Dachauer Klinikum:Arbeiten mit Virus im System

Lesezeit: 3 min

Der Gastrobereich vor dem Dachauer Klinikum ist abgesperrt. Dabei dürfte man dort vergleichsweise sicher vor Ansteckung sein. (Foto: Toni Heigl)

Mindestens elf Mitarbeiter im Helios-Amperklinikum Dachau sind mit Covid-19 infiziert worden. Landrat Stefan Löwl verteidigt die Entscheidung, das Haus wieder zu öffnen. Klagen von Pflegern über mangelnden Schutz weist er zurück.

Von Christiane Bracht, Dachau

Drei Tage, nachdem das Helios Amper-Klinikum Dachau wegen eines unerkannten Corona-Falls auf einer Station vorübergehend komplett geschlossen werden musste, wird langsam absehbar, welche Konsequenzen der Fall hat: Elf Mitarbeiter der Helios Amper-Klinik haben sich, Stand Montag, mit dem Coronavirus infiziert, darunter ein Arzt. Von den etwa 1000 Beschäftigten sei das weniger als ein Prozent, sagte der stellvertretnde Aufsichtsratsvorsitzende der Klinik, Landrat Stefan Löwl (CSU). Er habe "Schlimmeres befürchtet". Auch einer von 136 Patienten wurde offenbar mit Covid-19 angesteckt.

Ob es dabei bleibt, muss sich zeigen: 40 Testergebnisse stehen noch aus. Kein Grund, die gesamte Klinik weiterhin komplett zu sperren, befanden jedoch Landratsamt und Klinikleitung: Am Sonntag wurde die Notfallambulanz wieder geöffnet, am Montag folgten die Geburtshilfe und am Abend die Bereitschaftspraxis. Möglich ist dies, weil die Bereiche vom Rest des Klinikums getrennt sind. In der Klinik München-West in Pasing, die ebenfalls von Helios betrieben wird, hatte man bereits am Mittwoch vergangener Woche 14 Patienten und zwei Mitarbeiter positiv getestet.

"Wir wollen so schnell wie möglich wieder den Normalbetrieb aufnehmen", erklärte der Geschäftsführer der beiden Krankenhäuser, Florian Aschbrenner. Der Patient, der den Erreger in die Dachauer Klinik hineingetragen hat, ist laut Gesundheitsamt am Wochenende verstorben. Er war von einem Krankenhaus aus dem Landkreis Starnberg in die Amper-Klinik verlegt worden, doch niemand wusste, dass er sich mit Corona infiziert hatte. Das stellte sich erst am Freitag heraus. Im Rahmen seiner Behandlung kam er mit vielen Ärzten, Pflegern und anderen Patienten in Kontakt, sodass Landrat Löwl sofort die Sperrung der Klinik anordnete - außer für Patienten, die ohnehin schon an Covid-19 erkrankt waren. Es folgte die groß angelegte Testaktion in der gesamten Klinik.

"Die Klinik muss öffnen, weil sonst das System zusammenbricht"

Auf die Frage, warum der Patienten aus dem Landkreis Starnberg nicht vorher getestet worden sei, erklärt der Sprecher des Landratsamts, Wolfgang Reichelt: "Weil es aus virologischer Sicht keinen Sinn macht." Der Infekt sei erst nach einiger Zeit nachweisbar, doch die Erkrankten sind auch schon vorher infektiös. Das sei das Tückische an der Krankheit. Die Mitarbeiter, die seit Freitag in häuslicher Quarantäne sind, arbeiten trotzdem in ihren Schichten weiter und haben direkten Kontakt zu den Patienten.

Man habe weitreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen, beschwichtigte das Klinikum am Montag. Alle müssten jetzt mit Mundschutz arbeiten. Doch seit einigen Tagen beklagen sich Pfleger, dass es an Schutzmasken, Schutzkitteln, Thermometern und Blutdruckmanschetten fehle. Auch dass Masken mehrfach benutzt werden müssen, nicht desinfiziert würden, sondern lediglich ein paar Stunden an die Luft gehängt würden. "Die Versorgung mit Schutzausrüstung ist ein weltweites Problem", so Landratsamtssprecher Reichelt. Das Robert-Koch-Institut halte die Mehrfachnutzung von Schutzmasken für zulässig. Für die Verteilung gebe es inzwischen eine Prioritätenliste vom Landratsamt. "Die Klinik muss öffnen, weil sonst das System zusammenbricht", sagt der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Löwl. Die Beschwerden der Pfleger, dass sie sich wie "Kanonenfutter" fühlen, könne er nicht nachvollziehen. "Ich kann keinen Unterschied zu Ärzten und Pflegern in Alten- oder Behinderteneinrichtungen sehen."

Drei weitere Tote am Sonntag

Hjalmar Hagedorn, der Ärztliche Direktor der Klinik, erläutert die neuen Sicherheitsvorkehrungen: Die Nothilfe ist in zwei strikt voneinander getrennte Bereiche untergliedert, einen blauen für Patienten, die nicht isolationspflichtig sind, und einen roten für Corona-Infizierte. An einer Eingangsschleuse wird festgelegt, wer wo behandelt wird. Die Geburtshilfe wurde durch Trennwände abgesondert, die Räume geputzt und desinfiziert. Bei planbaren Geburten werden die Frauen fünf Tage vorher auf Covid-19 getestet. Bei Patienten, die stationär aufgenommen werden, wird künftig ein Abstrich gemacht - wenn sie Symptome wie Halsschmerzen oder Fieber zeigen, einen neuen. Außerdem sollen alle Patienten ein Einzelzimmer bekommen, nur die bereits das Virus aufgeschnappt haben, werden in Zweibettzimmer verlegt. Die Mitarbeiter, die jetzt negativ getestet sind, werden laut Hagedorn in fünf Tagen erneut überprüft. Wer in bestimmten Bereichen arbeite wie in der Notaufnahme oder der Isolierstation, werde künftig regelmäßig alle fünf bis neun Tage einen Test machen müssen. Kantine und Cafeteria sind bis auf weiteres gesperrt. Die stationäre Notfallversorgung soll am Mittwoch wieder starten. Unversorgt bleibt kein Patient. Wer in der Dachauer Klinik nicht aufgenommen werden könne, werde von einem Münchner Krankenhaus oder in Fürstenfeldbruck versorgt, sagt Hans-Ulrich Braun, Vorstand des Ärztlichen Kreisverbands. Die Rettungsdienste seien über die Leitstelle informiert.

Von Sonntag bis Montagabend erhöhte sich die Zahl der registrierten Corona-Fälle im Landkreis um 14 auf 514 Fälle. Von Sonntag wurden zudem nachträglich drei weitere Todesfälle von Infizierten gemeldet.

© SZ vom 07.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: