Eine unvergessene Persönlichkeit:Wohltäter, Künstler, Widerstandskämpfer

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Vor 50 Jahren rief Syrius Eberle eine Stiftung ins Leben, die noch heute einen Kindergarten und ältere bedürftige Dachauer unterstützt. Seine berühmten Glasmalereien sind in einigen Kirchen im Landkreis zu sehen. Auch als Nazi-Gegner wirkt er immer noch nach

Von Walter Gierlich, Dachau

Dieser Tage ist es ein halbes Jahrhundert her, dass die Syrius-und-Emma Eberle-Stiftung ins Leben gerufen wurde. Ein Jubiläum, an das auch Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) in der jüngsten Stadtratssitzung erinnerte, werden mit Geldern aus der Stiftung doch seit nunmehr 50 Jahren der Kindergarten Nazareth und ältere bedürftige Dachauer unterstützt. Wer aber war dieser Syrius Eberle, der der Stadt kurz vor seinem Tod 1967 mehrere Grundstücke übertragen hat?

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(Foto: Toni Heigl)

Syrius Eberle war ein Meister der Glasmalerei. Allein im Landkreis Dachau sind in 15 Kirchen Glasfenster oder Glasgemälde aus seiner Hand zu finden.

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(Foto: Toni Heigl)

Seine schönsten Bilder sind nach Ansicht von Experten in der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul in Asbach zu sehen, mit Motiven aus dem Leben der beiden Heiligen.

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(Foto: Toni Heigl)

Eberle war aber nicht nur ein Künstler. Von seiner Stiftung profitieren ein Kindergarten und bedürftige ältere Dachauer noch heute.

Er kam 1887 in Pfronten im Allgäu zur Welt - demselben Ort, aus dem auch sein Onkel, der Bildhauer und Akademieprofessor Syrius Eberle stammte, der unter anderem die vier Pylone auf der Münchner Ludwigsbrücke oder das Denkmal für die Brüder Grimm in deren Geburtsstadt Hanau geschaffen hat. "Das Künstlerische lag ihm im Blut", sagt daher sicher zu Recht Edith Gerstner, die Nichte des jüngeren Syrius Eberle, der als Handwerksgeselle auf der Walz nach Dresden gekommen war und dort die Glasmalerei erlernt hatte.

Außenansicht der Kirche Sankt Peter und Paul in Asbach bei Petershausen. (Foto: Toni Heigl)

1905 zog Eberle dann dauerhaft in den damaligen Markt Dachau, zu jener Zeit ein berühmter Künstlerort. "Hermann Stockmann und Ignaz Taschner waren seine Lehrmeister und Freunde", weiß Edith Gerstner zu berichten. 1911 eröffnete ihr Onkel dann in der Altstadt ein eigenes "Zinngießerei-, Glaserei und Bilderrahmungsgeschäft". 1933 kam sein 19 Jahre jüngerer Bruder Wilhelm, Edith Gerstners Vater, aus dem Allgäu nach Dachau und übernahm Laden und Werkstatt, die 1979 von Schwiegersohn Wolfgang Gerstner fortgeführt wurden. Heute ist Markus, der Sohn von Edith und Wolfgang Gerstner, Geschäftsführer des Betriebs.

"Jeder Besuch bei ihm war ein Erlebnis"

Nach 1933 widmete sich Syrius Eberle ausschließlich der Kunst. Allein im Landkreis Dachau stammen Glasfenster oder Glasgemälde in 15 Kirchen aus seiner Hand. Seine berühmten Krippenszenen finden sich in fünf Kirchen - in Arnbach, Palsweis, Westendorf, Taxa und Odelzhausen -, "jeweils mit nur ganz geringen Unterschieden", wie OB Hartmann in seiner Würdigung im Stadtrat sagte. Seine schönsten Bilder sind nach Ansicht von Experten in der Pfarrkirche von Asbach bei Petershausen zu sehen. Auch in Bad Wörishofen, wo er oft zur Kur gewesen sei, und in München fänden sich viele seiner Werke, erklärt Edith Gerstner, die zusammen mit ihrer Schwester ihren Onkel Syrius und dessen Frau Emma "fast jeden Tag besucht" habe, auch weil sich hinter dem Haus am Karlsberg ein wunderschöner Garten befand. Sie seien zudem "praktisch die Kinder" des kinderlosen Ehepaars gewesen. "Jeder Besuch bei ihm war ein Erlebnis", erinnert sich die Nichte, denn man habe interessante Gespräche mit ihm führen können. "Er war eine Persönlichkeit, das haben wir schon als Kinder empfunden." Bei Geburtstagen, zu Weihnachten oder zur Firmung habe es stets schöne, selbst gestaltete Karten von ihm gegeben. "Als Kind hab' ich das dick gehabt, denn Spielzeug wär' mir lieber gewesen. Aber jetzt bin ich froh darüber", sagt sie lachend.

Dachauer Aufstand

Doch der laut seiner Nichte sehr gläubige Syrius Eberle war keineswegs ein weltfremder Künstler. Ende April 1945 beteiligte er sich am Dachauer Aufstand, der zum Ziel hatte, die NS-Führung abzusetzen und die Stadt kampflos den heranrückenden Amerikanern zu übergeben. Der SZ-Journalist Hans Holzhaider schrieb 2015 zum 70. Jahrestag darüber: "Schon seit Monaten hatten der Maurer Jakob Schmid und sein Freund, der Glasmaler Syrius Eberle, Pläne geschmiedet, wie man eine Verteidigung Dachaus verhindern könne. Schmid war Sozialdemokrat, bis 1933 saß er für die SPD im Stadtrat. Nach Hitlers Machtergreifung wurde er mehrere Wochen im KZ festgehalten. Eberle war eher ein Bürgerlicher, er hatte nichts mit den Linken am Hut. Schon hier zeigt sich eine Besonderheit des Dachauer Aufstands: Es waren ganz unterschiedliche Kräfte, die daran mitwirkten. Zweifellos hatten die alten Nazi-Gegner den größten Anteil: Jakob Schmid, der aufrechte Sozialdemokrat; Georg Andorfer, früher Führer des ,Reichsbanners', der sozialdemokratischen Schutztruppe; Georg Scherer, Kommunist, der selbst mehr als fünf Jahre im KZ Dachau verbracht hatte. Aber auch eine Reihe von Nazi-Mitläufern und sogar Funktionären waren in die Pläne eingeweiht: Der Zweite Bürgermeister Hans Zauner, der Polizeichef Georg Engl, der Tabakwarenhändler Michael Ebenburger, Mitglied der SA."

Sechs der Verbündeten fielen im Kampf mit der SS oder wurden am Rathausplatz erschossen, wo eine Gedenktafel an sie erinnert. Doch über dieses wahrhaft einschneidende Ereignis in seinem Leben habe ihr Onkel nie gesprochen, sagt Edith Gerstner im Rückblick. Nach dem Krieg war Syrius Eberle lange Jahre Mitglied des Stadtrats und hatte dort den Posten des Kommunalreferenten inne. Kurz vor seinem Tod verfügte er die Gründung einer Stiftung, wie er es mit seiner Frau Emma, die sechs Jahre zuvor gestorben war, abgesprochen hatte. OB Hartmann betonte in seiner Jubiläumsrede: "Auch 50 Jahre nach seinem Tod wirkt Syrius Eberle immer noch nachhaltig in Dachau. Wir gedenken dem Wohltäter, Künstler, NS-Widerstandskämpfer und Stadtratskollegen."

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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