Hebertshausen:Der Fluch der guten Tat

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Die Gemeinde stellt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ein Grundstück zur Verfügung. Aber sie geht damit ein hohes Risiko ein.

Von Petra Schafflik, Hebertshausen

Als im Herbst 2015 jede Woche weitere Asylsuchende in den Landkreis kamen, reagierte Hebertshausen sofort: Die Gemeinde stellte ein zentrales Grundstück bereit, auf dem eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) entstehen soll. Doch die Realisierung des Projekts erweist sich nun als problematisch. Denn für jugendliche Flüchtlinge organisiert der Landkreis keine Unterbringung, vielmehr bucht das Jugendamt stets Obdach und Betreuung pauschal bei einem freien Träger. "Es war noch nie so schwierig zu helfen wie in der heutigen Zeit", sagt Bürgermeister Richard Reischl (CSU).

Im Auftrag des Jugendamts stellen meist gemeinnützige Vereine für ihre Schützlinge Wohnraum und pädagogisches Personal bereit. So läuft das bereits an einigen Standorten im Kreis, wo etwa Caritas oder Kinderschutz Wohngruppen für Flüchtlinge in umgebauten Wohnhäusern, Freizeitheimen oder Kitas betreiben. Das Problem in Hebertshausen: Dort muss die Unterkunft erst neu gebaut werden, das finanzielle Risiko ist dadurch hoch. Zwei interessierte Träger stellten dem Gemeinderat am Dienstag jetzt zwar ihr Konzept vor, doch die Skepsis im Rat war offenkundig.

Hohes wirtschaftliches Risiko

Die beiden Konzepte unterscheiden sich nur im Detail: Auf dem Grundstück direkt gegenüber der Hebertshausener Schule würde die Gesellschaft für Sozialtherapeutische Hilfen und Beratung (SHB) aus Schondorf von einem Investor ein zweigeschossiges Gebäude errichten lassen. Nach dem Vorbild der in Karlsfeld eingeweihten Wohnanlage für Flüchtlinge könnten dort Wohngemeinschaften für 32 junge Asylsuchende entstehen, erklärte SHB-Geschäftsführer Andreas Mohr. Die SHB ist im Landkreis bereits in der Betreuung von jugendlichen Flüchtlingen tätig, sie betreut eine Gruppe in Ainhofen. Auf zwei Etagen bauen würden auch Architekt Dominique Tzschoppe und Jürgen Kress mit ihrer Social Real Estate, die Betreuung würden in ihrem Auftrag die Johanniter leisten. Knackpunkt beider Konzepte: Damit sich die Neubau-Investition von rund 1,5 Millionen Euro überhaupt rechnet, muss der Träger für mindestens zehn Jahre das Haus vom Bauherrn anmieten. Das Jugendamt bucht UMF-Plätze aber stets nur für vier Jahre. Die Folge ist ein hohes wirtschaftliches Risiko. Ein Grund, warum der im Landkreis bereits in der Flüchtlingsbetreuung engagierte Verein Kinderschutz sein Interesse am Hebertshausener Projekt kurzfristig zurückgezogen hat, wie der Bürgermeister informierte.

Um finanzielle Sicherheit zu gewinnen, so Reischl, sei das Ziel von Investoren wie Trägern, dass die Gemeinde die Miete für zehn Jahre sichert. Und das Gebäude vielleicht sogar im Anschluss übernimmt. Doch so eine Garantie will Hebertshausen auf keinen Fall abgeben. Denn die geplante UMF-Unterkunft wird auf einem Grundstück stehen, für das kein reguläres Baurecht gilt, und das nur für Flüchtlings-Einrichtungen genutzt werden kann. Die Folge: Das Haus kann später nicht in Sozialwohnungen umgewandelt werden. Dagegen spricht auch, dass eine kalkulierte Kaltmiete von 15 Euro pro Quadratmeter deutlich über dem Hebertshausener Mietniveau liegt. Dazu kommt, dass die Gemeinde dezidiert nur eine befristete Flüchtlingsunterkunft möchte, denn das Areal soll langfristig für die Schulentwicklung am Ort zur Verfügung stehen. Ideen dafür hat der Gemeinderat in einer internen Klausur bereits entwickelt.

Schule oder Unterkunft

Die Haltung war deshalb eindeutig: Die Gemeinde hat das Grundstück bereitgestellt. Obendrauf wirtschaftliche Risiken etwa über eine Mietgarantie will man nicht eingehen. Was passiert, fragte Michael Vogl (CSU), wenn keine jugendlichen Flüchtlinge mehr dem Landkreis zugewiesen werden, wie es derzeit der Fall ist? Dann könne das Gebäude immer noch umgebaut werden in Wohnungen für anerkannte Asylsuchende, erklärte SHB-Geschäftsführer Mohr. Grundsätzliche Bedenken äußerte Stefan Ruhsam (CSU). Denn auf das Nachbargrundstück zieht, das hat der Gemeinderat in derselben Sitzung gebilligt, für fünf Jahre die Elisabeth-Bamberger-Schule in eine Container-Anlage. "Das passt nicht beides an diesen Platz". Dagegen möchte Thomas Göttler (FW) durchaus Flüchtlingen helfen, fragt sich aber als Steuerberater, wie sich die UMF-Unterkunft für einen Investor rechnen kann. Tatsächlich nur schwer, räumten die beiden Träger auf Nachfrage ein. Der SHB reichten zehn Jahre definitiv nicht, "mit 12 Jahren geht es gerade so", erklärte Mohr. Das sieht Jürgen Kress auch so.

Im Juni wird der Gemeinderat sich für ein Konzept entscheiden. Ob es dem Träger und Investor dann gelingt, das Projekt zu realisieren, bleibt abzuwarten.

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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