Nach 25 Jahren:Dachauer Gemeinschaftsunterkunft schließt

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Die Regierung kündigt den Pachtvertrag für das Areal an der Kufsteiner Straße. Wo die 124 Flüchtlinge unterkommen sollen, ist unklar.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Dachau wird geschlossen. Der Pachtvertrag für das Grundstück an der Kufsteiner Straße wurde mit Wirkung zum 31. Oktober gekündigt, teilt die Regierung von Oberbayern der SZ mit. Bei den Vertragsverhandlungen für eine längerfristige Nutzung - bis der Ersatzbau errichtet ist - sei mit dem Eigentümer keine Einigung erzielt worden. Die Regierung kündigt an, in Abstimmung mit der Stadt und dem Landratsamt Dachau auf die Suche nach einem "geeigneten Grundstück oder Bestandsgebäude als Alternativstandort" zu gehen.

Errichtet wurden die Baracken am Stadtrand Anfang der Neunzigerjahre. Die Wohnverhältnisse gelten als katastrophal. Es ist laut, im Sommer kann es in der Unterkunft sehr heiß werden, die aus Holz errichtete Anlage ist aufgrund ihres Alters völlig marode; durch die bunte Bemalung wird das nur nach außen kaschiert. Wiederholt hatten Kommunalpolitiker die Unterkunft, in der zahlreiche Familien leben, als unhaltbar und menschenunwürdig bezeichnet. Wohin die 124 Flüchtlinge ziehen sollen, ist noch unklar.

Die Holzbaracken an der Kufsteiner Straße waren als Provisorium gedacht. Nun stehen sie schon seit rund 25 Jahren. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dabei gibt es schon lange Pläne für eine Ersatzunterkunft. 2013 hatte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) angekündigt, dass der Freistaat in Dachau einen Neubau mit abschließbaren Wohnungen für Asylbewerber errichten wird. 2014 wurde eine Machbarkeitsstudie erstellt und dem bayerischen Sozialministerium vorgelegt, um die Finanzierung zu klären. Seitdem ist es still um das Dachauer Vorzeigeprojekt geworden. Manfred Schuster, Besitzer des Nachbargrundstücks, auf dem der Bau errichtetet werden sollte, hat nie wieder etwas von den Plänen gehört. "Das ist irgendwie versandet." Eine entsprechende Nachfrage der SZ über den Sachstand der Pläne ließ die Regierung von Oberbayern unbeantwortet.

Für die Flüchtlingsunterbringung in der Großen Kreisstadt wird die Schließung der Gemeinschaftsunterkunft nicht ohne Folgen bleiben. Der Stadtrat hat dem Landkreis 24 Orte im Stadtgebiet angegeben, an denen seiner Einschätzung nach Unterkünfte errichtet werden könnten. Sechs davon hat das Landratsamt in die engere Auswahl gezogen. Nun geht es nur noch darum, in welcher Reihenfolge sie belegt werden. "Wir müssen jeden Standort nehmen, der geht", sagt Landrat Stefan Löwl (CSU). Sollten 2016 noch einmal rund eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommen, müsste der Landkreis nach den Prognosen bis Jahresende etwa 3200 Menschen unterbringen - bedingt durch den Wegfall der Unterkunft an der Kufsteiner Straße wären das unterm Strich etwa 1500 Flüchtlinge zusätzlich, davon 600 bis 800 allein in der Stadt Dachau. Derzeit leben im Landkreis knapp 1900 Asylbewerber, darunter 50 anerkannte Flüchtlinge, die im Sammellager leben müssen, weil sie noch keine Wohnung gefunden haben.

Bis Anfang April hätte der Landkreis nach diesem Szenario noch genügend Kapazitäten und müsste nicht einmal auf die Berufsschulturnhalle in Dachau zurückgreifen. "Danach sieht es mager aus", sagt der Landrat. Deshalb arbeitet seine Behörde jetzt schon mit Hochdruck an weiteren Flüchtlingsunterkünften. Löwl geht davon aus, dass 2016 jede Gemeinde "mindestens 50 Flüchtlinge" im Ort haben wird; in Indersdorf dürften es etwa 100 sein, in Karlsfeld 500 und in Dachau bis zu 800.

Trotz der hohen Zahlen sollen die Traglufthallen, die bis zu 300 Menschen fassen, nach und nach wieder verschwinden - ausdrücklich auch die in Karlsfeld. Traglufthallen seien von Anfang an nur als befristete "Zwischenlösung" vorgesehen gewesen, sagt Löwl. In der Karlsfelder Massenunterkunft gibt es immer wieder Auseinandersetzungen, für die der Landrat einzelne Unruhestifter verantwortlich macht. Allerdings gibt es von Bewohnern und ehrenamtlichen Helfern immer wieder Kritik an den Lebensbedingungen in der Halle.

Das Landratsamt setzt nun auf "eher dezentrale" Lösungen mit kleineren Einheiten. Allerdings wird es immer schwieriger, entsprechende Flächen zu bekommen. Wird ein Standort bekannt, regt sich gleich Widerstand in der Nachbarschaft. Erfahrungsgemäß lege sich die Aufregung wieder, sobald die Einrichtung in Betrieb sei, sagt der Landrat. "Die Befürchtungen haben sich nie bestätigt."

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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