Dachau:In der Sackgasse

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Eine Gesetzesänderung zur Finanzierung des Straßenausbaus stellt Oberbürgermeister Florian Hartmann vor ein Rätsel. Für Dachau wie für die Bürger könnte es sehr teuer werden. Der OB sucht nach einem Ausweg

Von Viktoria Großmann, Dachau

46 Straßen in vier Jahren ausbauen zu müssen, vor dieser Aufgabe sieht sich die Stadt Dachau durch eine Gesetzesänderung. Geschätzte 15 Millionen Euro soll das kosten, den größten Teil davon sollen die Bürger tragen. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) will sich mit diesem Vorgehen nicht anfreunden. "Ich finde das einen Wahnsinn", sagt er.

Laut Rechtsauffassung des Landratsamts muss die Stadt während einer Übergangsphase von vier Jahren so viele Straßen wie möglich erstherstellen. Das heißt, sie nach gesetzlichem Standard ausbauen. Dazu gehören eine ausreichend dicke Teerdecke und Gehwege. Nicht nur in Dachau, in ganz Bayern wurden solche Arbeiten in vielen Kommunen mehr als 40 Jahre lang verzögert. Mit der Folge, dass die Anwohner zum Teil keine Beiträge für die Erschließung ihrer Straßen gezahlt haben.

In Bayern müssen Anwohner jedoch sowohl für die Erschließung als auch für die spätere Sanierung von Straßen zahlen. Das können im Einzelfall mehrere Zehntausend Euro sein. Nach dem neuen Gesetz haben Kommunen nun noch 25 Jahre Zeit, Straßen entsprechend auszubauen und den Bürgern Rechnungen zu schreiben. Danach müssen sich die Bürger auch noch beteiligen, aber zu einem geringeren Anteil. Während einer Übergangsfrist dürfen Kommunen ältere Straßen erstherstellen und den vollen Beitragssatz abrechnen.

Im Dachauer Rathaus versteht man das als Aufforderung, so viele Straßen wie möglich herzustellen und abzurechnen, weil sonst Geld verloren ginge. Allerdings steht Dachau im Landkreis und auch darüber hinaus bisher ziemlich alleine da mit dieser Haltung. Das Innenministerium erklärt dazu, es sei dem Gesetzgeber bewusst, dass den Kommunen durch die Regelung Geld verloren gehe. Das Gesetz geht sogar noch weiter: Es räumt den Städten und Gemeinden die Möglichkeit ein, Anwohnern, deren Straßen nun nach Jahrzehnten ersthergestellt werden, einen Rabatt zu gewähren.

Hartmann reicht das nicht aus. "Das Gesetz ist nicht eindeutig genug." Er fürchtet, dass der Kämmerei am Ende vorgeworfen werden könnte, auf Einnahmen verzichtet zu haben. Immerhin heiße es im Gesetz auch, die Kommunen sollten Prioritäten setzen, um auch finanziell den besten Schnitt zu machen. Allein eine solche Prioritätenliste zu erstellen, sei aufwendig und dauere lang, sagt Hartmann. Dazu müssten jahrzehntealte Akten gesichtet und festgestellt werden, welche Anwohner möglicherweise schon vor 30 oder mehr Jahren Zahlungen geleistet haben. Eine Aufgabe, die vom Bauamt schwerlich noch geleistet werden könne. Der Oberbürgermeister ist der Meinung, er müsse eine Stelle schaffen. Tatsächlich wurden zwei Stellen vom Haupt- und Finanzausschuss in selten schneller Entscheidungsfindung bereits genehmigt. Eine unbefristete Ingenieursstelle und eine Sachbearbeiterstelle plus Geld für weitere externe Aufträge.

Hartmann hadert damit: "Personal einzustellen widerspricht dem wirtschaftlichen Handeln, das von uns gefordert wird." Nach mehrmaligen Anfragen ans Ministerium habe er noch keine ausreichende Antwort erhalten. Vorsichtshalber, sagt er, "gehen wir deshalb jetzt in die Vollen". Hartmann will sich später nichts vorwerfen lassen. "Wir werden es sowieso nicht schaffen, alle Straßen während der Frist fertig zu bauen", sagt er. Ende September hatte die Stadt eine Liste der wahrscheinlich betroffenen Straßen vorgelegt, insgesamt sind es acht Kilometer. "Die eigentliche Frage ist doch", sagt Hartmann verärgert, "warum wurden diese Straßen seit 40 Jahren nicht abgerechnet?"

Auffällig ist, dass bis auf Vierkirchen andere Gemeinden im Landkreis das Thema deutlich gelassener angehen. Dort mag es weniger betroffene Straßen geben. Trotzdem sieht das neue Kommunalabgabengesetz keiner so streng wie Dachau, wo man sich auf die Rechtsaufsicht im Landratsamt beruft und schon Geld in den Haushalt einstellt. Auch in Vierkirchen wird das Thema angepackt, eine Fachkraft wurde angestellt. Sie soll dokumentieren, in welchem Zustand die Straßen sind und wie dringend sie ausgebaut werden müssen. Zurückhaltend geben sich bisher der Markt Indersdorf und Karlsfeld, wo es ebenfalls seit mehr als 25 Jahren nicht ordnungsgemäß ausgebaute Straßen gibt.

Verschiedene Gemeinden, etwa Hebertshausen und Pfaffenhofen, bestellten sich Experten in den Gemeinderat, um Fragen zum neuen Gesetz zu klären. Dabei ging es meist um sogenannte wiederkehrende Beiträge. Gemeint ist eine Art Ratenzahlung der Bürger. Die Gemeinde darf demnach über einen längeren Zeitraum kleinere Beträge für ein Projekt erheben. Das Modell findet nirgendwo Anklang. Auch in Dachau nicht. "Einzig sinnvoll wäre eine Grundsteuer C für den Straßenbau", sagt Hartmann und schließt sich der Meinung des Hebertshausener Bürgermeisters Richard Reischl (CSU) an. Einen Experten will er vorerst nicht in den Stadtrat bestellen. "Ich bin da noch dran. Ich will mich nicht zufriedengeben, damit, wie es jetzt ist."

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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