Gerichtsprozess:Verfolgt von der Geliebten des Ehemanns

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Das Dachauer Amtsgericht verhandelt einen bizarren Fall von Stalking. Das Verfahren endet mit einer Geldstrafe

Von Jacqueline Lang, Dachau

Dass ein Mann einer Frau nachstellt oder auch eine Frau einem Mann, das kommt hin und wieder vor, und gelegentlich landen diese Fälle auch vor Gericht. Gemeinhin ist dann von Stalking die Rede. Dass aber eine Frau der Ehefrau der Affäre nachstellt, das sei, so formuliert es Richter Lukas Neubeck, eher eine "unübliche Fallgestaltung". Genau das hat die Angeklagte aber offenbar getan - und das sehr lange: von 2017 an über Monate hinweg.

An manchen Tagen rief sie die Geschädigte im Minutentakt an, einige Male suchte sie die Frau, die in Hilgertshausen-Tandern lebt, zuhause auf. Die Whatsapp-Nachrichten liest Richter Neubeck nicht vor, aber so viel sagt er: "Die Nachrichten sind nicht so nett, eher unschön." Weil die Anklagte, eine 58-jährige Frau aus Auerbach, mit der Anzeige all ihre Kontaktversuche eingestellt habe, schlägt der Verteidiger eine Einstellung des Verfahrens vor. Staatsanwaltschaft und Richter Neubeck stimmen zu, unter Auflage einer Geldstrafe in Höhe von insgesamt 3600 Euro. Verhandelt wird am Dachauer Amtsgericht nur der Zeitraum seit dem 30. Oktober 2017. Laut Richter Neubeck hatte die Geschädigte zu Protokoll gegeben, dass die ständigen Kontaktversuche schon viel früher losgegangen seien. Ob das stimmt, bleibt offen. Fest steht für den Richter aber, dass die Geschädigte trotz einiger Antworten auf Nachrichten der Angeklagten nie zu ihr Kontakt gesucht oder diesen gar gewünscht habe. Warum sie die Angeklagte nicht einfach geblockt hat, wird ebenso abschließend geklärt wie die Frage, warum die Angeklagte auch den Sohn der Geschädigten kontaktiert hat. Richter Neubeck fasst es so zusammen: "Die ganze Konstellation ist ziemlich absurd."

Die Angeklagte scheint von der ganzen Angelegenheit einerseits sehr mitgenommen zu sein, andererseits bittet sie darum, auch "ihre Version" erzählen zu dürfen. Richter Neubeck macht ihr klar, dass es für eine Einstellung des Verfahrens essenziell sei, dass er und die Staatsanwältin den Eindruck haben, dass die Angeklagte ihre Tat bereut. Die Staatsanwaltschaft äußert daran Zweifel: "Ich höre immer nur 'aber...'" Die Angeklagte besteht darauf, dass man die Vorgeschichte mit dem Mann der Geschädigten kennen müsse, um den Fall zu verstehen. Mit dem mittlerweile geschiedenen Mann habe sie zwar eine Affäre gehabt und sei auch immer noch im Kontakt, sie habe aber mehrmals versucht, das Verhältnis zu beenden. Die Angeklagte spricht leise und ist schwer zu verstehen, doch auf ihrem Standpunkt, nicht allein die Schuld zu tragen, beharrt sie. Ihr Verteidiger erklärt ihr, dass man das offenbarschwierige Verhältnis zwischen ihr und dem Mann nicht klären werden können, dass es darum in dieser Verhandlung aber letztendlich auch gar nicht gehe. Nach einigem Hin und Her bittet er um eine kurze Unterbrechung der Verhandlung. Die Parteien einigen sich auf eine Geldstrafe von 3600 Euro, zu zahlen in maximal sechs Raten.

Warum die unselige Affäre weiterläuft, bleibt auch nach der Verhandlung ein Rätsel

Die gelernte Industriekauffrau ist zwar ob ihrer schwierigen finanziellen Lage - sie ist seit zwei Jahren arbeitslos und lebt derzeit von 900 Euro im Monat - sichtlich schockiert über die Höhe der Geldstrafe. Ihr Verteidiger gibt ihr jedoch zu verstehen, dass ein Betrag darunter wegen ihrer Vorstrafe wegen Nötigung und der langen Dauer der Belästigung nicht in Frage komme. Immerhin erwirkt er im Sinne seiner Mandantin, dass diese nicht den kompletten Betrag an die Geschädigte überweisen muss, sondern die Hälfte, 1800 Euro, an das Dachauer Frauenhaus bezahlen kann.

Sie selbst hält das für die "allerbeste Lösung", weil sie, so lässt sie anklingen, als Frau sehr unter der Affäre gelitten habe. Warum sie, wie ihr Verteidiger im Vorfeld erklärt hatte, dennoch offenbar weiterhin eine Beziehung mit ebenjenem Mann unterhält, darauf liefert die Gerichtsverhandlung keine Antwort.

© SZ vom 26.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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