Gesetzliches Mitspracherecht:Neubauten und Nachverdichtung

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Weil Ludwigsfeld vor großen Veränderungen steht, fordern die Münchner Rathaus-Grünen eine Erhaltungssatzung zum Schutz der Bewohner

Von Jerzy Sobotta, Ludwigsfeld

Die Siedlung Ludwigsfeld könnte vor großen Veränderungen stehen, wenn all die Pläne verwirklicht werden, welche die Stadt München für diese Siedlung - südlich von Karlsfeld gelegen - vorbereitet. Obwohl sich die Planung dafür noch in der Anfangsphase befindet, wird im Quartier bereits heftig über die Folgen für die Bürgerschaft diskutiert. In das Gespräch mischt sich nun auch die Münchner Stadtratsfraktion der Grünen ein. In einem Antrag an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fordern die Grünen den Erlass einer Erhaltungssatzung für Ludwigsfeld.

Dadurch würde die Siedlung zu einem Gebiet erklärt, in dem die Landeshauptstadt bestimmte Vorrechte ausüben kann, um zum Beispiel eine krasse Gentrifizierung oder die Verdrängung von bestimmten Bevölkerungsgruppen zu verhindern. Zum Instrumentarium, das eine Erhaltungssatzung beinhaltet, gehören ein Vorkaufsrecht der Stadt und Genehmigungspflichten, etwa für besonders luxuriöse Modernisierungen.

Denn die Münchner Grünen befürchten, dass die Nachverdichtung der Siedlung einige der bisherigen Mieter verdrängen könnte. Im kommenden Jahr endet zudem ein Kündigungsverbot für viele Mieter der Siedlung. Es gilt seit 2007. Damals hatte das Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia die ehemals bundeseigenen Wohnungen der Siedlung für 10,5 Millionen Euro gekauft. 2017 wurden diese dann an drei Privatpersonen aus dem Umfeld des Unternehmens weiterverkauft. Sie treten unter dem Namen "Wohnungsgesellschaft Ludwigsfeld" auf und hatten die Siedlung zur "privaten Vermögensverwaltung" gekauft. Das Kündigungsverbot blieb jedoch bestehen und gilt bis 2021. Das bestätigt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage der SZ.

Die Grünen begründen ihren Antrag mit der besonderen Geschichte der Siedlung: Als Außenlager Allach war sie Teil des Konzentrationslagers Dachau und ist in der Nachkriegszeit zur Wohnstätte von ehemaligen Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und Heimatvertrieben aus rund zwei Dutzend Nationen geworden. Dadurch sei die Siedlung ein besonders schützenswerter Sonderfall. Eine Untersuchung der Stadt im vergangenen Jahr hatte ergeben, dass derzeit noch rund 130 Menschen zu diesen ursprünglichen Bewohnern und deren Nachfahren gehören. Die übrigen Bewohner sind im Laufe der Zeit zugezogen.

Bislang gibt es keine Erhaltungssatzungsgebiete am Münchner Stadtrand, denn das Instrument wird meist für begehrte Viertel in Innenstadtnähe beschlossen. Die beiden bisher nördlichsten Gebiete Münchens, in dem dieser sogenannte Milieuschutz angewendet wird, sind seit 2016 Milbertshofen und seit 2018 Moosach, jeweils für fünf Jahre. Es sei in der Stadtverwaltung üblich, dass erst Gebiete ab einer Größe von 1500 Wohnungen geprüft würden, sagt Stadtrat Paul Bickelbacher (Grüne), der zu den Initiatoren des Antrags gehört. Ludwigsfeld hingegen hat nur rund 660 Wohnungen. Doch eine Mindestgröße für eine Erhaltungssatzung sei nirgends rechtlich vorgeschrieben, so Bickelbacher. Erst im vergangenen Jahr wurden die Kriterien für den Erlass des Schutzgebiets ergänzt und umfassen nun neben Altbauten auch unbebaute Flächen sowie Gebäude aus den Fünfziger- bis Achtzigerjahren. Also eine Zeit, in der viele der Ludwigsfelder Wohnriegel errichtet worden sind. Die Wohnungen südlich und östlich der Siedlung stammen allerdings aus den späten Neunzigerjahren. Auf dem Acker in deren Nachbarschaft sollen auch viele der Neubauten entstehen. Nun könne das städtische Planungsreferat auf den Antrag reagieren, sagt Bickelbacher.

Auf die Erweiterungspläne der Investoren reagieren die Bewohner Ludwigsfelds bisher mit einem geteilten Echo: Während die einen jeden Schritt der Investoren skeptisch prüfen und um ihr Mitspracherecht fürchten, begrüßen andere Bewohner eine Vergrößerung der Siedlung. Nur durch deutlich mehr Einwohner könnten neue Geschäfte und, vielleicht ein Wirtshaus und eine bessere Nahverkehrsanbindungen entstehen.

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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