Ehrenamt:Geschenkte Zeit

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Ein erfüllendes Ehrenamt: Die beiden Wellcome-Mitarbeiterinnen Gisela Aechtle und Reinhild Gerte unterstützen junge Familien. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Projekt "Wellcome" unterstützt junge Familien mit Kindern im ersten Lebensjahr. Während sich die Helferinnen um die Kleinen kümmern, können sich die Mütter mal eine kurze Auszeit gönnen. Es gibt viele Interessenten und auch schon eine Warteliste

Von Petra Schafflik, Dachau

Der Dreijährige möchte endlich die spannende Geschichte vorgelesen bekommen, und zwar sofort. Doch das Baby brüllt und muss erst einmal gewickelt werden. Turbulent geht es oft zu in jungen Familien, gerade mit einem Neugeborenen brauchen Eltern viel Geduld und gute Nerven. Erleichtert wird dieser Start in eine neue Lebensphase, wenn gelegentlich ein guter Geist vorbeischaut und mit anpackt. Doch auf die sozialen Kontakte einer Großfamilie, wie es früher vielleicht einmal üblich war, können im Zuzugslandkreis Dachau viele Eltern nicht mehr bauen.

Unterstützung für frisch gebackene Eltern bietet deshalb schon seit neun Jahren das Projekt "Wellcome", das vom Mehrgenerationenhaus der Arbeiterwohlfahrt organisiert wird. In Familien mit einem Baby kommen wellcome-Helferinnen wie Gisela Aechtle und Reinhild Gerte, die sich beide freuen, nach einem Arbeitsleben im Büro nun junge Eltern zu unterstützen. "Es macht einfach Spaß, ich tanke dabei viel Kraft", erzählt Gerte. Auch Aechtle möchte dieses Ehrenamt nicht mehr missen, das ihr so viel Freude bereitet. Erst seit wenigen Wochen ist sie nun im Einsatz, von "ihrer Familie" berichtet sie mit Begeisterung. Einmal die Woche schaut sie flexibel nach Absprache vorbei, beschäftigt sich drei Stunden mit dem eineinhalbjährigen Mädchen, während der neugeborene Bruder friedlich schlummert oder neugierig mit dabei ist. Als Mutter eines erwachsenen Sohnes weiß sie, wie entlastend so eine Unterstützung im Familienalltag sein kann. "Auch ich hatte damals in der Nähe keine Oma, aber eine nette Nachbarin." Gezielt hat sich Reinhild Gerte, selbst Großmutter zweier Enkel, das Projekt Wellcome ausgesucht, um im Ruhestand die Balance aus Freiheit und sinnvollem, sozialem Engagement zu wahren. "Der Umgang mit Kindern hat mir schon immer Spaß gemacht, sie bereichern das Leben." Und weil das Ehrenamt auf drei Stunden die Woche begrenzt ist, bleibt ihr - neben einem weiteren Ehrenamt als Schulpatin - noch Zeit für andere Aktivitäten und Interessen. Und natürlich die eigenen Enkel.

In der Familie, die sie unterstützt, betreut Gerte das Baby, während das ältere Geschwisterkind im Kindergarten ist. Damit verschafft die Wellcome-Helferin der jungen Mutter Zeit für Unerledigtes, für eine Ruhepause im turbulenten Familienalltag oder für sportliche Aktivitäten. Sie selbst erlebt die Zeit nicht als Anstrengung, sondern als die reine Freude. "Ich tanke dabei Kraft, allein schon das Strahlen der Kinderaugen ist wunderbar."

Gisela Aechtle und Reinhild Gerte sind zwei von gut 30 Wellcome-Helferinnen, die im Landkreis aktiv sind und jungen Familien Zeit schenken. Das besondere Angebot richtet sich gezielt an Familien mit einem Kind im ersten Lebensjahr und ist zeitlich auf etwa sechs Monate befristet. Sobald sich der Alltag neu eingespielt hat, Routine einkehrt, verabschieden sich die Wellcome-Helferinnen langsam wieder, um eine neue Familie zu unterstützen. Wie genau die Hilfe aussieht, wird individuell vereinbart. Mal kümmern sich die Ehrenamtlichen um das Neugeborene, um der Mutter ein Zeitfenster für eigene Interessen oder Aktivitäten mit den älteren Geschwistern zu verschaffen.

Oder aber die Wellcome-Helferinnen betreuen die älteren Kinder, damit sich die Mutter in Ruhe mit dem Baby beschäftigen kann. Pro Jahr verbringen die Ehrenamtlichen durchschnittlich gut 1000 Stunden in den Familien, hat Koordinatorin Mußmann-Walter ausgerechnet. Das Konzept hat sich seit den Anfängen vor neun Jahren im Landkreis etabliert und bei angehenden Eltern wie auch Alleinerziehenden herumgesprochen. "Viele kommen auf Empfehlung", weiß Koordinatorin Mußmann-Walter. Aktuell nutzen 23 Familien die Unterstützung auf Zeit. "Seit Herbst ist der Andrang enorm", betont Anja Mußmann-Walter, die im Mehrgenerationenhaus das Projekt koordiniert. Eine Familie in Karlsfeld steht gerade auf der Warteliste, weitere Anfragen von Eltern, deren Kinder demnächst zur Welt kommen, liegen vor. Gerne möchte Mußmann-Walter ihr Team noch aufstocken, um mehr Familien zu unterstützen. Denn: "Momentan können wir den Bedarf gar nicht abdecken."

Wer sich für das Ehrenamt einer Wellcome-Helferin interessiert, erhält Informationen bei Projekt-Koordinatorin Anja Mußmann-Walter unter Telefon 08131/6150129 oder im Internet unter www.awo-dachau/familien/wellcome-dachau/

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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