Dachau:Gefährliche Liebe

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Ein 34-Jähriger infiziert seine Partnerin wissentlich mit HIV und erhält eine Bewährungsstrafe.

Von Benjamin Emonts

Aus Angst die Partnerin zu verlieren, verheimlicht der Angeklagte seine Erkrankung. (Foto: dpa)

Kurz vor der Urteilsverkündung blickt der Angeklagte lang und intensiv in das Gesicht der Zeugin. Er blickt in die Augen der Person, von der er sagt, dass er sie liebt: "Die Frau meines Lebens." Es ist aber auch die Frau, die er wissentlich mit HIV angesteckt hat. Ihm war bekannt, dass er das Virus in sich trägt. Trotzdem hatte er über mehrere Jahre ungeschützten Geschlechtsverkehr mit seiner Partnerin. Das Amtsgericht Dachau verurteilte ihn zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt ist.

Beide sind noch ein Paar. Das Opfer sagt vor Gericht: "Anfangs war ich schon sauer. Aber ich habe ihm verziehen." Der Angeklagte selbst spricht nur leise, als er dem Gericht einen Einblick in seine Gefühlswelt gibt. "Ich hatte Angst, sie zu verlieren", sagt er demütig. "Man weiß einfach nicht, wie es weiter geht, und versucht alles, es nicht nach außen kommen zu lassen." Als Aidskranker fühle er sich nicht nur als Mensch dritter Klasse, sondern noch schlimmer: als Aussätziger. Denn wie die Leute mit einem umgehen, sei herabwürdigend. Und: "Es schmerzt, zu sehen, wie verschreckt sie von einem sind." Dass seine Freundin ihn liebte, habe er gewusst. "Aber ich bin realistisch. Sie hat immer gesagt, sie wäre immer für mich da, aber es fällt schwer, das zu glauben."

Die Diagnose HIV hatte der heute 34 Jahre alte Mann an seinem 27. Geburtstag erhalten. Irgendwann in dieser Zeit lernt er seine Freundin kennen, die damals bereits zwei Kinder hatte. Sie sind dementsprechend nicht HIV-positiv. Im ersten halben Jahr der Beziehung hat das Paar noch geschützten Geschlechtsverkehr. Doch dann äußert seine Partnerin den Wunsch, auf Verhütungsmittel zu verzichten. Der Angeklagte macht mit - in der Hoffnung, seine Freundin nicht zu infizieren. Doch schließlich passiert es: Im Jahr 2010 - während eines Krankenhausaufenthalts des Angeklagten - erfährt die Zeugin von dessen Erkrankung. Ihr anschließender Aidstest ist positiv. "Anfangs war es ein Schock. Aber jetzt ist es in Ordnung", sagt die fast teilnahmslos wirkende Zeugin. Doch ob sich die Frau angesteckt hat, bevor oder nachdem der Angeklagte über seine Erkrankung Bescheid wusste, ist auch dem Gericht unklar. Deshalb wird dem 34-Jährigen aus dem Landkreis Dachau lediglich der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen.

Trotzdem schläft der Mann zwischen 2006 und 2010 regelmäßig mit seiner Freundin - im Wissen, infiziert zu sein. "Gerade einer Person, die man so gern hat, muss man von der Krankheit erzählen", wirft ihm Amtsrichterin Svenja Lux vor. Der sichtlich betroffene Angeklagte antwortet: "Die Verlustangst, die Angst davor, abgestempelt zu werden. Man sieht nichts Positives darin, Klarheit zu schaffen. Ich war in einer Gefühlswelt gefangen."

Acht Jahre nach der Diagnose gibt der Angeklagte an, körperlich und geistig nichts von der Erkrankung zu merken. Bis 2010 hatte der Mann auch nichts unternommen, inzwischen aber lässt er sich gemeinsam mit seiner Partnerin therapieren und nimmt regelmäßig Medikamente. "An der Virenlast hat sich seither nichts geändert", sagt der intelligent wirkende, eloquente Angeklagte. Auch seine Partnerin gibt an, ihr Leben habe sich nicht großartig geändert. "Ich kann trotzdem noch vom gleichen Löffel wie meine Kinder essen. Man ist halt vorsichtig bei Verletzungen", sagt sie. Tatsächlich hat die Medizin in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte in der Behandlung des HI-Virus gemacht. "Ein Trost", wie die Anwältin des Angeklagten sagt.

Die mit dem Virus infizierte Zeugin hätte ihren Lebensgefährten aber ohnehin nicht angezeigt, "ihrerseits bestand keinerlei Strafinteresse", sagt Svenja Lux in ihrem Urteilsspruch. Der Fall sei laut Richterin Lux nur deshalb angezeigt worden, weil das heute 32-jährige Opfer im Zuge einer polizeilichen Befragung ihre Erkrankung erwähnt hatte. So sei der Fall schließlich über die Polizei zur Staatsanwaltschaft gelangt.

So oder so: Lux legt dem Angeklagten zur Last, seine Partnerin wissentlich mit einer Krankheit angesteckt zu haben, die untherapiert zum Tode führt. "Es war kein einmaliger, sondern ein dauerhafter Kontakt", sagt die Richterin. Die Partnerin des Angeklagten gibt an, ihrem Freund längst verziehen zu haben. Den Gerichtssaal verlässt das Paar Arm in Arm.

© SZ vom 19.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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