Ukrainische Geflüchtete im Landkreis Dachau:Unterkunft ist nicht gleich Unterkunft

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Stehen aktuell leer: Die Container neben der neuen Asylbewerberunterkunft in Erdweg. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Gastfamilie, Sammelunterkunft in Holzständerbauweise oder Container: Flüchtlinge im Landkreis haben unterschiedliche Wohnbedingungen. Vor allem Containeranlagen müssten schon lange der Vergangenheit angehören, kritisieren Asylhelfer.

Von Anna Schwarz, Erdweg/Petershausen

Auf der grünen Wiese liegen eine Sandkastenmuschel und ein Kinder-Rasenmäher, auf der Terrasse stehen Gartenmöbel und Topfpflanzen, an diesem Vormittag ist es ruhig in der Erdweger Asylunterkunft. In einem der beiden neuen Geflüchtetenhäuser wohnen ausschließlich Ukrainer und Ukrainerinnen, in dem anderen Haus Menschen aus Afrika und Afghanistan, insgesamt sind dort 59 Erwachsene und 26 Kinder untergebracht - aktuell ist kein Platz mehr frei. Nachdem der Krieg in der Ukraine am 24. Februar begonnen hatte, kamen bereits im März die ersten ukrainischen Flüchtlinge hier in in Erdweg an.

Die Häuser in Holzständerbauweise sind Vorzeigeunterkünfte, blitzeblank, mit Holzwänden ausgestattet, es gibt einen Fahrradunterstand und einen kleinen Garten - damit können andere Containerunterkünfte im Landkreis nicht mithalten. Die Petershauser Containerunterkunft steht zum Beispiel schon seit der Flüchtlingswelle vor rund sieben Jahren, sagt Joachim Jacob, Vorsitzender des örtlichen Helferkreises: "Eigentlich sind alle Beteiligten davon ausgegangen, dass es nur eine Übergangslösung ist. Die Container müssten schon lang weg sein, dort ist es viel zu eng." So würden das auch Asylhelfer in anderen Landkreisgemeinden mit Containern sehen, sagt Jacob.

Bewohner und Helfer aus Petershausen haben die Wohnbedingungen in den Containern am Ortsrand schon in der Vergangenheit immer wieder kritisiert: "Im Sommer ist es darin sehr heiß, und im Winter sind die Böden total kalt", deswegen wären Teppiche nützlich. "Aber die können wir wegen des Brandschutzes nicht auslegen", ärgert sich Jacob. Er hofft sehr auf die bereits geplanten Häuser in Holzständerbauweise in seinem Ort: "Darin sind die Wohnverhältnisse hoffentlich nicht mehr so beengt. In der Containerunterkunft teilen sich momentan rund 30 Personen eine Küche!" Noch dazu gibt es "wegen der abgelegenen Lage der Unterkunft" nicht einmal Wlan: "Während der Corona-Zeit war das besonders schlimm. Währenddessen mussten einige Berufsschüler zum Marktplatz gehen, um dort am Homeschooling teilzunehmen."

"Die Unterbringungsnot könnte noch größer werden."

Auch für Bürgermeister Marcel Fath (Freie Wähler) sei "die Situation in den Containern schon lange untragbar. Die Menschen leben fürchterlich zusammengepfercht und bei einer hohen Lärmkulisse." Auch die Corona-Situation war eine Herausforderung bei dieser beengten Wohnsituation: Denn wenn jemand sich infiziert hat, musste der ganze Container in Quarantäne und "die Leute waren eingesperrt". Die beiden Geflüchteten-Häuser könnten die Lage entspannen. "Und wir könnten dafür Sorge tragen, dass wir die Menschen auch menschenwürdig unterbringen."

Die Häuser am Petershauser Ortsausgang seien zwar schon in Planung, aber Fath sagt: "Leider haben wir dafür noch keine Genehmigung von der Staatsregierung." Das macht ihm Sorgen, schließlich könnte die Unterbringungsnot in Zukunft weiter steigen: "Ich kann mir vorstellen, dass der Druck größer wird und zum Beispiel Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten zu uns kommen, weil dort die Lebensmittelsicherheit nicht mehr gegeben ist."

