Dachau:19-Jährige gewinnt Poetry-Slam in der Kulturschranne

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Acht Poetinnen und Poeten aus ganz Deutschland buhlen um die Gunst des Publikums. Die Aiblingerin Eva Niedermeier setzt sich durch.

Von Katarina Machmer, Dachau

"Wir wollen, dass das gesprochene Wort regiert", so eröffnet Moderator Ko Bylanzky den Poetry Slam "Ich über mich", der anlässlich des Poetischen Herbst veranstaltet wird. Acht Poetinnen und Poeten treten auf, am Ende soll ein Sieger gekürt werden. Für diesen Titel kommt bereits der erste Dichter in Frage: Yannik Sellmann aus München überrascht mit Wortwasserfällen aus zungenbrecherischen Versen, die ihn im Teenageralter darstellen: als einen vom Durchschnitt abweichenden Jugendlichen mit einer dem Autismus ähnlichen psychischen Krankheit, einer Psychose, die ihn seit seinem zwölften Lebensjahr begleitet. Als Jugendlichen, der sein Glück bei Mädchen auf Facebook versucht - und trotzdem sagt keine "Miau". Seine Texte zeigen ihn aber auch als Jugendlichen, der sich in all seiner Verschrobenheit sagt: "Normal ist doch auch stinklangweilig."

Auch Friedrich Herrmann, Landesmeister aus Jena, amüsiert das Publikum mit einem Einblick in seine Vorlieben wie dem Schlafen oder gewissen Sprachspielen, bei denen er aus bekannten Filmtiteln durch das Weglassen eines Buchstabens neue macht, beispielsweise "der Herr der Inge".

Zudem begeistert die 21-jährige Lea Sofia Nikiforow aus München mit einer Selbstkritik das Publikum: Sie spricht darüber, ihre Pflichten rechtzeitig anzugehen. Und Jaromir Konecny stürzt die Besucher in Lachkrämpfe mit seiner Geschichte "Ich als Tscheche" über eine Chinesin, die ihn dazu auffordert, Wörter voller Umlaute auszusprechen, wozu er nicht fähig ist.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Humorvoll, sarkastisch, nachdenklich: Jaromir Konecny,...

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(Foto: Niels P. Joergensen)

...Eva Niedermeier...

...und Antonia Lunemann überzeugen das Publikum in der Kulturschranne. Die Jury hat es nicht leicht - und entscheidet sich am Ende für Niedermeier als Siegerin.

Nachdenklich gestimmt wird der Zuhörer bei dem Auftritt von Viktoria Helene Bergmann, deren Vortrag Gänsehaut erzeugt. "Ich komme da her, wo die Flaggen auf Halbmast hängen", beginnt sie und erzählt von menschlicher Oberflächlichkeit und der Gewohnheit, wirklich wichtigen Dingen des Lebens aus dem Weg zu gehen.

Couscous zum Grillen

In starkem Kontrast zu ihrer ernsten Darbietung steht allerdings ein Poet, den man auch Alleinunterhalter nennen könnte: Felix Bartsch aus Bonn, Finalist der rheinland-pfälzischen Meisterschaften. Er bringt zum Grillen auch mal Couscous mit und würde sicherlich einen großartigen schwulen besten Freund abgeben, das erzählt er voller Selbstironie in seinem Text "Weichgekochtes Frühstücksei" - ein Titel, der bereits nach den ersten paar Sätzen Bartschs darauf schließen lässt, wer dieses Weichei ist: kein geringerer als er selbst. Das Publikum schenkt dem Poeten für dessen Selbsterkenntnis einige Lacher, die er allerdings nicht als Geschenk ansieht, wissend, dass man sich soeben über ihn lustig gemacht hat.

Die 20-jährige Antonia Lunemann beeindruckt mit "Rauchst du? Ne, ich paffe", ein Text, dessen kluge, leidenschaftlich und manchmal fast wütend vorgetragenen Worte beeindrucken und zu Herzen gehen - ein Text, dessen Einzigartigkeit man nicht schildern kann, durch den Versuch, ihre Leistung zu beschreiben.

Warten auf den Anschluss

Und dann gibt es da noch Eva Niedermeier aus Bad Aibling. Sie bringt sich gleich von Anfang an Sympathie ein mit ihrem Text "Bahnhofskneipe". In einer solchen saß die 19-Jährige, weil sie in Stuttgart immer ihren Zug verpasst, schon öfter, auf den nächsten Anschluss wartend, Gedanken nachhängend - Gedanken, die sich geradezu überschlagen, als sie eines nachts gefragt wird, wer sie ist. Mit weicher Stimme bietet Niedermaier dem Zuhörer eine Selbstreflexion und erntet dafür großen Applaus. Zusammen mit Lunemann und Bartsch schafft sie es ins Finale. Und weil es einen Gewinner geben muss, entscheidet sich das Publikum am Ende für sie. Und sie hat es verdient: Selbstbewusst steht die 19-Jährige auf der Bühne, eine Flasche, die sie gewonnen hat, in der Hand haltend. Sie probiert einen Schluck. "Schmeckt gut", sagt sie und freut sich.

Bettina Löwl, die mit ihrem Mann, Landrat Stefan Löwl, zuschaut, fiebert mit. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die letzten Veranstaltungen des Poetischen Herbst finden am Dienstag, 18. Oktober, um 20 Uhr, und am Freitag, 21. Oktober, um 20 Uhr statt. Am Dienstag, die Lesung des Theaterstücks "Welcome to Paradise" in Bergkirchen, am Freitag, ein Chansonabend mit Janet Bens in Haimhausen.

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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