Flüchtlinge und Sportvereine:Neue Mitspieler

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Der TSV Eintracht Karlsfeld hat sich einen Grundsatz zur Toleranz in die Satzung geschrieben. Andere Vereine halten das nicht für nötig.

Von Julian Erbersdobler, Dachau

Die Botschaft des TSV Eintracht Karlsfeld ist unmissverständlich: Gewalt und Fremdenhass haben im größten Sportverein des Landkreises mit mehr als 4000 Mitgliedern nichts zu suchen. So steht es nun auch in der Satzung. Mit dieser Einstellung sind die Karlsfelder freilich nicht alleine. Auch andere Dachauer Sportvereine setzen sich für eine Willkommenskultur ein. "Ich freue mich sehr über das deutliche Signal des TSV, aber natürlich ist es jetzt nicht zwangsläufig nötig, dass jeder die Satzung ändert", sagt Landrat Stefan Löwl (CSU). Vielmehr gehe es um die konkrete Umsetzung: die Integration von Flüchtlingen in den Vereinen.

Während Mitglieder mit Migrationshintergrund in Karlsfeld schon länger Teil der Identität des Vereins wie auch der Gemeinde sind, ist das für andere Sportvereine noch Neuland. "Bei uns kicken seit wenigen Monaten unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Verein", sagt Karl Dietrich vom SV Weichs. Dafür sei ein eigenes Training ins Leben gerufen worden, die Fußballschuhe stelle der Verein zur Verfügung. Unverständnis zeigt er dagegen für den Schritt des TSV Karlsfeld: "Ich halte es für einen Schwachsinn, das in der Satzung festzuschreiben." Es sei selbstverständlich und fester Bestandteil des Sports, Integration zu leben, sagt er. "Im Sport spielt die Hautfarbe keine Rolle."

Integration als Grundaufgabe

Claudia Heinzel, Schriftführerin des TSV Dachau 1865, berichtet, dass sie lediglich von wenigen Flüchtlingen weiß, die das Probetraining der Basketballabteilung besuchen. "In nächster Zeit werden wir uns mit diesem Thema mit Sicherheit häufiger beschäftigen", so Heinzel. Gerade sei die Zahl an Flüchtlingen beim TSV noch überschaubar. "Wir sind bereit, auf Nachfrage, auch spezielle Angebote auf die Beine zu stellen", sagt sie. Schließlich könne der Sport die Integration erleichtern - auch ohne Satzungsänderung.

Wichtig sei die Umsetzung, weniger die Satzung, sagt der Geschäftsführer des ASV Dachau, Andreas Wilhelm. "Wir haben einen Ehrenkodex, an den sich alle Mitarbeiter im Verein halten müssen." Die Integration von Flüchtlingen bezeichnet Wilhelm als Grundaufgabe jedes Vereins. Wie gut das funktioniere, könne man schon jetzt bei Fußballspielen des ASV beobachten.

In Hebertshausen hält sich die Zahl der Flüchtlinge, die Angebote des örtlichen Sportvereins wahrnehmen, in Grenzen. Der Vorsitzender Marko Schwarz sei aber im "regelmäßigen Austausch" mit Bürgermeister Richard Reischl (CSU). "Im kommenden Frühjahr werden voraussichtlich neue Flüchtlinge in Hebertshausen erwartet", sagt er. Natürlich sei es dann auch Aufgabe des Sportvereins, sich an der Integration zu beteiligen. Wie gut das funktionieren kann, weiß er aus eigener Erfahrung: "Die ersten Flüchtlinge kamen vor knapp zwei Jahren zum Fußballtraining", erinnert er sich. Heute seien sie keine Asylbewerber mehr, sondern Hebertshausener.

Sport kann Grenzen überwinden

Während die Bereitschaft, Flüchtlinge über den Sport im Landkreis zu integrieren, stark ausgeprägt ist, herrscht dagegen bei einem Thema noch weitgehend Ratlosigkeit: Versicherungen. Wer muss dafür aufkommen? Und was passiert, wenn es nicht mehr, wie bisher in den meisten Vereinen, nur um Einzelfälle geht? "Die Sportversicherung für Flüchtlinge und Asylbewerber übernimmt der Bayerische Landes-Sportverband (BLSV)", sagt Geschäftsführer Thomas Kern. Einzige Bedingung ist die Mitgliedschaft des Vereins im BLSV und das sei bei allen Vereinen im Landkreis der Fall. "Flüchtlinge können auch ohne Meldung an den Sportverband Angebote wahrnehmen", erklärt Kern.

Die Initiative "Nie Wieder - Erinnerungstag im Deutschen Fußball" der evangelischen Versöhnungskirche in Dachau hat bereits vor zehn Jahren erkannt, wie wichtig es ist, sich im Sport gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu engagieren. "Sport kann Grenzen überwinden und Brücken schlagen", sagt Gründer und Sprecher Eberhard Schulz, der das Projekt am 27. Januar 2004 ins Leben rief. Seither setzen sich Vereine und Fans rund um die Spieltage des Termins für eine würdige Gedenkkultur und gegen Diskriminierung in Stadien ein, beispielsweise mit Führungen durch das ehemalige Konzentrationslager. Schulz: "Diese Fans gehen dann mit einem ganz anderen Gefühl ins Fußballstadion und wieder nach Hause."

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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