Außerdem kommen er und seine Bürgermeisterkollegen wegen des sogenannten Rechtskreiswechsels aktuell in die Bredouille: Durch den Beschluss des Bundeskabinetts müssen sich seit Anfang Juni die Gemeinden, in der die anerkannten Geflüchteten wohnen, um deren Unterbringung kümmern. Das bedeute, dass Gemeinden neue Unterkünfte schaffen müssten, sagt Sina Török, Sprecherin des Landratsamtes. "Aber sie können die Unterkünfte auch nicht über Nacht bauen, weil sie keine Bauflächen haben."

Deshalb hofft Bürgermeister Fath, dass der Freistaat wie in der Vergangenheit duldet, dass auch anerkannte Flüchtlinge weiterhin in Asylbewerberunterkünften leben - als sogenannte Fehlbeleger. Außerdem fordert er: "Der Freistaat muss mehr Unterkünfte bauen. Wir als Gemeinden können das nicht schaffen." In Petershausen gebe es zwar eine Obdachlosenunterkunft, die theoretisch auch für Ukrainer und Ukrainerinnen zur Verfügung steht - doch darin können lediglich vier Einzelpersonen und eine Familie wohnen.

So idyllisch wie in der Erdweger Unterkunft sieht es nicht überall aus, dort können die Flüchtlinge sogar einen Garten nutzen. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Vom Container in die Sammelunterkunft zog Charles Eleodimuo um, dort lebt er unter anderem mit Sohn Leo. Küche und Bad teilen sie sich mit einer weiteren Familie. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Weniger beengt sind die Wohnverhältnisse in der Erdweger Unterkunft, dort hat eine Familie sogar ein Wohnzimmer. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Auch Charles Eleodimuo kennt die Nachteile eines Lebens im Container. Er stammt aus Nigeria, wohnt seit rund zwei Jahren in Erdweg und zog erst vor Kurzem in das neue Geflüchtetenhaus um. Seine einstige Bleibe, die Container, stehen direkt neben der neuen Unterkunft und sehen heruntergekommen aus. Was aus ihnen wird, ist unklar: "Aktuell stehen sie leer", sagt Kümmerer Jürgen Bernhard. Charles Eleodimuo ist froh, dass er mit seiner Frau und den beiden Kindern umziehen durfte: "Mir gefällt es gut hier, denn hier ist es nicht so heiß wie in den Containern." In Erdweg teilen sich sechs Personen ein etwa zehn Quadratmeter großes Bad und eine Küchenzeile.

Eine der angenehmsten Unterbringungen ist wohl die Gastfamilie: "Wir freuen uns für die Ukrainer und Ukrainerinnen, die beinahe alle privat untergekommen sind", sagt Jacob: "Das hätten wir uns auch für Flüchtlinge aus anderen Ländern gewünscht, aber das klappt nicht." Auch in Hebertshausen sind die meisten ukrainischen Flüchtlinge nicht in einer Sammelunterkunft, sondern privat untergebracht: 45 von ihnen leben in Gastgeberfamilien, weitere 18 Flüchtlinge in einem Boardinghaus in Hebertshausen.

Doch Bürgermeister Richard Reischl (CSU) weiß, dass die Unterbringung in den Gastfamilien nicht für die Ewigkeit ist: "Ich rechne damit, dass die meisten Familien nach sechs Monaten oder maximal einem Jahr als Gastgeber aufhören möchten." Zwei Familien aus Hebertshausen haben dies bereits getan - daraufhin kam eine ukrainische Familie bei anderen Gastgebern unter, die andere Familie im Boardinghaus.

Aber wenn weitere Gastgeber aufhören, hat die Gemeinde bereits vorgesorgt und möchte einen weiteren Teil des Boardinghauses anmieten, wo rund 45 Menschen leben könnten. Allerdings gebe es dort weniger Privatleben als in den Gastfamilien, so Reischl: Schlafen müssten dort alle in einem großen Schlafsaal, ein Wachdienst müsste angestellt werden. Was Reischl da beschreibt, klingt fast nach den Asylunterkünften, die für viele Geflüchtete, die schon lange in Deutschland leben, traurige Normalität ist.

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