Landkreis Dachau:Mehr Busse, weniger Autos - und keine Seilbahn

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Zum Radverkehrskonzept des Landkreises gehören auch die Beschilderungen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Gesamtverkehrskonzept des Landkreises Dachau soll richtungsweisend für die kommenden zehn bis 20 Jahre sein. Ein Überblick.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Ganze sieben Jahre hat Florian Haas daran gearbeitet. Kurz bevor der stellvertretende Sachgebietsleiter Kreisentwicklung die Landkreisverwaltung nun Richtung München verlässt, hat er das Gesamtverkehrskonzept (GVK), ein wahres Mammutprojekt, im Kreistag vorgestellt. Die Arbeit von Haas mag damit getan sein, für den Landkreis fängt sie gerade erst an. Denn auch, wenn viele Vorhaben seit 2015 auf den Weg gebracht und zum Teil sogar abgeschlossen worden sind, müssen gleichzeitig noch "einige dicke Bretter gebohrt werden". Denn, dass man an mancher Stelle noch nicht so weit ist, wie man es gerne wäre, betont Haas gleich mehrmals, liegt nicht in erster Linie an der hiesigen Verwaltung, sondern: am Bund, dem Freistaat und ja, auch an Grundstückbesitzern, die einfach nicht verkaufen wollen. Ein Überblick.

Öffentlicher Personennahverkehr

Die Linie 710 ist nur eine von vielen, die nun öfter fährt. (Foto: Toni Heigl)

Ganz grundsätzlich umfasst das Verkehrskonzept drei Säulen: den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), den Radverkehr und den MIV, kurz für motorisierter Individualverkehr. Theoretisch gibt es auch eine vierte Säule - innovative Verkehrsträger - aber, so das Fazit, der Verwaltung: Egal, welche Streckenkorridore man sich nun ansieht - ob entlang der A8, von München-Nord über Karlsfeld nach Dachau oder von Haimhausen nach Unterschleißheim - sind Seilbahnen "kein passendes Mittel zur Lösung der verkehrlichen Herausforderungen des Landkreises Dachau", weil sie zum einen sehr teuer seien, zum anderen sei die Sache mit dem Überfliegungsrechten höchst komplex. Dementsprechend soll es dazu zumindest zum jetzigen Zeitpunkt "keine weitergehenden Überlegungen und Untersuchungen seitens des Landkreises" geben.

Stattdessen will der Landkreis weiter am Ausbau des ÖPNV sowie dem Radwegenetz arbeiten. Bereits 2018 wurde der Nahverkehrsplan verabschiedet, dessen Ziel es sein sollte, möglichst viele Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen. Seitdem seien, so Haas, kontinuierlich "Leistungsverbesserungen auf verschiedenen MVV-Buslinien" erfolgt, zum Beispiel auf den Linien 707, 710, 732, 720, 722, 726. Längst gibt es auch einen 10-Minuten-Takt, zum Beispiel auf den Linien 720, 722, und 726. Zudem sind neue tangentiale MVV-Buslinien - X800, 771, 772, X201 - etabliert und ein landkreisweites Ruftaxi-Konzept auf den Weg gebracht worden.

Darüber hinaus soll bis Ende des Jahres ein Bedarfsverkehrskonzept für den Landkreis und die Stadt Dachau ausgearbeitet werden, ab Dezember 2023 beziehungsweise 2024 sollen folgende Buslinien ausgeweitet werden: 708, 723, 725, 727, 728, 729, 782, 704, 706 und 721.

Aber zum ÖPNV zählt nicht nur der Bus, sondern auch die S-Bahn und auch hier tut sich etwas: Noch in diesem Jahr soll unter der Woche der ganztägige 30-Minuten-Takt zwischen Dachau und Altomünster kommen, das macht 17 Fahrten mehr am Tag. Auf der Strecke zwischen Petershausen und Dachau kommt sogar ein 20-Minuten-Takt, das macht ein Plus von 13 Fahrten pro Tag. Ab Dezember 2023 soll, so zumindest der Plan, der 30-Minuten-Takt nach Altomünster auch am Wochenende erhalten bleiben.

