Dachau:Landwirt baut 25 Millionen Liter großen Wasserspeicher für Christbaumzucht

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Für sommerliches Badevergnügen wurde das stattliche Wasserbecken auf Dachauer Stadtgebiet nicht konzipiert. (Foto: Niels P. Joergensen)

Der gigantische See umfasst die zehnfache Menge eines olympischen Schwimmbeckens. Baden dürfen darin aber höchstens die Kinder des Dachauers.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Auf der schmalen Landstraße von Pellheim nach Oberweilbach, kurz nach einer Anhöhe, driftet der Blick unvermeidlich nach rechts. Inmitten von Wiesen und Feldern - es ist schwer zu glauben - liegt ein gigantisches Wasserbecken in die Landschaft gebettet. Eine Brise lässt an diesem Vormittag sanfte Wellen über das türkisgrüne Wasser gleiten.

Am liebsten möchte man hineinspringen in die Oase, wie es die zwei Enten aus dem benachbarten Bach getan haben. Doch für sommerliches Badevergnügen wurde das stattliche Wasserbecken auf Dachauer Stadtgebiet nicht konzipiert. Der Privatsee von Landwirt Stefan Spennesberger dient als riesiger Wasserspeicher. Als Beregnungsbecken, aus dem als Frostschutz Wasser für Zehntausende Tannen gepumpt wird, die fürs Weihnachtsfest gepflanzt werden.

Die Ausmaße des Gewässers sind enorm, es fasst die zehnfache Wassermenge eines olympischen Schwimmbeckens - insgesamt 25 Millionen Liter. 80 Meter ist es lang, 70 Meter breit und an seiner tiefsten Stelle 6,5o Meter tief. Der Großteil des Wassers ist Regenwasser und wird über Erdleitungen von Spennesbergers Oberweilbacher Hof in den Speicher geleitet. Zudem wurden unter dem See 500 Meter Drainage verlegt, die von den Feldern ablaufendes Wasser einfängt.

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Reicht das Wasser nicht aus, wird der Pegel durch Grundwasser aus einem Brunnen wieder hergestellt. Umgeben wird der Wasserspeicher von einem sechs Meter hohen Erdwall. Er wurde aus etwa 20 000 Kubikmeter Erdreich aufgeschüttet. Freie Sicht auf das Gewässer erhält man deshalb nur von Pellheim kommend von besagter Anhöhe.

Erstaunlicher als seine schiere Größe ist der Zweck, den der riesige Wasserspeicher erfüllt. Im Sommer, wenn es Phasen der Trockenheit gibt, kann das Wasser zur Beregnung der Bäume eingesetzt werden. Der eigentliche Nutzen aber ist der Schutz vor Spätfrost, der zu irreversiblen Wachstumsschäden an den Bäumen führen kann. Das ausgeklügelte Prinzip nennt sich Frostschutzberegnung und macht sich ein physikalisches Phänomen zunutze. Bei drohendem Spätfrost werden die Plantagen mit Wasser aus dem Becken flächig und fein beregnet. Beim Gefrieren des Wassers auf den Pflanzen wird eine Energie freigesetzt, die in der Wissenschaft als Erstarrungs- oder auch Kristallisationswärme bezeichnet wird. Diese Energie sorgt dafür, dass die Temperaturen unter der entstehenden Eishülle auf den Pflanzen über einen längeren Zeitraum nicht deutlich unter den Gefrierpunkt sinken können. So wird vermieden, dass die Bäume einen bleibenden Schaden durch Spätfrost erleiden.

Der technische Ablauf ist simpel: Eine Wetterstation mit Sensor und Antenne am See gibt ein Signal, sobald die Temperaturen unter 0,5 Grad Celsius sinken. Dann springen zwei riesige Diesel-Aggregate mit jeweils 120 Kilowatt Leistung an. Sie pumpen das Wasser über ein Schlauchsystem von mehr als elf Kilometern Länge zu insgesamt 640 Regnern auf den drei großen Plantagen um den See. Innerhalb von zehn Minuten werden sämtliche Bäume auf den insgesamt 24 Hektar großen Flächen beregnet. Der Vorgang dauert so lange an, bis die Eishülle wieder heruntergewaschen ist und die Gefahr vorbei ist.

Immer wieder wird Spennesberger gefragt, wozu der riesige Aufwand? Immerhin hat er 350 000 Euro investiert. Für den 42-jährigen Landwirt bedeutet die Anlage Sicherheit und einen "ruhigeren Schlaf", so sagt er. Die Weihnachtsbäume, die er züchtet, haben eine Wachstumszeit von acht bis zwölf Jahren, ehe sie geschmückt in den Wohnzimmern landen. "Ein Spätfrost könnte jahrelange Arbeit in nur einer Nacht zunichte machen", sagt Spennesberger. Wenn die Triebe der Bäume durch den Frost zerstört werden, kommen unzählige nach. Die Bäume verlieren ihre Form und werden strauchartig; für den Handel wären sie nicht mehr geeignet.

Christbaumzweiglein: Die Bewässerungsanlage der Plantage dient nicht primär der Wasserversorung, sondern dem Schutz vor Spätfrost. (Foto: Jørgensen)

"Die ganze Familie ist wahnsinnig stolz, vor allem mein Vater", sagt Spennesberger. "Er hat die meisten Zweifel gehabt." Die Arbeiten zogen sich fast über ein ganzes Jahr hinweg. "Manchmal wussten wir nicht mehr weiter. Allein der ganze Schmutz. Es war ein harter Kampf - und jeden Tag ein Erlebnis." Tannenbäume züchtet die Familie schon seit mehr als 30 Jahren, erzählt der Landwirt.

Die Fläche, die sie bewirtschaftet, bemisst fast 50 Hektar und verteilt sich quer über den Landkreis - von Oberweilbach bei Dachau über Hörgenbach in der Gemeinde Markt Indersdorf bis nach Ziegelberg auf der Gemarkung Petershausen. Jährlich verkauft der Betrieb mehrere Tausend Bäume. Die Familien kommen bis aus München, um sich mit dem Traktor in den Wald kutschieren zu lassen und sich ihren Baum selbst zu schlagen. "Es ist jedes Jahr eine große Party", beschreibt Spennesberger den Event-Charakter seines Christbaumverkaufs. Neuerdings vertreibt er seine Bäume auch über einen Online-Versand.

Bleibt die Frage, ob sich der Wasserspeicher nicht doch als Naturbad nutzen ließe. Doch solche Sommerträume haben sich schnell wieder erledigt: Ein Schild an dem 1,80 Meter hohen Zaun, der das Gewässer umgibt, macht unmissverständlich klar: "Zutritt für Unbefugte verboten." Spennesbergers Kinder, so erzählt der Landwirt, haben vor zwei Wochen allerdings eine Schlauchbootfahrt über den See gemacht. Er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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