Dachau:Posthume Ehrung

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Bündnis verleiht Jürgen Zarusky den Hermann-Ehrlich-Preis

Das Bündnis für Dachau verleiht bereits zum fünften Mal den Hermann-Ehrlich-Preis, dessen Übergabe allerdings coronabedingt nicht wie geplant im November 2020 stattfinden konnte. Der Preis geht nun am 17. Oktober posthum an den Historiker Jürgen Zarusky, der im März 2019 unerwartet verstorben ist.

Wie das Bündnis in einer Pressemitteilung schreibt, habe Zarusky in Dachau, der Stadt, in der er mehr als 30 Jahre lang lebte, als "Brückenbauer" gewirkt, der die Gräben überwinden wollte, welche die NS-Verbrechen und jahrzehntelange Abwehr der Anerkenntnis des Unrechts in Deutschland geschaffen haben. Er habe sich über Jahrzehnte hinweg für eine kritische und lebendige Erinnerungskultur in Dachau eingesetzt. Zudem habe er mitgeholfen, die Stadt zu einem Gedenkort zu machen, an dem Verantwortung für die Geschichte der nationalsozialistischen Diktatur übernommen wird. Zu dieser Verantwortung für eine lebendige Erinnerungskultur zählte laut dem Bündnis für Zarusky insbesondere "die politische und ethische Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen und deren Folgen für die Verfolgten und Opfer - bis heute". Diese Überzeugungen des Historikers hätten auch seinem Wesen als Mensch entsprochen, seiner Redlichkeit für Recht und Unrecht einzustehen wie auch seinem Vermögen, Zuwendung und Solidarität zum Ausdruck zu bringen.

Jürgen Zarusky habe dabei den Blick ganz besonders auf eine Opfergruppe, die in Deutschland lange Zeit und eigentlich bis heute weitgehend ausgeblendet wurde, gerichtet: die Millionen Toten - Soldaten wie Zivilisten - auf dem Boden der Sowjetunion, aber auch die mehr als 4000 sowjetischen Kriegsgefangenen, die auf dem SS-Schießplatz Hebertshausen ermordet wurden. Neben der Geschichte des Nationalsozialismus seien so die Geschichte der Sowjetunion, der Stalinismus beziehungsweise dessen Opfer wie auch die deutsch-sowjetischen Beziehungen zu einem seiner Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte geworden. Dabei habe er sich sein internationales Ansehen als Historiker sowohl in wissenschaftlichen Fachkreisen als auch in seinem Engagement für Menschenrechte und Demokratie erworben.

Zarusky war Mitglied der deutsch-russischen Historikerkommission, hatte Kontakte zur russischen Menschenrechtsorganisation Memorial gehalten und Kooperationsprojekte mit dem Holocaust Centrum in Moskau realisiert. So sei es nur folgerichtig gewesen, dass er im Oktober 2018 die wissenschaftliche Leitung des 18. Dachauer Symposiums zur Zeitgeschichte übernommen habe, "bei dem es um den Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion und die bis heute andauernde Suche nach gemeinsamen Wegen in der Erinnerungskultur ging", schreibt das Bündnis.

Das Preisgeld des Hermann-Ehrlich-Preises geht deshalb diesmal an die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial", die sich vor allem um die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen bemüht, die aber von den russischen Behörden seit Jahren unter massiven Druck gesetzt und verfolgt wird.

© SZ vom 10.08.2021 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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