Ganztagsschule:Keine Kompromisse mehr

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Blasius Thätter, Bildungspolitiker im Un-Ruhestand. (Foto: Toni Heigl)

Den Schwabhausener Schulstreit nutzt der Bildungsexperte und ehemalige CSU-Landtagsabgeordnete Blasius Thätter aus Erdweg zu einem Plädoyer für die Ganztagsschule als staatlich verpflichtendes Angebot

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Blasius Thätter ist ein Mann des Kompromisses. Das war er gerne als Sprecher der CSU-Kreistagsfraktion, weil vor allem mit der SPD stets gut zu verhandeln war. Das war er manchmal notgedrungen als Landtagsabgeordneter und einer der bildungspolitischen Sprecher seiner Partei. Da prallten die eigenen pädagogischen Überzeugungen als ehemaliger Sonderschullehrer mehrmals auf die politischen Vorgaben der Fraktion. Dass aber der Bildungsausschuss des Landtags tatsächlich die Petition aus Schwabhausen ultimativ ablehnen könnte, den Zweig der gebundenen Ganztagsklasse an der dortigen Grundschule fortzusetzen, hat ihn gewundert und geärgert. "Ehrlich gesagt, ich habe das nicht geglaubt." Dabei fehlen für das nächste Schuljahr gerade mal drei Erstklässler. Und das Jahr darauf ist mit genügend Anmeldungen wegen steigender Kinderzahlen zu rechnen.

Deshalb wendet er sich jetzt als Fachmann an die Öffentlichkeit, um den ehemaligen Kollegen seiner Fraktion die Grundlagen einer zeitgemäßen Pädagogik eindringlich und öffentlich darzulegen. Seine Botschaft an die Bildungspolitiker im Landtag und die Beamten im Kulturministerium lautet: "Ein Ganztagszweig gehört als Regeleinrichtung an jede Schulart." Mit anderen Worten: Solche Debatten, wie im Petitionsausschuss, berücksichtigen nicht mehr ausreichend die Herausforderung der Schulen. Egal, ob Grundschule, Förderzentrum oder Gymnasium.

Damit rührt Blasius Thätter am Kern der Schulpolitik seiner eigenen Partei. Denn die CSU ist der Überzeugung, Ganztagsangebote oder echte Ganztagszweige seien nur dann einzurichten, wenn die Eltern den Bedarf tatsächlich anmelden. Nur dann könnten nachmittags entsprechende Kurse stattfinden. Eventuell würden sogar gebundene Klassen genehmigt, die sich von den üblichen Halbtagsklassen erheblich unterscheiden. Aber Blasius Thätter will nur noch solche richtigen Ganztagszweige, die seiner Ansicht nach ein neues und besseres Lernen gewährleisten. Und er will sie nicht fakultativ, je nach Bedarf, und auch nur dann, wenn sie dem Kultusministerium oder den Kommunen behagen. Er will sie als ständige und verbindliche Einrichtung.

Hinter dieser Erfahrung steckt die Erkenntnis, dass bisher vor allem diejenigen Eltern den Ganztagszweig oder Ganztagsangebote für ihre Kinder wählen, die "eh schon verantwortungsbewusst handeln". Deshalb erreichen solche Bedarfserhebungen seines Wissens kaum jenen Kreis von Schülern, der in Halbtagsklassen überfordert ist und diese Chance auf ein neues, rhythmisiertes Lernen braucht. Thätter sagt: "Ich gehe schon in Richtung Bildungsgerechtigkeit." Deshalb stellt sich für ihn "eine Gemeinschaftsaufgabe".

In seiner Zeit als Bildungspolitiker hatte sich Thätter vor allem für die Integration von behinderten und nicht behinderten Schülern eingesetzt. Das neue Wort dafür ist Inklusion. Jetzt sagt Thätter: "Ich kann bei Inklusion nicht nur von behinderten Kindern reden." Er fordert auch die Kinder zu sehen, die an Regelschulen aus welchen Gründen auch immer Hilfe und Unterstützung benötigten: "Man muss allen die gleiche Chance geben."

Nun hat sein Dachauer Nachfolger im Landtag, Bernhard Seidenath aus Haimhausen, als seinen Kompromiss vorgeschlagen, das aktuelle Pilotprojekt des Freistaats der "offenen Ganztagsschule" in Schwabhausen einzurichten. Dabei bleibt es beim Unterricht bis gegen Mittag. Danach folgt ein freiwilliges Nachmittagsprogramm. Thätter findet es gut, dass Seidenath nach einer Lösung gesucht hat. Aber er fragt als Fachmann: "Wie soll das gehen?" Die Halbtagsklasse, den Ganztagszweig, der an der zweiten bis zur vierten Jahrgangsstufe bestens funktioniert und zusätzlich noch den offenen Zweig? Seine Antwort ist eindeutig: "Eine kleine Schule wie Schwabhausen kann das nicht schaffen."

Deshalb hofft er jetzt vor allem auf Bürgermeister Josef Baumgartner (Freie Wähler). Es müsse ein Leichtes sein, fünf Eltern zu finden, die sich für das Erfolgsmodell entscheiden: "Alle Verantwortlichen in Schwabhausen sollten sich zusammentun, um zu zeigen, dass man sich vor Ort um die Bedeutung dieser schulischen Einrichtung bewusst ist, während man sich an höherer Stelle mit Rechenexempeln zufrieden gibt."

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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