Erster Dachauer Poetry-Slam:Von Franz Josef Strauß und dem Wunschbrunnen

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Der erste Poetry-Slam in der Dachauer Kultur-Schranne lockt ein breites Publikum. Das hat Spaß und erlebt gleich zwei Sieger.

Anna Schultes

"Wer war schon mal bei einem Poetry Slam?", fragt Moderator Rayl Patzak in die Runde. Nur vereinzelt sieht man ein paar Hände, die sich zögerlich heben. Für viele ist es das erste Mal, dass sie einen modernen Dichter-Wettstreit dieser Art besuchen. Und es ist auch der erste Slam, der in der Kultur-Schranne in der Altstadt stattfindet. Aber das Dachauer Publikum ist offen für Neues und gespannt, was es an diesem Abend zu hören bekommt. Alle Plätze sind besetzt. Viele junge Leute sind gekommen, aber nicht ausschließlich. Die Zuschauer haben es sich gemütlich gemacht, sitzen zusammen an den dunklen Holztischen, essen, trinken, plaudern.

Dachaus erste Poetry-Slam-Sieger: Moritz Kienemann und Pauline Füg. (Foto: www.joergensen.com)

Alte Hasen im Geschäft hingegen sind Ko Bylanzky und Rayl Patzak, die gemeinsam durch den Abend führen. Seit vielen Jahren veranstalten sie unter anderem einmal monatlich in dem Münchener Klub "Substanz" den Munichslam, einen der größten Slams weltweit. Bevor es losgehen kann, erklären die beiden Moderatoren kurz die wichtigsten Regeln: Die vorgetragenen Texte müssen selbst verfasst sein, und es gibt ein Limit von fünf Minuten. Kostüme, ein Bühnenbild oder reine Gesangstücke sind nicht erwünscht. Wer gewinnt, entscheidet das Publikum. "Zum Abstimmen könnt ihr alle Körperteile benutzen", sagt Patzak. "Die Tische und der Boden hier halten so einiges aus."

Nach einem kurzen Probedurchlauf startet das Programm. Acht Poeten sind zu Gast beim ersten "Schrannen-Slam", darunter auch Dichter, die sich in der Szene bereits einen Namen gemacht haben. Etwa der Berliner Frank Klötgen, der schon mehrmals im Finale der deutschen Meisterschaften stand. Oder der erst 20-jährige Moritz Kienemann, der im Mai Bayerischer Poetry-Slam-Vizemeister wurde.

In zwei Blöcken präsentieren die Slammer ihre Werke, manche davon zum ersten Mal. Von unsichtbaren Ritterrüstungen, Oktaven und Terzen, Gehirnwaschsalons, Wunschbrunnen und Franz Josef Strauß erzählen sie; reimen, flüstern und schreien. Witzige Texte sind dabei, nachdenkliche, traurige und hoffnungsvolle. Und das Publikum lässt sich mitreißen, klatscht, pfeift und trommelt. Pauline Füg, eben erst mit dem Preis des Literaturfestivals Literatur Update ausgezeichnet, und Moritz Kienemann ziehen ins Finale ein. Beide sind großartig, jeder auf seine ganz eigene Art und Weise. Genau hören sich die beiden Moderatoren die Reaktionen des Publikums an und entscheiden am Ende: Beide Poeten gewinnen den ersten "Schrannen-Slam". Geldpreise sind nicht üblich, die Sieger bekommen diesmal je eine Flasche Wodka. Der erste Poetry Slam fand 1986 in der Green Mill Tavern in Chicago statt. Bylanzky und Patzak waren schon dort, am Geburtsort des modernen Dichter-Wettstreits. 24 Jahre später ist der Slam endlich auch in der Kreisstadt Dachau ankommen. Und man kann nur hoffen, dass er dort verweilt.

Der nächste Poetry Slam in der Dachauer Kultur-Schranne findet in knapp einem Monat, am Donnerstag, 16. Dezember, statt. In Zukunft soll es die Veranstaltung einmal im Monat geben. Teilnehmen können ernste Lyriker ebenso wie schräge Performer. Anmeldung beim Kulturamt unter der Telefonnummer 08131/75287.

© SZ vom 20.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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