Stadtpolitik:Gefährdete Altstadt

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Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler hält den Stadträten den Spiegel einer Altstadt voller Unstimmigkeiten vor und plädiert nochmals eindringlich für einen externen Denkmalschützer als Berater

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Nachdem der Stadtrat im November einen ehrenamtlichen Heimatpfleger für Dachau abgelehnt hat, appelliert der oberbayerische Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler an das Gremium, den Beschluss nochmals zu überdenken. Dazu verweist er auf die aus seiner Sicht unstimmige Entwicklung der Innenstadt: "Ich halte es für eine gewagte These, dass die Altstadt in ihrer Gesamtheit optimal denkmalschützerisch geschützt wird." Ein Heimatpfleger mit Sachverstand, der ehrenamtlich tätig ist, könnte Entscheidungen im Sinne eines besseren Denkmalschutzes beeinflussen.

Auf der Sitzung des Bauausschusses hatte sich Mitte November vergangenen Jahres eine klare Mehrheit gegen einen gemeinsamen Antrag von Norbert Göttler und Kreisheimatpflegerin Brigitta Unger-Richter gewandt. CSU-Stadträtin Gertrud Schmidt-Podolsky argumentierte dagegen: Ein gleichlautender Antrag sei bereits vor acht Jahren gestellt und abgelehnt worden. Sie verwies auf die gängige Praxis. Demnach besprechen sich einmal monatlich Vertreter der Denkmalschutzbehörde, der Stadt Dachau und die jeweils zuständigen Gebietsreferenten des Landesamts für Denkmalpflege über die jeweils anhängigen denkmalschützerischen Fragen bei einzelnen Bauvorhaben. Auch ÜB-Stadtrat Rainer Rösch vertrat die Auffassung, dass diese Stelle doch nur zu Verzögerungen führe. "Wir brauchen keine weitere Schnittstelle", sagte Schmidt-Podolsky. Günter Heinritz (SPD) sah das Problem eher darin: "Es kommt darauf an, wer das sein sollte. Nur eine überzeugende Persönlichkeit kann nützlich sein." Kulturreferent Claus Weber (Freie Wähler Dachau) plädierte für den Antrag, diese Schnittstelle sei in der Tat nötig. Er erwartet sich einen großen Nutzen von einer fachlichen Beteiligung. Dachau muss als Große Kreisstadt mit einem vom Landkreis unabhängigen Bauamt einen eigenen Heimatpfleger bestellen. Unger-Richter hatte sich angeboten, diese Aufgabe ebenfalls zu übernehmen.

Im Gespräch mit der SZ versucht Bezirksheimatpfleger Göttler die Kritik der Stadträte zu entkräften. Er lebt selbst im Landkreis und war Unger-Richters Vorgänger. Zunächst klärt er über die juristischen Vorgaben auf. Demnach sieht der Freistaat für Große Kreisstädte wie Dachau "grundsätzlich" einen Heimatpfleger vor. Sollte sich eine Stadt anders entscheiden, müsste sie die Ablehnung gegenüber der Regierung von Oberbayern eigens begründen. Göttler sagt: "Dachau ist die einzige Große Kreisstadt ohne Heimatpfleger in Oberbayern. Alle anderen finden seine Rolle als hilfreich."

Außerdem zeigt ein Blick auf die Altstadt seiner Ansicht nach, wie dringend notwendig die Kommunalpolitik den moderierenden Einfluss eines externen Denkmalschutzexperten hätte. Göttler bezieht sich auf den Schermhof, dem Entree zur Altstadt in der Konrad-Adenauer-Straße, oder auf die Bausünde der ehemaligen Koschadeklinik, dessen Gebäude die historische Baulinie sprengt. Er warnt vor einem Verfall des denkmalgeschützten Seidl-Hauses in der Augsburgerstraße. Neubauten beispielsweise in der Konrad-Adenauer-Straße überzeugen ihn wegen ihrer Gesichtslosigkeit nicht. Negative Beispiele außerhalb der Altstadt sind für ihn die historische Holländer-Halle der ehemaligen Pulverfabrik, ein Industriedenkmal des Jugendstils. Und auch die Hermann-Stockmann-Villa ist im Innenbereich zu stark verändert worden. Das Gesamtkunstwerk des Spatznschlößels sei nahezu zerstört worden.

Zudem steht Dachau vor zwei großen Herausforderungen. Die eine ist seiner Ansicht nach die Klosterstraße hinauf zum Schloss, nachdem die Flaschenabfüllerei abgerissen und durch Wohnungsbau ersetzt wurde. Jetzt geht es darum, das Gebäude der historischen Schloßbergbrauerei zu sanieren und zu restaurieren. Für den Kräutergarten, der zum ehemaligen Konzentrationslager gehörte, gibt es immer noch kein realisierbares Konzept.

Vor allem aber ist Dachau für den Bezirksheimatpfleger ein weiterer, maßgeblicher Beleg dafür, dass gerade Städte dieser Größe eigenständige Konzepte für den Denkmalschutz brauchen. Göttler sagt: "Es gibt sie für das Dorf und für die großen Städte, nicht aber für die mittelgroßen Zentren." Diese Leerstelle könnte ein Heimatpfleger mit Sachverstand ausfüllen. Auf diese Weise könnten Ideen für einen modernen Denkmalschutz entwickelt werden. Übrigens auch gegen das Landesamt, das "oft rigorose Positionen" einnehme. Göttler: "Dachau wirbt für regionalen Tourismus. Umso wichtiger wäre es, ein Wohnzimmer wie die Altstadt zu erhalten."

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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