Perspektivisch soll auch die Strecke zwischen Petershausen und Dachau ausgebaut werden, zwischen Röhrmoos und Petershausen soll das Schienennetz etwa zweigleisig werden. Mit Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke sollen die S-Bahnen im Viertelstundentakt und sogenannte Express-S-Bahnen im Halbstundentakt ab Petershausen beziehungsweise Dachau verkehren und eine Anbindung von Karlsfeld über den Münchner Nordring erfolgen. Doch mit der Kostenexplosion für die zweite Stammstrecke und den einhergehenden zeitlichen Verzögerungen könnte es noch dauern, bis es zu diesen Verbesserungen kommt.

Radverkehr

Um das Radfahren im Landkreis leicht und -theoretisch auch ohne Navigationssystem möglich zu machen, wurden zahlreiche Schilder beschafft und angebracht. Darüber hinaus ist der Landkreis eigenen Angaben zufolge einmal mehr auf unterschiedliche Akteure angewiesen, um das Radfahren sicherer zu machen: Denn der Landkreis ist nur für Radwege entlang von Kreisstraßen zuständig, für die übrigen Straßen jenseits der Ortschaften ist vor allem der Freistaat als Straßenbaulastträger zuständig, muss hier Gefahrenstellen eliminieren und Lücken im Radwegenetz schließen. Innerorts sind wiederum die Gemeinden für die Radwege zuständig und müssen dafür Sorge tragen, dass es beispielsweise Radabstellmöglichkeiten gibt. Als Positivbeispiel nennt Haas hier das überdachte Fahrradparkhaus am Dachauer Bahnhof.

Der Landkreis sei derzeit dabei, die AGFK-Zertifizierung "Fahrradfreundliche Kommune" zu bekommen, laut Haas läuft das Antragsprozedere derzeit. Der notwendige Radverkehrsbeauftragte, der für den Landkreis einmal ehrenamtlich tätig wird, soll wohl im Herbst ernannt werden.

Eine "konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der landkreisweiten Strategie zur Radverkehrsförderung" werde sich an der Bewerbungsbewertung des AGFK orientieren, so Haas. Sicher sei nur: Das Thema neue Radwege bleibe ein "Dauerthema" für den Landkreis. Dass es besser vernetzt werden müsse, sei allen Beteiligten klar. Doch wenn Grundstückseigentümer nicht mitspielen, kann der Landkreis bislang wenig tun, außer weiter auf einen Verkauf im Sinne der Allgemeinheit zu drängen.

Motorisierter Individualverkehr

Selbsterklärtes Ziel des Landkreises ist es seit Jahren, mehr Menschen weg vom Auto und hin zum ÖPNV zu bringen. Gleichzeitig hat unter anderem Landrat Stefan Löwl (CSU) in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass es gerade im sogenannten Hinterland nicht realistisch sei, weil es schlicht "weder ökologisch noch ökonomisch" sei, nahezu leere Busse alle paar Minuten fahren zu lassen.

Doch für Löwl steht auch fest: Der Ausspruch "Wer Straßen baut, erntet Verkehr" ist im Landkreis Dachau nicht zu halten. Denn die letzte Kreisstraße sei irgendwann in den 90er-Jahren gebaut worden - trotzdem seien vor allem die Straßen in Dachau und Karlsfeld zu den Stoßzeiten verstopft.

