Zuletzt wurden Grünen-Politiker bei öffentlichen Veranstaltungen immer wieder angegriffen. Deshalb erwartete auch die Besucher beim Frühjahrsempfang der Grünen am Sonntagnachmittag in Dachau ein Sicherheitsaufgebot. Am Eingang des Ludwig-Thoma-Hauses sollten sechs Polizisten und eine Polizistin die Veranstalter und Gäste vor möglichen Bedrohungsszenarien schützen. Insgesamt kamen rund 100 Menschen bei dem friedlich verlaufenen Empfang zusammen, darunter waren Parteimitglieder, interessierte Gäste, Ältere und Junge, Familien mit Kindern.
Die Notwendigkeit, unter Polizeischutz zu einer Grünen-Veranstaltung gehen zu müssen, war für viele Anwesende wohl ungewohnt und stimmte sie nachdenklich. Thematisiert wurde dies gleich zu Beginn von der ersten Rednerin, die nach der Begrüßung durch die beiden Ortsvorsitzenden Karin Beittel und Alexander Heisler, zu Wort kam: Gisela Sengl ist eine der beiden bayerischen Landesvorsitzenden der Grünen. Die Allgäuerin ist neu im Amt und stellte sich erstmals in Dachau vor. Es sei, sagte sie, nicht gerade "schön", wenn man "zu einer Grünen-Veranstaltung an Polizisten vorbeigehen muss."
Sengl sagte: "Grün ist ein absolut positives Markenzeichen", und fügte selbstbewusst hinzu: "Wir Grünen haben die richtigen Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit." Dass diese Herausforderungen groß sind, war allen, die am Sonntag im Ludwig-Thoma-Haus zu Wort kamen, bewusst. Ebenso bestimmt wie Sengl äußerte sich die Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer. Den Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bezeichnete sie als "hochgefährliche und beispiellose Zäsur" für die Sicherheitslage Europas. Es gelte, das "riesige Friedensprojekt Europa unbedingt zu erhalten"; Europa dürfe auf keinen Fall "wieder ein Kontinent von egoistischen Nationalstaaten werden."
Mit Blick auf die kommende Europawahl im Juni verwies Walter-Rosenheimer auf die enorme Tragweite, die politische Entscheidungen und damit auch Wahlen heute hätten: Während es früher nur um die Entscheidung "zwischen Schröder und Merkel" gegangen sei, stünde mittlerweile weit mehr auf dem Spiel: "Es geht heute darum, ob wir weiterhin in einem freiheitlichen, demokratischen, offenen Land leben können, in dem für alle Menschen unser Grundgesetz gilt."
Walter-Rosenheimer ist Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte des Bundestags. Sie erzählt, sie wisse, wie es sich in Diktaturen lebt, in denen es weder Rede- noch Pressefreiheit noch freien Wahlen gibt. Sie sei mit Angehörigen von Menschen in Kontakt, die in Russland oder Belarus verfolgt werden oder in Gefängnissen verschwunden sind und sich laut der Bundestagsabgeordneten nichts sehnlicher wünschen als ein freiheitliches, demokratisches System wie in Deutschland.
Ausstieg aus der EU würde "ein Armenhaus aus Deutschland machen"
Im Anschluss sagte die Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen für die Europawahl, Andrea Wörle: "Europa ist immer noch die beste Idee, die Europa je hatte", allerdings sehe sie diese Idee ganz eindeutig durch die AfD bedroht. Deshalb sei eines klar: "Mit uns wird es keine Allianzen mit den Rechtsaußen-Parteien geben". Bei den Europawahlen werde es "um unsere Demokratie" gehen, und nicht zuletzt um den Wohlstand in Deutschland. Denn ein Ausstieg aus der EU, wie ihn die AfD propagiere, würde "ein Armenhaus aus Deutschland machen".
Zudem sprach sich Wörle für eine dauerhafte militärische und wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine aus, die "alles tut, um die europäischen Werte und unsere Sicherheit zu schützen". Deshalb sei es auch richtig, die Ukraine in Zukunft in die EU aufzunehmen.
Die Bedrohung von Frieden und Demokratie stand im Mittelpunkt der Reden im Ludwig-Thoma-Haus. Andreas Birzele hingegen, Mitglied des Bayerischen Landtags für Fürstenfeldbruck- Ost und Handwerksbeauftragter, sprach noch ein anderes Thema an. Er kritisierte das "Gestreite und Gezanke" der Parteien untereinander, auch in der Mitte des politischen Spektrums. Es gehe darum, in der Politik gemeinsam nach Lösungen zu suchen, sagte Birzele. Er forderte, politische Entscheidungen auch dann mutig voranzutreiben, wenn sie unpopulär sind und auf das "Grünen-Bashing", mit dem Stimmung gemacht werde, zu verzichten. "Die Leute haben von dem ewigen Gestreite ganz einfach die Schnauze voll", sagte er. Nur mit einer gemeinsamen Suche nach Lösungen könne man wieder Vertrauen in die Politik zurückgewinnen.