Freising/Dachau:Reifendieb und Lügner

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Ein Münchner wird zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, ein Dachauer und ein Karlsfelder werden freigesprochen

Von Peter Becker, Freising/Dachau

"Lügner" ist ein hartes Wort. Als Lügner bezichtigte ein ehemaliger Polizist, der vor Kurzem am Freisinger Amtsgericht als Zeuge geladen war, einen 23-jährigen Angeklagten. Richter Manfred Kastlmeier hielt dessen Geständnis, in einem Gebrauchtwagencenter im Echinger Gewerbegebiet sechs Reifensätze in einem Gesamtwert von 24 000 Euro gestohlen zu haben, dennoch für "belastbar". Das Schöffengericht verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten. Seine beiden Mitangeklagten, ein 30-jähriger Karlsfelder und ein 28-jähriger Dachauer, erhielten dagegen die Freisprüche, die ihre Anwälte auch gefordert hatten. Der Angeklagte aus München hatte in seinem Geständnis behauptet, die beiden hätten an dem Diebstahl mitgewirkt.

Der Angeklagte sagte, der Dachauer habe ihn zur Tat angestiftet, weil er wusste, dass er in Geldnöten gewesen sei. Pro Reifensatz sollte er 200 Euro bekommen. An einem Tag im Dezember 2013 fuhr er mit einem Transporter mit der Aufschrift eines Dachauer Malerbetriebs auf das Gelände des Gebrauchtwagenhändlers und lud das vorbereitete Diebesgut ein. Das Auto war dabei auf einer Überwachungskamera zu sehen. Der mitangeklagte Karlsfelder durfte über den Wagen verfügen und soll ihn dem Angeklagten zum Abtransport der Reifen überlassen haben. Der 30-jährige Mann bestritt dies vor dem Schöffengericht. Er habe ihm den Lieferwagen lediglich geliehen, weil er dachte, das Fahrzeug werde für einen Möbeltransport gebraucht. Der mitangeklagte Dachauer beteuerte ebenfalls seine Unschuld. Sein ehemaliger Chef habe den Münchner dazu angestiftet, ihn als Dieb zu beschuldigen.

Der Vorarbeiter, zugleich wohl auch Betreiber eines Subunternehmens, das für die Niederlassung in Eching Autos aufbereitet, hatte sehr wohl ein Interesse daran, den Diebstahl aufzuklären. Schließlich drohte ihm der Verlust eines lukrativen Auftrags. In der Niederlassung war es öfter zu Diebstählen gekommen. Der als Zeuge geladene Polizist nannte einen Schaden von insgesamt 475 000 Euro. Diese Summe hatte ihm der Leiter des Gebrauchtwagencenters genannt. Der Chef des Subunternehmens beschuldigte schnell Münchner, der den Diebstahl gestand. "Er hat den Stein ins Rollen gebracht", sagte der Polizist im Zeugenstand. Sonst wäre der Diebstahl wohl nie aufgeklärt worden. Die Reifensätze sind bis heute unauffindbar.

Die Staatsanwältin leitete in ihrem Plädoyer aus dem Gesamteindruck, den der Münchner vermittelte, wegen einer ungünstigen Sozialprognose eine Haftstrafe ohne Bewährung ab. Dem widersprach Richter Kastlmeier. Der Angeklagte sei in eine intakte Familie eingebunden. Der Richter wollte ihn auch nicht als Lügner abstempeln, obwohl seine Aussage Widersprüche aufwies. Auf Fragen des Verteidigers Sewarion Kirkitadse, die seinen aufwendigen Lebensstil betrafen, gab er zunächst ausweichende, dann keine Antworten mehr. Verteidiger Konstantin Tomanke hielt dem Münchner unwahrheitsgemäße Stundenzettel und Gehaltsabrechnungen vor. Der Angeklagte hatte behauptet, bis zu 300 Stunden im Monat gearbeitet und dabei 2200 Euro verdient zu haben. Die Aufzeichnungen wies aber nur eine Beschäftigung auf 400-Euro-Basis auf.

Der Richter verband die Bewährungsstrafe damit, dass der Angeklagte den Schaden in 250-Euro-Raten begleichen müsse. Sollte er keine Arbeit finden, muss er einen Tag in der Woche Sozialdienste verrichten. Den Mitangeklagten konnte das Schöffengericht kein Mitwirken am Diebstahl nachweisen. "Im Zweifel zu Ihren Gunsten", begründete Kastlmeier den Freispruch.

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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