Haimhausen:Schriller Klamauk

Lesezeit: 3 min

Der Kulturkreis Haimhausen übertreibt in seiner Musical-Komödie "Nonnsense" mit Showeffekten und Partyknallern. Das Publikum aber weiß den Aufwand zu schätzen.

Von Bärbel Schäfer

In „Amperwahnmoching“ rocken die Ordensschwestern mit dem Personal der Rotlichtbar „Blaue Grotte“. Foto: Jørgensen (Foto: npj)

Die Nonnen machen Party in der Rotlichtbar, der päpstliche Nuntius ist ein Satan und Edmund Stoiber verheddert sich in seinen berühmten Versprechern. Was die Handlung anlangt, darf man von der Musical-Komödie "Nonnsense" nicht zu viel erwarten. Das ist purer Klamauk, Nonsens eben, vom Haimhauser Kulturkreis zur schrillen Revue mit Partycharakter aufbereitet. Man muss aber vor allem eines loben: den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft, die mit dem Aufgebot aller künstlerischen, organisatorischen und ausführenden Kräfte solche großen, semiprofessionellen Bühnenproduktionen schultert. Im Zusammenspiel mit der ansässigen Kunstszene ist Haimhausen ein wichtiges kulturelles Zentrum im Dachauer Landkreis. Der Bekanntheitsgrad wird zunehmend weiträumiger. Publikum aus München fährt deswegen sogar in die Peripherie und weiß den Aufwand zu schätzen: "Das Engagement des Ortes, der für so etwas lebt, finden wir toll", sagten Cornelia und Herbert Wörner aus Grünwald.

Singende und tanzende Ordensschwestern sind spätestens seit Sister Act aus den 1990er Jahren ein Thema für die Unterhaltungsindustrie. Der amerikanische Autor und Komponist Dan Goggins hatte die Idee schon früher. 1986 wurde seine Musical-Komödie "Nunsense" am Broadway uraufgeführt. Der künstlerische Leiter Dick Städtler und der Songtexter Michael Sailer überarbeiteten die deutsche Version "Nonnsense" für das Haimhauser Ensemble. Es spielt, singt und kalauert mit Freude im Hanielschen Stadl. Beteiligt sind wie üblich weit mehr als 200 Personen, von der Technik bis zum Catering, außerdem Band, Blaskapelle und Chor.

Die Handlung ist abstrus und rasch erzählt: In Amperwahnmoching sterben Nonnen an einer giftigen Pilzsuppe. Um die Beerdigungskosten bezahlen zu können, organisieren die überlebenden Schwestern einen Wohltätigkeitsabend, der sie unwissentlich in die Rotlichtbar "Blaue Grotte" führt. Dort kommen sich Tugendhaftigkeit und Sittenlosigkeit immer näher. Die Hauptrollen sind allesamt weiblich: Mutter Oberin Regina und ihre sechs Nonnen ziehen eine musikalische Nummernrevue ab, in der sie über ihr Leben berichten, singen und tanzen. Herausragend sind Schwester Leo (Chava Uszkurat) mit einer mitreißenden Tanzeinlage und Roberta (Susanne Neumark), die sehr gut singt, schon weil sie das Rampenlicht braucht und den Status der Zweitbesetzung verlassen möchte.

Die ausgebildete Sängerin Marja-Leena Varpio ist in der Rolle der Amnesie vielseitig, schraubt den Sopran operettenhaft in die Höhe und macht ihn als Bauchrednerin eines kleinen Plüschteufelchens zur Männerstimme. Es stellt sich heraus, dass auch die Moral der Nonnen nicht immer vorbildlich ist. Vor dem Wunsch nach Luxus (Porsche), Vergnügen (Spielleidenschaft) und Eitelkeit (Starallüren) sind auch Ordensfrauen nicht gefeit. Das Personal der "Blauen Grotte" ist verkommen und schräg. Dick Städtler lässt Elemente aus der 2009 produzierten "Bairischen Horror Schau" einfließen und verquickt plakative Erotik mit Lokalkolorit. Die männlichen Hauptrollen sind hervorragend besetzt: Türsteher "Kong" (Willi Sedlmayr) durchsucht alle Neuankömmlinge nach Waffen und Drogen und "King" (Sebastian Feldhofer) hat als Chef des Etablissements alle im Griff, mit Ausnahme seiner Domina-Mieze (Angela Schikowski). Sein Auftritt mit dem umgeschriebenen Rolling Stones-Hit "Honky Tonk Nonne" ist spitze.

Mit Edmund Stoiber kommt bayerisches Couleur ins Geschehen, Willy Kramer doziert in Politiker-Manier und verheddert sich in Nonsens-Sätzen. Eine Wucht aber ist Joe Vogl als päpstlicher Nuntius, der die dritte Startbahn nicht findet und sich als Teufel entpuppt. Er reißt sich den Umhang vom Leib und singt und tanzt in Lackleibchen und Netzstrümpfen zu James Browns "I feel good". Seine Verführungskünste wirken sogar bei der Mutter Oberin. Der Stones-Hit "Sympathy for the Devil" wird zum mitreißenden Appell "Gebt's am Deifi a Chance". Mit (manchmal blendenden) Scheinwerfereffekten und Videoeinspielungen zieht die Regie alle Register. Es wird übertrieben und alles aufgefahren, was der Ort zu bieten hat.

Ein Haflinger zieht den Leichenwagen mit einer rauchenden Kühlbox und den noch nicht beerdigten Nonnen durch den Stadl, später rollt der rote Porsche der Mutter Oberin vor. Hier nahm die Vorstellung karnevalistische Züge an. Liebe zum Detail zeigen die fantasievollen und wandelbaren Kostüme, fantasievoll sind auch die von Andreas Schiebl gestalteten Kulissen. Das Catering funktioniert reibungslos. Vor allem aber die Musiker muss man lobend erwähnen. Die Band "Blue Brothers" mit Michael Armann (Bläserarrangements und Klavier), Uli Graner (E-Gitarre) und Xaver Hellmeier (Schlagzeug) ist hervorragend und spielt bekannte Stücke aus Rock und Funk ebenso souverän wie das Schlaflied von Johannes Brahms. Das Zusammenspiel mit der Haimhauser Dorfmusik funktioniert ausgezeichnet. Auch das Chorensemble Stimmbruch singt wunderbar vom beschaulichen "Holy" bis zum rhythmischen "When the Saints go Marching in".

Dass es bei dieser Produktion nicht um ernstzunehmende Inhalte geht, sondern um Spaß und Musikalität, ist klar. Trotz bewundernswertem Einsatz aller Akteure und toller Leistung sind die Haimhausener mit diesem Stück nicht optimal beraten. Es ist schriller, übertriebener Klamauk. Gleichwohl toben zum Schluss Bühne und Saal mit einem frenetischen "Highway to Hell". King, Kong und ihr satanischer Geselle heizen das Publikum an. "Wollt Ihr mehr?", schallt es von den Brettern, und das Publikum klatscht begeistert. Die Schwestern raffen ihre Röcke zum Hip Hop und verausgaben sich mit den Abtrünnigen aus der Blauen Grotte beim Time Warp. Jetzt geht die Party richtig los. Gebt den Alten das Kommando.

Weitere Vorstellungen finden am 28., 29., 30. Juni sowie am 5. und 6. Juli statt. Beginn im Hanielschen Stadl an der Dorfstraße ist um 20 Uhr.

© SZ vom 24.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: