begibt) oder ob er sich auch ohne seine Worte zwingend eingestellt hätte. "Pure Weltklasse" hatte Blanz für dieses Konzert des Jazz e.V. angekündigt. Das ist selbst für den renommierten Dachauer Jazzclub in der Kulturschranne ziemlich viel. Aber diesen Auftritt des US-Quartetts Erik Friedlander's The Throw muss man wohl tatsächlich so nennen - und durch sein Miterleben des Soundchecks wusste Blanz, wovon er sprach, als der große Rest im prall gefüllten Saal noch ahnungslos war.

Es ist ja schon erstaunlich: Beim Jazz e.V. hat es bereits weitaus expressivere Konzerte gegeben, wuchtigere, kompromisslosere, kreativere, innigere, freiere. Aber diese Darbietung hat etwas, was es auch beim Jazz e.V. und den dort gastierenden internationalen Musikerinnen und Musikern nicht immer gibt: eine Aura. Das klingt als Charakterisierung etwas hochgestochen. Aber das trifft es eben. Warum? Es ist die schiere Qualität der vier Musiker (Erik Friedlander am Cello, Uri Caine am Klavier, Mark Helias am Bass und Ches Smith am Schlagzeug), die diesen Eindruck erzeugt.

Sie brauchen dazu keine große Spielartenvielfalt der Tonerzeugung. Kein Klimbim mit allen möglichen Utensilien auf dem Schlagzeug, kein präpariertes Klavier, keine skurrilen Effekte, keine Elektronik, keine Geräusche - ja, keine Elemente der Neuen Musik (oder fast keine). Sie spielen einfach phänomenal guten Jazz in einer recht traditionellen Form, mit einer grandiosen Instrumentenbeherrschung, mit einem untrüglichen Gespür für Dynamik, Dramaturgie, mit kollektivem Einfühlungsvermögen in den Gesamtklang. Das alles sind sehr klassische Elemente des gemeinsamen Musizierens, Qualitäten, die es lange vor dem Jazz und erst recht vor dem Free Jazz gab. Aber wenn sie so geballt versammelt sind wie an diesem Abend, dann ist das nichts weniger als große Kunst.

Vor allem für die Melodik zuständig: Erik Friedlander am Cello. (Foto: Toni Heigl)
Die auffallendsten Einzelbeiträge liefert Pianis Uri Caine. (Foto: Toni Heigl)
Mark Helia spielt einen geschmeidig swingenden Walkingbass. (Foto: Toni Heigl)
Rhythmisch ungemein raffiniertes Schlagzeugspiel: Ches Smith in Aktion. (Foto: Toni Heigl)

Interessanterweise ist Bandleader Friedlander dabei der am konziliantesten musizierende Akteur: Man fragt sich eingangs ja, wie sich der Ensembleklang wohl gestalten wird, wenn in einem Quartett Kontrabass und Cello vereint sind, Instrumente, die in der Musikgeschichte oft gleichermaßen für das Fundament zuständig waren. Ist das nicht ein bisschen viel Bass? Nein. Die tieferen Tonlagen des Cellos nutzt Friedlander kaum. Sein Cello ist vor allem für die Melodik zuständig, mit großem Bogenstrich schön ausgesungen (zwischendurch plötzlich an eine Bach-Suite erinnernd), aber auch für rasche, stupend eingeflochtene Läufe in der Tradition der Jazzgeiger und für die Führungsrolle bei den koordinierten Unisono-Riffs. Aber: Es ist gegenüber den anderen Instrumenten in der Lautstärke oft erstaunlich zurückgenommen - was etwas defensiv wirkt, aber durchaus charmant ist, da es den Gesamtklang ins Zentrum rückt.

Der lebt auch von Ches Smiths ensemble-dienlichem, dabei rhythmisch ungemein raffiniertem Schlagzeugspiel und dem mit dem Schlagzeug perfekt koordinierten Bass-Part: Kann dieser Mark Helias mit dem Bass umgehen! Wenn er zum Bogen greift und seine Soli mit sanft gestrichenen Tönen durchwirkt, klingt das nach hingebungsvoller Poesie. Vor allem jedoch spielt er einen herrlich prägnanten, gleichzeitig geschmeidig swingenden, pulsierenden, schlendernden Walkingbass. Ein Genuss.

Wenn aber drei von vier Musikern eher verbindlich als in den Vordergrund drängend musizieren, woher kommt dann diese packende musikalische Präsenz, die mit fast orchestral wirkender Klanggröße die Kulturschranne einnimmt? Es ist tatsächlich zu einem Großteil das Klavier von Uri Caine, das die Einzelstimmen zu einem Gesamtklang von solch enormer Wirkung zusammenfasst und selber die auffallendsten Einzelbeiträge liefert. Hochvirtuoses Skalenspiel, dazu markante Voicings der linken Hand, helle Melodik im Diskant, prasselnde Akkordkaskaden und, ja, auch mit breitem Pedal aufgetürmte Clusterschichten - das Klavier (das besonders stark abgemischt ist, verstärkt den Effekt) bietet Caine als Instrument die wohl üppigste Gestaltungsvielfalt. Und er nutzt sie hingebungsvoll.

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