Kultur in Dachau:Schatten im Gras

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Disteln wuchern aus den rostigen Gerippen der Gewächshäuser auf dem Gelände des sogenannten Kräutergartens. (Foto: privat)

Für ihre Ausstellung im Dachauer Forum hat Mette Therbild viele Orte besucht und deren Stimmung auf sich wirken lassen. Ein Teil der Arbeiten könnte die Besucher verstören. Aber das muss so sein.

Von Renate Zauscher, Dachau

Dachau hat viele Orte, an denen man Kunst begegnen kann: der alten Kunst etwa in der Gemäldegalerie, und Arbeiten heutiger Künstler findet man an öffentlichen Plätzen wie dem Dachauer Schloss, in Künstlerateliers und Galerien. Einer dieser Orte ist das Dachauer Forum: Viermal im Jahr präsentiert Alfred Ullrich hier im Auftrag des Forums eine Ausstellung. Derzeit sind es Arbeiten der in Haimhausen lebenden Künstlerin Mette Therbild, die das Dachauer Forum zeigt.

Die gebürtige Dänin, die am Art College in Oxford, England, bildende Kunst und Kunstgeschichte studiert hat, ist eine feste Größe im Haimhausener Kulturbetrieb: Sie unterrichtet an der VHS und an Schulen Malen und Zeichnen und hat darüber hinaus zehn Jahre lang das Kunst-Event "Haimhauser Art" für den Haimhauser Kulturkreis organisiert. In Dachau hat Therbild wiederholt eigene Arbeiten gezeigt, darunter im Wasserturm oder in der Galerie der KVD, deren Mitglied sie ist.

Dass Mette Therbild jetzt Zeichnungen und Gemälde im Dachauer Forum ausstellt, kommt nicht von ungefähr. "Die Erinnerungsarbeit ist ein Kernthema von uns", sagt die Geschäftsführerin des Forums, Annerose Stanglmayr. Und auch für Therbild ist das Erinnern an den Terror der Nazidiktatur zum "Kernthema" geworden. Sie ließ sich 2018 zur Referentin für Gedenkstättenarbeit ausbilden und bietet seitdem in der Dachauer Gedenkstätte englischsprachige Führungen an.

Das Thema des Erinnerns hat auch in ihre künstlerische Arbeit Eingang gefunden. Ein Großteil der Bilder, die jetzt im Dachauer Forum zu sehen sind, haben ihren Ursprung in einem Besuch des ehemaligen "Kräutergartens" - ein beschönigender Name für eine Plantage, in welcher Häftlinge des Konzentrationslagers Schwerstarbeit leisten mussten. Heute stehen auf dem Gelände noch Gebäude, insbesondere mehrere stark vom Verfall bedrohte Gerippe alter Gewächshäuser.

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(Foto: privat)

Dass es sich dabei um einen Ort des Leid und systematischer Brutalität handelt, spiegeln Therbilds Arbeiten deutlich wider.

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(Foto: privat)

Ihre Kunst ist ein Beitrag zur Erinnerungskultur.

Im Rahmen eines groß angelegten Programms sollten vor allem Heilkräuter gezogen und mit der heimischen Erzeugung vitaminspendender Pflanzen experimentiert werden. Mette Therbild konnte das für die Öffentlichkeit gesperrte Gelände mit einer Sondergenehmigung besuchen. Sie hat gezeichnet, viele Fotografien gemacht und vor allem die Stimmung des Ortes während vieler Stunden auf sich wirken lassen. Es müssen sehr starke Eindrücke gewesen sein, die die Künstlerin mitgenommen hat. "Wie Skelette", sagt Therbild, erinnerten die noch vorhandenen Konstruktionen der Gewächshäuser an das, was hier geschehen ist, während gleichzeitig die ringsum wuchernde Natur im krassen Gegensatz dazu stehe.

Ihr sei in ihrer Arbeit grundsätzlich wichtig, so Therbild, "Gesehenes, Gehörtes, Erinnertes, Gefühltes künstlerisch umzusetzen" und für andere nachempfindbar zu machen. Bei den Arbeiten, die den Kräutergarten zum Thema haben, ist ihr dies vorzüglich gelungen. Zum einen sind dies stark grafisch ausgerichtete, am Faktischen orientierte Arbeiten, die, in Kohle oder Mischtechnik, das zeigen, was von den Strukturen der Glashäuser noch vorhanden ist.

Die dänische Künstlerin Mette Therbild. (Foto: Toni Heigl)

Zum anderen aber auch Bilder, in denen die Vergangenheit des Ortes gegenwärtig wird: Inmitten üppiger Natur werden schattenhaft angedeutete Menschen sichtbar, die hier Sklavenarbeit geleistet haben und in gewisser Weise immer noch präsent sind. Die Erinnerung an das, was hier geschehen sei, müsse unbedingt bewahrt werden, sagt Therbild, die seit Jahren diskutierte Restaurierung der Stätte deshalb auch unbedingt umgesetzt werden.

Neben dem Zyklus der Kräutergarten-Bilder zeigt Mette Therbild auch anderes im Dachauer Forum: Ölbilder etwa in verschiedenen Formaten, in denen ihre dänische Heimat, zumeist stark abstrahiert, eine wichtige Rolle spielt. Das Gelb der Getreidefelder, das Blau des weiten Himmels darüber oder das Blau des Meeres werden in stark atmosphärischen Farbkompositionen sichtbar.

Aber auch nordische Mythen spielen in Therbilds Arbeit hinein: Odin blickt, mit Pferdekopf und begleitendem Raben, den Betrachter ernst an. In anderen Bildern deuten sich, in einem Wirbel kraftvoller Pinselschwünge, geheimnisvolle Höhleneingänge oder auch Durchbrüche zu einem lichten Zentrum an. So wie auch in den Arbeiten, bei denen der Kräutergarten im Mittelpunkt steht, wird hier Natur in ihrem großen Facettenreichtum gezeigt: Sie kann bedrohlich sein oder auch voller nicht hinterfragter Schönheit - und ist dabei immer auch Ausdruck von Gefühlen und Fantasien der Frau, die sie auf die Leinwand bannt.

Zu sehen sind die Arbeiten von Mette Therbild im Dachauer Forum noch bis zum 18. Januar 2022. Geöffnet ist die Ausstellung zu den Geschäftszeiten des Forums, Montag bis Freitag jeweils von 9 bis 12 Uhr, zusätzlich Montag und Donnerstag Nachmittag von 13 bis 16 Uhr.

© SZ vom 18.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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