Entscheidung im Kreisausschuss in Dachau:Nachhaltigkeitsstrategie scheitert am Geld

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Experten stellen den Kreisräten verschiedene Modelle vor - aber die Verwaltung ist in der Corona-Krise ohnehin überlastet, und die Mehrheit will momentan eine neue Stelle nicht schaffen. Das Thema wird auf Frühjahr vertagt

Von Jacqueline Lang, Dachau

Der Landkreis Dachau will eine Nachhaltigkeitsstrategie. Das soll sich schon in den Beschlussvorlagen der Verwaltung niederschlagen. Weil das Thema Nachhaltigkeit allerdings ein sehr facettenreiches ist, hat sich der Landkreis professionelle Unterstützung geholt: die "Partnerschaft Deutschland (PD) - Berater der öffentlichen Hand". Die Beratungsstelle, die Landkreise und Gemeinden berät, wurde deshalb "mit der Ausarbeitung und Implementierung von Nachhaltigkeitsprüfkriterien" beauftragt. Bereits im Juli dieses Jahres fand ein erster Workshop statt, nun hat die PD den Kreisräten in einer Sitzung des Umwelt-, Verkehrs sowie Kreisausschusses mehrere Möglichkeiten der Herangehensweise vorgestellt. Die PD hatte vorgeschlagen, eine Voll- oder zumindest Teilzeitstelle zu schaffen, die sich mit dem Thema beschäftigt. Die Kreisräte entschieden sich aufgrund der angespannten Haushaltslage jedoch dagegen und wollen es nun zunächst mit einem Team aus Ehrenamtlichen versuchen.

Insgesamt stellte die PD drei mögliche Nachhaltigkeitstools vor: das sektorenspezifische, das verwaltungsinterne und die politische Bewertung. Vorweg nahmen die Berater allerdings gleich eines: "Eine komplett objektive Beratung ist sehr schwierig." Vor allem auch deshalb, weil dem Landkreis bislang eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie fehlt. Grundsätzlich lasse sich aber sagen, dass es bei der sektorenspezifischen Bewertung darum geht, sich einzelne Teilbereiche herauszugreifen und diese zu behandeln. "Die Bewertung ist eher praxisorientiert und wird durch die zuständigen Bereiche durchgeführt", heißt es dazu in der Präsentation. Die verwaltungsinterne Bewertung kann im Vergleich dazu innerhalb der Verwaltung sowohl kollektiv oder individuell erfolgen. Die politische Bewertung wiederum erfolgt durch die Kreisräte in den Gremien auf Basis eigener Leitlinien beziehungsweise auf Basis der bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie.

Die PD-Berater erklärten, sie favorisierten Variante zwei, sprich die Bewertung durch die Verwaltung. Ideal sei hierfür die Schaffung einer Vollzeitstelle für das Nachhaltigkeitsmanagement und die Erstellung eines eigenen Leitbilds. Die Kosten für die weitere Beratung bei der Umstellung der gesamten Verwaltung schätzte die PD in diesem Fall auf 150 000 bis 300 000 Euro. Kostengünstiger wäre mit 50 000 Euro eine Einstiegsvariante, die zunächst nur eine prototypische Version eines Leitbilds vorsieht sowie eine Halbtagsstelle, unterstützt durch die PD mit einigen Coachings. Für den Landkreis, der die finanziellen Folgen der Pandemie noch nicht einschätzen kann, viel Geld - denn die Kosten für die neue Stelle sind nicht mit eingerechnet.

Zu viel Geld, wie eine Mehrheit an Kreisräten fand. Kreisrätin Marese Hoffmann, Fraktionssprecherin der Grünen, sprach sich ebenso wie die Berater für eine verwaltungsinterne Bewertung aus. Themen wie etwa Klimaschutz müssen von Anfang an mitgedacht werden und jemand müsse sich federführend darum kümmern. SPD-Fraktionssprecher Harald Dirlenbach indes appellierte an den "gesunden Menschenverstand". Der müsse ausreichen. Von neuen Stellen bat er Abstand zu nehmen und plädierte dafür, eine Mischung aus verwaltungsinterner und politischer Beratung anzustreben. Peter Heller (Bündnis für Dachau) hielt dagegen, dass es keinesfalls reiche, an den gesunden Menschenverstand zu appellieren, das zeige doch letztlich allein die Tatsache, dass die Diskussion darüber überhaupt notwendig sei. Landrat Stefan Löwl (CSU) gab zu Bedenken, dass es innerhalb der Verwaltung schon jetzt an Kapazitäten fehle. "Wir sind voll." Leonhard Mösl (ÖDP) sagte, die Mitarbeiter in der Verwaltung würden gute Arbeit leisten, bräuchten aber Unterstützung. Darüber, dass ausgerechnet die SPD sich gegen eine neue Stelle aussprach, zeigte sich Mösl verwundert. Immerhin sei sie es doch gewesen, die vor nicht allzu langer Zeit den Klimanotstand für den Landkreis habe ausrufen wollen.

Stefan Kolbe stellte für die CSU den Antrag, die Entscheidung zu vertagen und abzuwarten, wie sich die Haushaltsplanung für 2021 entwickele. Marese Hoffmann indes plädierte für einen Kompromiss. Ihr sei klar, dass 50 000 Euro in der jetzigen Situation viel Geld seien, sie schlug deshalb einen Nachhaltigkeitsbeirat mit Mitgliedern "aus den eigenen Reihen" vor. "Das kostet gar nichts." Auch Parteifreund Arthur Stein sagte, es müsse in dieser Sache vorwärtsgehen. Kreisrat Franz Obesser (CSU) sagte, niemand bezweifle, dass "wir etwas tun müssen". Aber es müsse doch auch jedem klar sein, dass es ohne die Fachabteilungen nicht zu machen sei und die seien nun einmal schon "am Limit". Er warne davor, eine Stelle zu schaffe.

Löwl schlug vor, den Antrag auf das kommende Frühjahr zu vertagen, wenn mehr Klarheit über die Finanzen bestehe. Bis dahin werde er aber mit Vertretern aller Fraktionen ein bis zwei Workshops abhalten und das Thema so vorantreiben. Die PD werde man zu den Workshops dazu bitten. Einstimmig entschieden sich die Kreisräte schließlich für diesen Kompromiss.

© SZ vom 18.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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