Einbürgerungsempfang:Viele Wege, eine Heimat

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Familie Al-Tashi: Mutter Afaf, Miriam (l.), Abraar und Vater Basheer haben nun einen deutschen Pass. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Knapp 300 Menschen aus dem Landkreis haben sich im vergangenen Jahr dazu entschieden, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Für jeden bedeutet der Schritt etwas anderes. Die meisten leben schon lange hier.

Von Victor Ünzelmann, Dachau

Mitarbeiter des Landratsamtes haben die bayerische, die deutsche und die europäische Fahne nebeneinander in der Aula der Realschule Dachau aufgestellt. Am Montagabend steht Landrat Stefan Löwl (CSU) direkt davor und spricht zu den Gästen. Löwl deutet auf die Fahnen hinter ihm, dann zitiert er Franz Josef Strauß, der einst gesagt hatte: "Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft."

Etwa 70 Menschen sind zum Einbürgerungsempfang in die Aula der Realschule Dachau gekommen. Das Publikum ist bunt gemischt, die meisten Gäste haben sich förmlich gekleidet, manche haben sich in eine Tracht geworfen. Sie sitzen auf den Stühlen vor dem Rednerpult und lauschen den Reden von Landrat Löwl, Bezirks-Heimatpfleger Norbert Göttler und Ahmad Navid, Sprecher des Asyl- und Integrationsbeirats. Dazwischen spielt das Trio des Erdweger Saloon Orchesters auf Geige, Keyboard und Klarinette. Bevor Landrat Löwl das Buffet eröffnet, singen die Anwesenden die erste Strophe des Bayernliedes und die dritte Strophe der deutschen Nationalhymne.

Seit 2017 veranstaltet das Landratsamt den Empfang, um die neuen Staatsbürger des Landkreises zu begrüßen. Der Akt ist nicht verpflichtend, um die Staatsbürgerschaft zu erhalten, die Zeremonie hat einen rein symbolischen Stellenwert. Es soll eine nette Geste sein. Seit dem Empfang im vergangenen Jahr haben knapp 300 weite Menschen aus dem Landkreis die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Sie stammen insgesamt aus 48 verschiedenen Ländern, eine Person war staatenlos. Die meisten, nämlich jeweils 33 Bürger, kommen ursprünglich aus der Türkei und Großbritannien. Vor dem Hintergrund des drohenden Brexit und eines autokratischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan sprechen diese Zahlen für sich.

Sumin Choe, seine Familie hat ihn begleitet. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dass sie nun die deutschen Staatsbürgerschaft erhalten haben, bedeutet für jeden der Anwesenden etwas anderes. Wer vorher EU-Bürger war, für den sind die Veränderungen im Alltag wohl nicht besonders gravierend. Wer hingegen vorher staatenlos war, für den eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten. Jing Zulehner, 37, ist ein bisschen aufgeregt, sie ist mit ihrem Mann gekommen. Ihr ist eine feierliche Zeremonie zum Erhalt der Staatsbürgerschaft wichtig. Sie musste ihre chinesische Staatsbürgerschaft aufgeben, um die deutsche zu erhalten. Sie lebt seit 15 Jahren in Deutschland. Für sie war es einfach der richtige Schritt, den deutschen Pass zu beantragen, schließlich hat sie hier ihren Lebensmittelpunkt. Ihr Mann erzählt, dass es auch beim Reisen seltsam war, sich an verschiedenen Schlangen anzustellen. Er stand in der Schlange für EU-Bürger, sie musste sich separat anstellen.

Weniger aufgeregt ist Sandra Granocchia, 45. Sie ist in Deutschland aufgewachsen und fühlt sich schon immer deutsch. Mit 16 Jahren musste sie sich entscheiden zwischen der italienischen und der deutschen Staatsbürgerschaft, sie entschied sich für die italienische, auch wegen ihrer Eltern. Im Nachhinein findet sie das Alter zu früh, um so eine Entscheidung zu fällen. Wegen allgemeiner Zugehörigkeits- und Identitätsfragen und auch des Wahlrechts beantragte sie nun den deutschen Pass.

Auch Sumin Choe, 17, wirkt nicht besonders aufgeregt. Er ist mit seiner Mutter Yu Jin Kim und seiner Schwester Su Jin Choe zum Empfang gekommen. Er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Er fühlt sich deutsch. Bei seiner Mutter ist das anders, sie hängt an ihrer Heimat Süd Korea. Um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten müsste sie, wie ihr Sohn, ihre alte Staatsangehörigkeit aufgeben. Eine schwierige Entscheidung.

Ein Geschenk zum Empfang. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das findet auch Sylvia von Zubein, sie konnte ihre brasilianische Staatsangehörigkeit behalten. Bei der Frage, ob sie auch ihre alte Staatsangehörigkeit aufgegeben hätte, um die deutsche zu bekommen, hält sie inne. Gerade wurde die Nationalhymne gesungen, sie ist gerührt. Sie wollte einfach dazu gehören, deshalb wollte sie einen deutschen Pass haben.

Für Basheer Al-Tashi ist Sicherheit der wichtigste Grund, weshalb er mit seiner Frau und beiden Kindern die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt hat. Vor 16 Jahren ist er zum Studieren aus dem Jemen nach Deutschland gekommen. Jetzt arbeitet er hier und hat eine Familie. Er fühlt sich nach der Zeremonie nicht wirklich anders als vorher, wie er sagt. Seine Tochter Abraar sagt trotzdem, dass ihr hier in Deutschland etwas fehle: "Oma und Opa." Sie sind im Jemen.

Aurelie Krug lebt seit 2003 in Deutschland. Auch weil sie wenig Kontakt zu ihrer alten Heimat Frankreich hat, wollte sie die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihr Mann, der sie an diesem Abend begleitet, fügt hinzu, dass es beim Reisen einfacher ist, wenn beide die gleiche Staatsangehörigkeit haben. Andernfalls müsse man zu zwei unterschiedlichen Botschaften, wenn etwas passiere. Für seine Frau war der Hauptgrund aber, das Wahlrecht zu erhalten und bei politischen Entscheidungen mitbestimmen zu dürfen.

Nach den Förmlichkeiten tummeln sich die Gäste in der Aula, trinken Sekt und genießen das Buffet. Es gibt kleine Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat, Schnittchen, Mini-Brezen mit Butter. Ziemlich deutsch.

© SZ vom 03.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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