Dachau, wie es knallt und kracht, das dürfen wir bald schon wieder erleben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) befürchtet auch in diesem Jahr Krawalle und gewalttätige Ausschreitungen an Silvester. Nun ist Dachau nicht Berlin. Polizei und Rettungskräfte müssen - hoffentlich - nicht mit Übergriffen von Randalierern rechnen. Sie haben ohnehin alle Hände voll zu tun. Für die Feuerwehr zum Beispiel könnte das Jahr 2023 enden wie es kurz nach Mitternacht um 0.09 Uhr des 1. Januar begonnen hatte: Mit einem Dachstuhlbrand, damals in Hebertshausen, ausgelöst durch eine verirrte Silvesterrakete, wie es so schön heißt, oder besser gesagt, durch einen Prosecco-Beschwingten, der sich wie so viele in dieser Nacht für den besten Pyrotechniker aller Zeiten hielt.
In der Silvesternacht sind zwar der Schlossberg und die Rathausterrasse wieder gesperrt - ein komplettes oder doch weite Gebiete der Stadt umfassendes Feuerwerksverbot hat der Stadtrat jedoch nicht erlassen. Schon vor den Corona-Jahren diskutierte das Gremium über entsprechende Anträge der Bündnis-Fraktion, der Grünen und des Stadtrats Wolfgang Moll (Wir). Aber wie schwer sich da die Ratsherren und -damen tun, das zeigte schon die Debatte um das Feuerwerk auf dem Dachauer Bierfest. Das bleibt, denn wie es ein Stadtrat formulierte, sei das Feuerwerk ein uralter Brauch, der zur Volksfesttradition Dachaus passe. In der Brauchtumspflege böllert es eben auch ganz gewaltig.
Der Appell an die Vernunft - welche Vernunft?
In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sei ein Feuerwerk verboten, hieß es im Stadtrat. Auch Pyrotechnik mit "ausschließlicher Knallwirkung in bestimmten dicht besiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden" sollte unterbleiben. Die Kommunalpolitiker appellieren an die Vernunft der Bürger, nur was, wenn da gar keine Vernunft, sondern ein Loch im Kopf ist, das der Bürger gerne mit Böllerkrach und Raketengefunkel füllt? Für Dachau gibt es keine entsprechende Umfrage, aber das Ergebnis dürfte in etwa dem einer aktuellen Forsa-Umfrage vom Oktober entsprechen, wonach 59 Prozent der Deutschen sich für ein Verbot von Böllern und Raketen an Silvester aussprechen. Das wäre doch eine Grundlage für ein Verbot.
Gründe dafür gäbe es genug: Der Schutz der Umwelt, Brand- und Verletzungsgefahr und das massive, gesundheitsschädliche Feinstaub-Aufkommen - die Münchner Straße zum Beispiel steht immer in dichtem Nebel. Aber das schert die Hobby-Feuerwerker wenig. Sie wollen es einfach krachen lassen am letzten Tag des Jahres. Warum ihnen das offenbar eine tiefe Befriedigung verschafft, das muss erst noch in psychologisch-soziologischen Studien erforscht werden - bis dahin mag man sich auf die Erkenntnis verständigen, dass die paar Minuten "Glücksempfinden" auf Kosten von Ärzten, Polizeibeamten und anderen Rettungskräften gehen, die in der Silvesternacht Dienst schieben. Und auf Kosten von Tieren: "Der ohrenbetäubende Lärm, der Brandgeruch und die blitzenden Lichter am Himmel in der Silvesternacht erschrecken die Tiere zu Tode", sagt Moira Gerlach vom Deutschen Tierschutzbund.
Umwelt-, Verbraucher-, Tierschutz-, und Gesundheitsorganisationen sowie die Gewerkschaft der Polizei forderten Faeser zu einem Verbot der Silvester-Knallerei auf. Gleich ein Verbot? Klar, wenn Appelle an die Vernunft nur verhallen. Warum sollte auch ausgerechnet am letzten Tag des Jahres Rücksicht geübt werden, wenn man es das ganze Jahr über nicht tut.