Festival "Riding Higher":"Da bin ich richtig stolz auf euch"

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Streitet gern mal mit der Polizei: Hans Söllner. (Foto: fokus visuelle kommunikation Rol; Bernhard Müller)
  • Die Veranstalter des Festivals "Riding Higher" in Odelzhausen werden für ihren zivilen Ungehorsam gefeiert. Unter den Unterstützern ist Liedermacher Hans Söllner.
  • Weil die Festivalveranstalter einen angekündigten Polizeieinsatz für überzogen hielten, sorgten sie dafür, dass alle Zivilfahnder als solche erkennbar waren.

Von Benjamin Emonts, Odelzhausen

Vor 15 Jahren klagte der bayerische Liedermacher Hans Söllner erfolglos darauf, Marihuana rauchen zu dürfen, mehrfach wurde wegen Besitzes von Betäubungsmitteln gegen ihn ermittelt - ohne Ergebnis. Der rebellische Musiker und die bayerische Polizei, die für ihr hartes Vorgehen gegen Cannabis-Konsumenten bekannt ist, verbindet schon lange eine tiefe gegenseitige Abneigung.

Umso größer ist nun die Begeisterung des 59-Jährigen über das Reggae-Festival "Riding Higher" in Odelzhausen. Dessen Veranstalter ließen einen Polizeieinsatz gegen kiffende Besucher blamabel scheitern. "Da möchte ich auch mal spielen", frohlockte Söllner auf seiner Facebook-Seite.

Das kleine Benefizfestival, das alle zwei Jahre am Ortsrand von Odelzhausen stattfindet, ist quasi über Nacht bundesweit bekannt geworden. Im Vorfeld der Veranstaltung hatte die Dachauer Polizei angekündigt, mit bis zu 45 Zivilfahndern nach Betäubungsmitteln auf dem Festivalgelände zu suchen.

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Den Veranstaltern gefiel das gar nicht: Durch das massive Auftreten der Beamten sahen sie ihr Festival existenziell bedroht. Als Reaktion weigerten sie sich, der Polizei die üblichen Eintrittsbändchen auszuhändigen und kündigten deren Präsenz über Lautsprecher an. Die Zivilfahnder konnten sich dadurch nicht unerkannt auf dem Gelände bewegen - der zivile Ungehorsam der Veranstalter zwang die Polizei noch am ersten Festivalabend, den Einsatz abzubrechen. "Da bin ich richtig stolz auf euch, Leute und Veranstalter und Besucher vom Riding-Higher-Festivals", lobte Söllner.

"Heulsuse der Woche"

Seine Wortmeldung ist der Höhepunkt einer regelrechten medialen Flutwelle, die nach dem missglückten Einsatz über die Dachauer Polizei hereingebrochen ist. Schließlich wurde während des dreitägigen Festivals kein einziger Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt, wie die Polizei selbst zugeben musste. Der Dachauer Inspektionsleiter Thomas Rauscher reagierte stinksauer. Wer die Polizeiarbeit derart boykottiere, habe wohl etwas zu verbergen, teilte er mit. Und machte die Sache damit nur noch schlimmer. Das Lifestyle-Magazin Vice etwa erklärte die Bayerische Polizei zur "Heulsuse der Woche".

In den sozialen Netzwerken wurden die Berichte über den Polizeieinsatz hundertfach geteilt, geliked und hämisch kommentiert. Ob die Polizei denn nichts besseres zu tun habe, als friedlich feiernden Menschen nachzustellen. Die Rede war von verschwendeten Steuergeldern, Diskriminierung und Skrupellosigkeit. Selbst der Nachrichtensender N24 griff die Vorgänge auf und titelte: "Polizei blamiert sich bei Riding Higher." Das Cannabis-Magazin "Hanfjournal" verurteilte den Polizeieinsatz erwartungsgemäß als "unverhältnismäßig und schikanös".

Veranstalter erwarten eine Entschuldigung von der Polizei

Den Veranstaltern aber schlug eine Welle der Sympathie, des Respekts und des Lobes entgegen. Sie wurden zu Vorbildern erklärt, an denen sich jeder Festivalveranstalter ein Beispiel nehmen sollte. Hans Söllner schrieb anerkennend: "Das hätte ich mir einmal von den Veranstaltern vom Chiemsee Reggae gewünscht." Die Verantwortlichen des kleinen Vereins Move-Together - plötzlich sind sie Helden und Symbol des zivilen Ungehorsams gegen eine Staatsmacht, die mit einer völlig unverhältnismäßigen Strafverfolgungswut gegen ein paar Freizeitkiffer vorgeht.

Die Organisatoren bleiben trotz der medialen Aufregung auf dem Teppich. "Natürlich freuen wir uns über die vielen wohlwollenden Kommentare und sind auch stolz", sagt Pressesprecher und Grünen-Kreisrat Ludwig Gasteiger. In erster Linie erwarte der Verein Move Together aber eine Entschuldigung der Polizei, von der er diffamiert und zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt worden sei. "Wir sind jederzeit für ein klärendes, persönliches Gespräch bereit." Dass das Riding Higher nun landesweit Bekanntheit erlangt hat, sieht Gasteiger zwiespältig. Schließlich soll das Festival, das ursprünglich mal eine Hand voll Freunde mit 300 Gästen veranstaltet hat, seinen familiären Charakter beibehalten.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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