IHK-Sitzung:Firmen klagen über Bürokratie und Arbeitskräftemangel

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Der Dachauer Regionalausschuss der IHK mit Bundestagsabgeordneten in der ersten Reihe: Michael Schrodi (SPD, zweiter v.l.), Beate Walter-Rosenheimer (Grüne, zweite v.r.) und Katrin Staffler (CSU, r.). (Foto: IHK München)

Bei der Sitzung des Dachauer IHK-Regionalausschusses sind auch die Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises zu Gast. Im Gespräch mit regionalen Unternehmern wird klar: Der Leidensdruck ist groß.

Von Gabriele Blaschko, Odelzhausen

Johannes Peter Kiehl ist Unternehmer in Odelzhausen. Im Gewerbegebiet der Gemeinde ist sein Betrieb kaum zu übersehen: Die verspiegelte Fassade des Gebäudes des Reinigungsmittelherstellers ist mit Seifenblasen verziert. Doch intern ist von Glanz und Gloria derzeit nicht viel zu spüren. "Ich bin nur noch an allen Ecken und Enden am kämpfen", sagt Kiehl. Der Personalmangel und die vielen arbeitsrechtlichen Vorschriften des Staates machen dem Geschäftsführer zu schaffen. Und damit ist er nicht allein.

Knapp 20 weitere Unternehmerinnen und Unternehmer haben sich an diesem späten Montagnachmittag bei Kiehl zur Regionalausschusssitzung der IHK Dachau eingefunden. Auch drei besondere Gäste aus Berlin sind der Einladung gefolgt: Die Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Dachau/Fürstenfeldbruck Katrin Staffler (CSU), Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis90/Die Grünen) und Michael Schrodi (SPD) wollen an diesem Tag mit den IHK-Mitgliedern und weiteren Interessierten ins Gespräch kommen. Die aktuelle Wirtschaftslage ist in lokalen Unternehmen wie Kiehl unmittelbar spürbar. Was also kann die Bundespolitik tun, um lokale Unternehmen zu entlasten?

Unternehmer klagen den Bundestagsabgeordneten ihr Leid

Johannes Peter Kiehl meldet sich als Erster zu Wort: "Ich verwalte mittlerweile Mangel." Immer mehr Mittelständler wie er fürchten hierzulande um ihre Existenz. Viele Aufträge könne er derzeit nicht mehr annehmen, Liefertermine nicht einhalten. So wie vor zwei Jahren, erzählt Kiehl, als der Saharastaub-Regen nach Deutschland kam. Eigentlich eine optimale Situation für den Reinigungsmittelhersteller, aber "ich war dabei, mich bei Kunden zu entschuldigen, dass wir nicht mehr liefern können", sagt Kiehl.

Verantwortlich dafür macht er unter anderem den großen Personalmangel - er findet kaum noch Arbeitskräfte. Auch, weil viele von ihnen vor der Steuerbelastung zurückschrecken. Als weiteres Problem sieht er den hohen Arbeitsschutz. Manche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reizen ihre Grenzen aus, vom Job-Rad bis zur Vier-Tage-Woche versuche Kiehl alle Wünsche zu erfüllen, sagt er. "Wir teilen aus ohne Ende." Darunter leide die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Das "Wohlfühlprogramm" für die Mitarbeitenden fahre das Unternehmen langfristig an die Wand. Er fordert mehr Rechte für Unternehmer.

Für seine Schilderungen erntet er nickende Zustimmung aus der Runde. "Das ist kein Einzelschicksal", stimmt ihm auch Unternehmer Ferdinand Kloiber zu. Beate Walter-Rosenheimer findet als erste Worte für Kiehls Schilderungen: "Das war gut, weil es so drastische Darstellungen waren." Eine mögliche Lösung für den Personalmangel sieht Michael Schrodi zum einen im neuen Bürgergeldgesetz, zum anderen in der "qualifizierten Zuwanderung". Helfen soll hier das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Der SPD-Politiker macht sich auch für den Ausbau der Kinderbetreuung stark. So könne man Frauen unterstützen, die Vollzeit arbeiten wollen. Die Menschen in Arbeit bringen, das ist sein Plan; von Steuersenkungen will er absehen.

Bürokratie-Abbau gestaltet sich schwierig

Auch Unternehmerin Andrea von Haniel von den E-Werken Haniel Haimhausen hat ein Anliegen. Sie spricht die enormen bürokratischen Hürden für Unternehmen an. Welches Gesetz oder welche Vorschrift wollen die Abgeordneten zuerst abschaffen? Beate Walter-Rosenheimer räumt ein, dass es zur Bewältigung der Wirtschaftskrise "unternehmerische Freiheit" brauche und fragt Kiehl, welches Gesetz er am liebsten abschaffen würde.

Die Antwort kommt aus der Runde: Das Kündigungsschutzgesetz; das sei nicht erst seit gestern ein Problem, aber "es wird immer schlimmer", sagt Franz Xaver Roming. Der Unternehmer ist seit 20 Jahren Mitglied der IHK. Er fordert nicht die Abschaffung des Gesetzes, aber eine klare Regelung. Er will "die Möglichkeit haben, sich von denen, die nicht gut sind, auch mal zu trennen". In Deutschland sei eine fristlose Kündigung nur mit Beweisen möglich. Das sei aufwendig und kaum praktikabel, sagt Kiehl.

Ein Bürokratieproblem sieht Katrin Staffler dort, "wo der Staat sich in Mikromanagement versucht". Die CSU-Politikerin kritisiert Vorschriften, die in den Arbeitsalltag eingreifen und diesen unnötig erschweren. Dazu gehörten Arbeitszeitregelungen ebenso wie Prüfvorschriften für Arbeitsmittel. Unternehmer Jens Horst stimmt ihr zu: "Der Staat muss nicht alles regeln, das kriegen wir schon hin."

Nachhaltigkeit wird zum "Draufzahlgeschäft"

Aus der Logistikbranche sitzt Ferdinand Kloiber in der Runde. Auch er hat mehrere Punkte, die er den Abgeordneten mit auf den Weg geben möchte. Unter anderem geht er auf die große Aufgabe der "Dekarbonisierung" ein. Klimawandel und nachhaltiges Wirtschaften spielten in den Unternehmen eine immer größere Rolle. Das Problem: Viele könnten sich Elektroautos oder grüne Energie nicht leisten. Die Existenzkrise, in der sich viele Unternehmer befänden, lasse ein Engagement für nachhaltige Lösungen kaum zu. Ein "Draufzahlgeschäft" nennt es Kloiber: "Da muss ganz deutlich etwas passieren." Schrodi stimmt zu und spricht sich für finanzielle Unterstützung aus. Wie die Umsetzung aussehen soll, bleibt offen.

Nach eineinhalb Stunden Diskussion kann noch lange nicht von Lösungen gesprochen werden. Aber ein erster Schritt ist getan: Die Abgeordneten haben sich ein Bild von der Lage gemacht. Allen ist klar: Das soll nicht der letzte Austausch gewesen sein.

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