Viele Dachauer und Münchner werden sich noch erinnern an das Theaterprojekt "Dachau//Prozesse". Karen Breece hat es vor drei Jahren unter großem Medienecho inszeniert. Es basiert auf Protokollen der 489 Militärgerichtsprozesse, die 1945 bis 1948 auf dem Gelände der ehemaligen SS-Garnison in Dachau stattgefunden hatten. Von 426 verhängten Todesurteile wurden 268 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg am Lech vollstreckt. Außerdem entdeckte Breece einen Briefwechsel zwischen dem KZ-Kommandanten Martin Gottfried Weiß und seiner Frau Lisa, in der sie die Zeit in Dachau, vor allem das Jahr 1943, als die schönste ihres Lebens beschreibt.
Dagegen setzte Breece das Leid und das Sterben der Häftlinge im sogenannten Schutzhaftlager, Zaun an Zaun mit der SS-Garnison, unter anderem die Erinnerungen eines US-Soldaten, sein anhaltendes Entsetzen über den Terror an den Häftlingen. Im Zentrum des Stücks stand das Verhör von Weiß, der für seine Kriegsverbrechen gehängt wurde. Publikum und Presse waren von der Aufführung tief beeindruckt. Jetzt greift Karen Breece den Kerngedanken ihres Theaterstücks in Form einer szenischen Lesung wieder auf. Anders als 2014 wird diese nicht am Originalschauplatz, auf dem Gelände der heutigen Bereitschaftspolizei in Dachau, stattfinden. Das Stück wurde in dem historischen Gebäude der Schneiderei, in der die SS-Uniformen genäht wurden und eben später die Prozesse stattfanden, aufgeführt. Die Lesung soll im NS-Dokumentationszentrum in München sein.
Die Frage nach der Menschlichkeit
Ob die Wirkung der Texte ebenso intensiv sein wird, wie in den historischen Räumen, wo die Geschichte viel präsenter ist, wird sich zeigen. "Man kann das nicht vergleichen. Jetzt wird der Fokus stärker auf dem Text liegen", sagt der Kulturamtsleiter der Stadt Dachau, Tobias Schneider, der bei der neuen Textfassung mitgewirkt hat. Eine Wiederholung des Theaterstücks kann es jedenfalls nicht geben. "Es war damals schwer eine Genehmigung zu bekommen, um an den historischen Stätten spielen zu können", erinnert sich Schneider. "Es ist ein Hochsicherheitsgelände. Der Leiter der Bereitschaftspolizei war damals sehr aufgeschlossen. Aber es gab eine klare Absprache, dass es ein einmaliges Projekt ist." Mehr als 1000 Besucher haben die Aufführungen gesehen. Breece empfindet es als große Auszeichnung, dass ihr Stück jetzt noch einmal, auf eine Bühne kommt, umgearbeitet zu einer szenischen Lesung, bei der die Konzentration auf den dramatischen Text seinen Kerngedanken vielleicht noch deutlicher hervortreten lässt.
Die Laiendarsteller René Rastelli (KZ-Kommandant Weiß), Dominik Härtl (Verteidiger) und der Schauspieler Sebastian Mirow (Ankläger) sind wieder dabei. Den Chor der Häftlinge sprechen Ernst Konwitschny, Angelika Mauersich und Verena Wildmoser. Im Fokus steht die Frage: Wie ist es möglich, dass die SS-Männer ein glückliches Familienleben führten und wenige Hundert Meter weiter Häftlinge quälten und töteten? Es ist die Frage nach Menschlichkeit, nach Schuld. Die Lesung findet am Donnerstag, 27. April, statt. Sie beginnt um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.