Amtsgericht Dachau:Vergeblicher Warnschuss

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Trotz offener Bewährung unterschlägt ein junger Mann in einer Spielothek Geld - jetzt muss er ins Gefängnis.

Von Benjamin Emonts, Dachau

David P. (Name geändert) nickt immer wieder mit dem Kopf, als Amtsrichter Daniel Dorner das Urteil begründet. Der 20-Jährige aus dem Landkreis Dachau wurde gerade zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt: Er muss ins Gefängnis. Schließlich fragt ihn der Richter, ob er das Urteil denn verstanden habe. "Das mit den zwei Jahren und vier Monaten habe ich nicht verstanden", antwortet er.

Es bestätigt sich der Eindruck, dass der Angeklagte nicht weiß, dass die Stunde für ihn geschlagen hat. Während der Verhandlung ist David P. erstaunlich ruhig, fast schon stoisch. Er steht unter offener Bewährung. Nun wird ihm auch noch vorgeworfen, im November 2014 als Angestellter einer Spielothek innerhalb von drei Wochen 6340 Euro unterschlagen zu haben. Außerdem soll er in zwei Fällen einer Person erlaubt haben, mit seinem Wagen zu fahren, obwohl diese keinen Führerschein besaß. Hinzu kommt eine Schwarzfahrt mit der S-Bahn im März 2014, die das Gericht letztlich aber fallen lässt.

Maßgeblich für die Urteilsbildung sind der Vorwurf der veruntreuenden Unterschlagung sowie die Vorgeschichte des 20-jährigen Mannes. Im April 2014, lediglich ein halbes Jahr vor seiner Anstellung in der Spielothek, war David P. vom Amtsgericht Dachau zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er seine damalige Freundin in zwei Fällen genötigt, vergewaltigt und verletzt hatte. Konkret zwang er sein Opfer beide Male nach Streitigkeiten zum Sex und nutzte dazu seine körperliche Überlegenheit. Im Dezember 2011 schleuderte er eine andere Ex-Freundin, die schwanger war, zu Boden, drückte ihr die Luft ab und drohte damit, ihren Vater umzubringen. So kam es zur Gesamtstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung. Zusätzlich erhielt David P. als Denkzettel zwei Wochen Dauerarrest.

Die Abschreckung allerdings blieb aus. Bereits sechs Monate nach der Verurteilung begann er, seinen Arbeitgeber regelrecht auszunehmen. Als Mitarbeiter der Spielothek sollte David P. die Spieler bedienen und die Automaten mit Geld befüllen. Er arbeitete meist allein. Diesen Umstand nutzte der 20-Jährige, um insgesamt 38 Mal Geld aus der Kasse des Casinos zu entwenden. Jedes Mal trug er die Beträge, wie gefordert, in ein Kassenbuch ein und füllte Quittungen aus, die er handschriftlich unterzeichnete. Die Filialleiterin betont vor Gericht, dem Jungen vertraut zu haben. Erst drei Wochen nach seiner Einstellung seien ihr erste Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Als sie bemerkt hatte, wie groß die Löcher in der Kasse tatsächlich waren, alarmierte sie die Polizei. Beamte durchsuchten die Wohnung des Angeklagten, fanden aber kein Geld. David P. gibt vor Gericht an, nicht zu wissen, was er mit den 6340 Euro angestellt habe.

Dass er das Geld unterschlagen hat, räumt er erst auf Anraten seiner Verteidigerin ein. Für den Vertreter der Staatsanwaltschaft handelt es sich um ein "rein prozesstaktisches Geständnis", das David P. ablegt. Er fordert schließlich eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. "Niemand auf der Straße würde verstehen, wenn hier noch einmal eine Bewährungsstrafe ausgesprochen würde."

Amtsrichter Daniel Dorner und die Schöffen verurteilen David P. unter Einbeziehung der Verurteilung aus dem April zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Auch die Richter sahen keine Veranlassung, den Angeklagten nochmals eine Bewährungschance zu geben. Ein Warnschuss sei schließlich bereits ins Leere gegangen.

Erst als David P. den Gerichtssaal verlässt, scheint ihm das Ausmaß seiner Verurteilung langsam zu dämmern. Seine Augen werden wässrig, er atmet schwerer. Das Geld, das er in die eigene Tasche steckte, ist längst weg, wie er sagt. Schon bald gilt das auch für seine Freiheit.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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