Die eine "große Lösung", um dem Problem Herr zu werden, gibt es laut Haas nicht. Viele mögliche Ausbauten, das haben Untersuchungen ergeben, machen deshalb aus Sicht des Landkreises wenig Sinn, wie etwa die Ortsumfahrung Erdweg. Aber an einigen Projekten will der Landkreis trotz der langwierigen Planung und einiger Widerstände festhalten: Etwa am Ausbau der A 92 inklusive Anschlussstelle Oberschleißheim/Dachau, einem vierspurigen Ausbau der B471 sowie der Ostumfahrung Dachau/ Südumfahrung Hebertshausen, einer (verkürzten) Nordumfahrung Dachau und nicht zuletzt einer A8-Direktrampe bei der Anschlussstelle Dachau /Fürstenfeldbruck. Im Kreistag bringt Kreisrat Peter Heller (Bündnis für Dachau) darüber einmal mehr sein Unverständnis zum Ausdruck.

Über die großräumigen Umfahrungen hinaus seien lediglich "lokale, innerörtliche Entlastungswirkungen" möglich, etwa in Odelzhausen, Markt Indersdorf, Petershausen und Röhrmoos. Die müssten aber die Gemeinden selbst beschließen und umsetzen, sagt Haas.

Die Pläne zeigen: Einen autofreien Landkreis wird es also in den kommenden 10 bis 20 Jahren definitiv nicht geben. Um zumindest den CO₂-Ausstoß der umherfahrenden Autos zu minimieren, ist allerdings ein Aktionsplan E-Mobilität in Planung, bei dem unter anderem ein Ladesäulenkonzept für E-Autos erarbeitet werden soll. Darüber hinaus sollen die MVV-Mitfahrzentrale und mögliche Carsharing-Angebote sowie sogenannte "Carpool-Lanes" Anreize dafür bieten, dass zumindest nicht mehr jeder alleine in seinem Auto sitzt.

Carpool-Lanes sind Spuren, auf denen nur Fahrzeuge erlaubt sind, in denen mehr als eine Person sitzt. Die Idee stammt aus den USA und Kanada, dort werden damit schon heute Fahrgemeinschaften gefördert.

Innovative Verkehrsträger

Innovative Verkehrsträger, insbesondere Seilbahnen, hat sich Haas ebenfalls angeschaut. Bürgerinnen und Bürger wurden zum Thema befragt, verschiedene Strecken in den Blick genommen und unterschiedliche Systeme miteinander verglichen. Das Ergebnis: Die teils sehr kostspieligen Seilbahnen werden allesamt das Verkehrsproblem im Landkreis nicht lösen und das schon gar nicht zeitnah.

Anders verhält es sich mit der geplanten Tramverlängerung: Ob sich eine Erweiterung der Tramlinie 20 von Moosach nach Dachau realisieren lässt, werde derzeit noch untersucht. Landrat Löwl spricht sich aber schon jetzt für das Vorhaben aus, um die Anbindung vom nördlichen München in den Landkreis zu verbessern - und umgekehrt.

Intermodalität

Eine wichtige Rolle spielt im Gesamtverkehrskonzept des Landkreises auch das Ineinandergreifen verschiedener Verkehrsmittel. Denn wenn Autos weiter genutzt werden, dann doch am besten nur, solange nötig. Das P+R-Angebot, wie es in Petershausen bereits existiert, soll deshalb weiter ausgebaut werden, zum Beispiel an geplanten Mobilitätsdrehscheiben wie Breitenau. Sobald es eine Förderung erlaubt, sollen außerdem weitere Regionalbuslinien in kürzerer Taktung verkehren.

Um das Umsteigen auf den ÖPNV zu erleichtern, setzt der Landkreis auch auf den MVV: Der hat in München längst ein Bikesharing-Angebot realisiert. Das wünscht man sich auch flächendeckend im Landkreis Dachau, denn dann könnten Landkreisbewohnerinnen und -bewohner statt mit dem Auto, mit dem Rad zur S-Bahn-Haltestelle fahren.

Letztlich, dass macht das GVK, das Florian Haas federführend ausgearbeitet hat, deutlich: Die Verkehrsprobleme des Landkreises sind nichts, was dieser alleine lösen kann. Und: Selbst wenn alle Akteure an einem Strang ziehen, wird es noch Jahre, womöglich Jahrzehnte dauern, bis alle Vorhaben umgesetzt sind.

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