Dachau:Total gestört

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Verhaltensauffällige Schüler, aggressive Eltern: Jahrelang kämpften die vier Dachauer Grundschulen erfolglos darum, Jugendsozialarbeiter zu bekommen. Nun nimmt sich der Stadtrat des Themas an.

Petra Schafflik

Hilferuf nach Jugendsozialarbeitern: "Wir Schulen werden mit den Problemen alleine gelassen, das bin ich leid", klagt Helga Schiller, die Rektorin der Grundschule Augustenfeld in Dachau. (Foto: DAH)

"Wir Schulen werden mit den Problemen alleine gelassen, das bin ich leid", klagt Helga Schiller, Rektorin der Grundschule Augustenfeld. Mit einem Hilferuf wendet sich Schiller jetzt an die Öffentlichkeit, weil in ihrer Schule mit 370 Kindern aus 31 Nationen die Probleme mit verhaltensauffälligen Schülern und nicht kooperationsbereiten Eltern überhand nehmen. "Wir wollen wieder vorrangig unterrichten, nicht ausschließlich erziehen", sagt Schiller. Abhilfe verspricht sich die Rektorin von einem Schulsozialarbeiter. Doch gemeinsame Bemühungen der Rektorinnen und Elternbeiräte für Jugendsozialarbeit an allen vier Grundschulen sind seit Jahren erfolglos geblieben. "Das ist ein Kampf gegen Windmühlen."

Eltern kommen morgens vor Unterrichtsbeginn in die Augustenfelder Grundschule und fordern lautstark, dass Probleme sofort besprochen werden. Lehrerinnen fühlen sich von aggressiv auftretenden Vätern bedroht. "Manche Elterngespräche führen wir nur noch zu zweit", sagt Rektorin Helga Schiller, die einigen Eltern schon Hausverbot erteilt hat.

Es gebe auch Familien mit massiv verhaltensauffälligen Kindern, die klärende Gespräche verweigerten. "Zigmal haben wir uns gemeinsam mit dem Jugendamt bemüht, diese Eltern kommen einfach nicht." Weil die Familien auch Hilfsangebote etwa der Erziehungsberatung nicht annähmen, "wird das Verhalten der Kinder immer extremer". All diese Probleme, die Familien unabhängig vom sozialen Hintergrund beträfen, führen sogar zu Streitigkeiten der Eltern untereinander. Extreme Einzelfälle, betont Schiller, die aber die Schule belasteten und das Klima vergiften.

Probleme, die unbestritten vorhanden sind, aber vermutlich auch an anderen Grundschulen auftauchen, sagt Elternbeiratsvorsitzende Piroska Kneuer. "Wir sind keine Brennpunktschule, es brennt an allen Schulen." Schwierigkeiten werde es an allen Schulen geben, sagt auch Schulamtsleiterin Isolde Stefanski. Von den Vorfällen an der Grundschule Augustenfeld habe sie "aus der Zeitung erfahren". Der Schulalltag sei schon nervenaufreibend, bestätigt auch Gabriele Dörfler, Schulleiterin der Grundschule Dachau Ost. Denn Eltern wie auch Kinder seien kritischer geworden.

"Früher wurde vieles klaglos hingenommen." Noch hat Dörfler aber nie wie Schiller etwa mit Hausverboten hart durchgreifen müssen. "Wir versuchen, Gespräche mit den Eltern am runden Tisch hinzubekommen, ziehen bei Bedarf Schulpsychologen als Mediatoren hinzu", erklärt die Schulleiterin. Bislang habe dies gut funktioniert. "Aber das heißt nicht, dass es immer klappen muss." Unterstützung von allen Seiten findet dennoch Schillers Forderung, an den Dachauer Grundschulen Jugendsozialarbeit zu installieren. "Damit könnten wir viele Kinder auffangen, bevor sich Probleme entwickeln," erklärt Rektorin Dörfler. Auch Piroska Kneuer, die neben dem Elternbeirat Augustenfeld auch den Gesamtelternbeirat der Dachauer Volksschulen leitet, sieht seit Jahren die Schulen allein gelassen. "Wir brauchen Sozialpädagogen." Und Schulrätin Stefanski betont, dass Jugendsozialarbeit "an jeder Schule hilfreich und sinnvoll wäre". Der Wunsch nach Jugendsozialarbeit ist nicht neu. Schon seit 2007 haben die Schulleiterinnen der vier Dachauer Grundschulen gemeinsam mit den Eltern mehrfach an den Stadtrat appelliert, diese Unterstützung zu installieren. Bisher gibt es Sozialpädagogen nur an den Mittelschulen im Landkreis, an der Berufsschule und im Sonderpädagogischen Förderzentrum. Dies ist Folge der staatlichen Förderrichtlinien, die bislang finanzielle Zuschüsse nur für Sozialarbeiter an diesen Schularten gewähren.

Im Landkreis leistet sich deshalb einzig Petershausen auf eigene Kosten Jugendsozialarbeit auch an der Grundschule, für das Pilotprojekt gibt der Landkreis einen befristeten Zuschuss. Für Dachau hat der Stadtrat entschieden, nicht derart in Vorleistung zu gehen. Wer nämlich als Kommune in Eigenregie Jugendsozialarbeit startet, dem bleiben staatliche Zuschüsse auch verwehrt, sofern sich Förderrichtlinien ändern. Diese finanzielle Dauerlast wollte der Stadtrat nicht schultern.

Doch von 2013 an gelten neue Richtlinien, und so könnte der Hilferuf aus Augustenfeld doch noch Wirkung zeigen. Denn künftig wird der Landkreis in eigener Zuständigkeit und nach fachlichen Erwägungen individuell zu prüfen haben, ob der Bedarf für Jugendsozialarbeit an einer Schule gegeben ist, erklärt Anton Bönig, stellvertretender Leiter des Kreisjugendamts. Grundsätzlich können auch Grundschulen Jugendsozialarbeiter erhalten, sofern mehr als 20 Prozent der Schüler aus Migrantenfamilien kommen. In Dachau wird sich daher der Familien- und Sozialausschuss des Stadtrats erneut mit dem Thema befassen, kündigt Günther Domcke vom städtischen Hauptamt an. Zunächst geht es um Informationen, was Jugendsozialarbeit an Grundschule überhaupt leisten kann. "Aber wenn der Freistaat jetzt verstärkt in die Jugendsozialarbeit einsteigen will, ist das ein Signal."

© SZ vom 15.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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